In vielen europäischen Ländern, auch in der Schweiz, strafen die Regulatoren langfristige Investitionen der Versicherer ab, wie Axa-Anlageexpertin Christina Böck feststellt.

Christina Böck ist ‹CIO Switzerland & Head Solution Strategists Central Europe› bei Axa Investment Managers. Ihre Kolumne für finews.ch erscheint monatlich.

Die Beratungsfirma Boston Consulting Group und Axa Investment Managers untersuchten unlängst die grössten Herausforderungen für europäische Versicherungen. Hierfür interviewten sie die Chief Investment Officers (CIO) von insgesamt Assekuranzunternehmen mit mehr als 3'000 Milliarden Euro an betreuten Anlagen.

Als besonders grosse Herausforderung nannten viele Umfrageteilnehmer das Niedrigzinsumfeld (68 Prozent), gefolgt von der neuen Regulierung, worunter insbesondere die Solvenzanforderungen verschiedener Couleur (Swiss Solvency Test sowie Solvency II) zu verstehen sind.

Sorgen der Finanzkrise fast vergessen

Dagegen sind die Sorgen der Finanzkrise fast vergessen, zumal die Marktvolatilität sowie das Kreditrisiko auf Euro-Bonds nur noch von jeweils 16 Prozent der CIOs zitiert wurden.

Doch wie gedenken die Versicherungen mit diesen Problemen umzugehen? Knappe 60 Prozent wollen ihre Diversifikation in Satelliten-Anlageklassen und 23 Prozent der Befragten die Diversifikation in Kernanlageklassen erhöhen.

Erschwerte Lösungen

Demgegenüber denken 55 Prozent der CIOs über strukturierte Absicherungsstrategien nach, die insbesondere im Umfeld der neuen Rechnungslegungsvorschriften nach IFRS4 Bedeutung erlangen. Nach diesem Regelwerk müssen noch mehr Anlagen zum Marktwert (statt bisher zum Buchwert) bilanziert werden.

Bezüglich der Lösungsansätze muss man die beiden wichtigsten Herausforderungen in Beziehung zueinander setzen: Ausgerechnet im Moment der niedrigsten Zinsen, die alleine schon einen Anlagenotstand hervorrufen, wird die Regulierung extrem verschärft, so dass die als natürlich erscheinenden Lösungen erschwert werden.

Langfristige Investitionen mit geringer Liquidität

Doch sehen wir uns einmal die Frage der Diversifikation genauer an.

Exakt 47 Prozent der Anlagechefs möchten die Allokation in Infrastruktur-Investitionen verstärken. Diese können die Form von Schulden oder von Eigenkapital annehmen – aber in beiden Fällen sind es langfristige Investitionen mit geringer Liquidität.

In vielen europäischen Ländern, auch in der Schweiz, wird von den Regulatoren aber gerade diese Langfristigkeit abgestraft, sei es mit erhöhtem Solvenzkapital (Kapital, dass den Anlagen gegenüber gehalten werden muss), sei es mit der Nichtanerkennung im gebundenen Vermögen (Vermögen, dass für die Verbindlichkeiten den Versicherten gegenüber anerkannt wird).

Teuer und extrem niedrig

Besonders deutlich ist der Fall für Schweizer Versicherungen: Im Prinzip dürfen Schweizer Versicherungen nur Schweizer Immobilien oder Darlehen an Schweizer Unternehmen halten. Diese sind nun aber wirklich teuer und die laufenden Renditen extrem niedrig.

In das umliegende Ausland diversifizieren, zum Beispiel nach Deutschland, wo die Immobilienpreise in den letzten 20 Jahren eine ganz andere, sprich sehr stabile Entwicklung durchgemacht haben? Und Darlehen auch an transparente, europäische Unternehmen mit gutem Kredit vergeben?

Nicht ohne grosse Umwege

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma besteht auf gewissen Kriterien, die aus ihrer Sicht für den Versichertenschutz sicher Sinn machen: Liquidität und Konkursdurchgriff für eine Schweizer Gesellschaft. Und somit ist die geographische Diversifikation zur Senkung des Risikos und Verbesserung der Renditen für die Versicherten nicht ohne grosse Umwege möglich.

In anderen Anlageklassen hat die Finma allerdings die Nase wieder vorn: High Yield-Obligationen stellen für sie nicht an sich ein Problem dar, im Gegensatz zu anderen europäischen Regulatoren, die diese pauschal verdammen, obwohl ihr Risiko-Rendite-Profil in sehr gutem Verhältnis zu Investment Grade-Anleihen steht, wenn man alle Faktoren berücksichtigt.

Klagen erhöhrt

Immerhin scheint das Klagen der Versicherungen doch auch gehört zu werden: Die Anpassung des Diskontierungssatzes im Swiss Solvency Test durch die Finma im Dezember 2012 war so ein Lichtblick.

Auf europäischem Niveau sind es die Diskussionen um die zyklische Prämie auf Zinsen, die den Solvenzkapitalbedarf ebenfalls senken, sowie noch weitere Ansätze. Behoben ist der Anlagenotstand allerdings so lange nicht, als die Zentralbanken die Zinsen extrem niedrig halten, um die Wirtschaft anzukurbeln – was für ein Interessenkonflikt.


Christina Böck bildete sich an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster zur Diplom-Kauffrau aus, bevor sie einen Master in Management (Finance) an der H.E.C. in Paris erlangte.

Nach verschiedenen Praktika war sie ab 1994 bei der Dresdner RCM Gestion in Paris tätig. Später wechselte sie zur Allianz-Pimco-Gruppe. Zu Axa Investment Managers in Paris stiess sie im April 2001. Seit März 2007 arbeitet Christina Böck in Zürich, heute als ‹CIO Switzerland & Head Solution Strategists Central Europe›.

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.51%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.55%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.23%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.1%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.6%
pixel