100-Stunden-Wochen, Stress im Homeoffice: Die extremen Arbeitsbedingungen im Investmentbanking drohen im neuen Jahr in eine weitere Runde zu gehen.

Nach der Flaute im Jahr 2020 boomt das Investmentbanking wie selten zuvor. Bereits im vergangenen Herbst deuteten Daten daraufhin, dass auch Schweizer Institute in der Disziplin auf einen der besten Abschlüsse der vergangenen zwanzig Jahre zusteuern. Und jetzt zeichnet sich ab, dass auch 2022 ein hervorragender Jahrgang für die «Regenmacher» bei den Grossbanken werden könnte.

Der Boom mit Fusionen und Übernahmen sowie im Handel wird sich bereits kommenden Februar in den Banker-Boni niederschlagen. Fast täglich werden nun die Bonus-Aussichten für Investmentbanker nun nach oben korrigiert. Diversen Schätzungen zufolge könnten die Sondervergütungen für das Jahr 2021 um 30 Prozent oder gar bis zu 50 Prozent steigen. Doch Geld ist nicht alles, wie sich zeigt.

Angespannte Personaldecke

Denn angesichts von 100-Stunden-Wochen und unklarer Trennung von Arbeit und Privatleben im Homeoffice haben die Banker-Burnouts in den vergangenen Monaten ebenfalls zugenommen.

Jüngere Jahregänge von Investmentbankern wollen ihre Gesundheit teils nicht mehr für den Arbeitgeber riskieren – bei der amerikanischen Grossbank Goldman Sachs gingen sie deswegen gar auf die Barrikaden. Doch bereits zeichnet sich die nächste Eskalationsstufe ab, wie das in der Londoner «City» gut vernetzte Online-Portal «Financial News» (Artikel bezahlpflichtig) berichtete. Im Umkehrschluss bedeutet das für die grossen Häuser, dass sie mit noch mehr Abgängen rechnen müssen; schon jetzt ist die Personalsituation wegen der hohen Deal-Volumen äusserst angespannt.

Neue Mischung

Entsprechend müssen sich die Institute bezüglich «Retention» von Talenten etwas einfallen lassen. Nachdem die Branche dem Problem zuerst mit Geld begegnet ist – die Credit Suisse (CS) etwa zahlt jungen Analysten in ihrem ersten Berufsjahr einen sogenannten Lifestyle-Bonus von 20'000 Dollar, die UBS überwies Analysten und Associates einen einmaligen Bonus von 40'000 Dollar – versucht man es nun mit einem neuen Mix. So offeriert das Schwergewicht Goldman Sachs neuerdings mehr (unbezahlten) Urlaub und Zusatzleistungen, um der Gefahr von Burnouts entgegenzutreten.

Der Bericht zititert dazu auch Jens Welter, seines Zeichens Europachef im CS-Investmentbanking. «Die Kombination von Massnahmen wie geschützter Urlaub, finanzielle Anreize und eine grössere Zahl von Neueinstellungen, gepaart mit der Flexibilität, vom Büro an den Arbeitsplatz zurückzukehren, wird die Fluktuation verringern», hofft der Grossbanker.

Ominöse Kündigungen

Die neuen Angeboten werden wohl sofort einem Realitätscheck unterzogen. Die von der Pandemie mit ausgelöste Kündigungswelle, die schon seit Monaten in den USA für Besorgnis sort, kommt zunehmend auch in Europa an, wie Erhebungen zeigen.

Bereits vergangenen Herbst schlug diesbezüglich ein Report der Beratungfirma Oliver Wyman Alarm. Die Berater gelangten zum Schluss, dass die Loyalität zum Arbeitgeber während der Corona-Krise markant erodiert ist. Traumatische Erfahrungen mit dem Virus und der anhaltend hohe Stress hätten dazu geführt, dass sich die Angestellten auf ihre Grundbedürfnisse besinnen würden: Bei der Stellenwahl seien nun Gesundheit und Sicherheit entscheidende Faktoren, hiess es.