Der Mangel an qualifiziertem Nachwuchs bedroht den Wachstumskurs vieler unabhängiger Vermögensverwalter. Trotzdem sind die meisten Unternehmen von einem modernen Recruiting oft noch weit entfernt, wie Constanze Thomas von Cinerius Financial Partners feststellt. Hier sind ihre fünf Tipps.  

In den kommenden 30 Jahren wird die Babyboomer-Generation weltweit umgerechnet bis zu 68 Billionen Franken vererben, wie das «Private Banking Magazin» unlängst berichtete. Diese Verschiebung, im Jargon auch «The Great Wealth Transfer» genannt, bringt eine neue Generation junger vermögender Kunden hervor.

Deren Haltung ist eindeutig: 80 Prozent der Millennials haben vor, sich im Erbfall eine neue Bank oder einen neuen Vermögensverwalter zu suchen. Insbesondere ihre Unzufriedenheit mit den digitalen Services sollte zu denken geben.

Erwartungen an die Arbeitgeber steigen unaufhaltsam

Um angesichts des bevorstehenden Wechsels in den Kundengenerationen wettbewerbsfähig zu bleiben und mit dem Wachstum des Marktes mitzuhalten, muss die enorme Veränderung, die dieser bedeutet, schon heute Eingang in das Recruiting finden.

Noch sind allerdings vor allem unabhängige Vermögensverwalter weit von einem modernen Recruiting entfernt, während die Erwartungen an sie als Arbeitgeber unaufhaltsam steigen. Längst ist es nicht mehr nur mit einem branchenüblichen Gehalt getan, sagt Constanze Thomas.

Fünf Faktoren dringend beachten

Sie ist seit April 2022 als HR-Managerin beim Zuger Vermögensverwalter Cinerius Financial Partners tätig. Um aus dem Kampf um die besten Talente nicht als Verlierer hervorzugehen, müssen Vermögensverwalter nach ihrem Dafürhalten folgende Faktoren dringend beachten.

1. Wandel der Unternehmenskultur und Kommunikation des Wandels

Spätestens jetzt ist es an der Zeit, die Transformation weg von der Arbeits- und Unternehmenskultur der 1990er-Jahre und hin zu einem modernen, innovationsstarken und wettbewerbsfähigen Arbeitsplatz zu vollziehen – und diesen Wandel nach aussen zu kommunizieren.

2. Gesamtheitlich gedachter Ansatz für Employer Branding

Vermögensverwalter kommunizieren nicht länger nur mit potenziellen oder bestehenden Kunden. Ein klares Selbstverständnis als attraktiver Arbeitgeber muss auch für kleine und mittelständische Vermögensverwalter zum zwingenden Bestandteil jeder Aussen- und Innenkommunikation werden. Employer Branding ist auf unserem hart umkämpften Arbeitsmarkt unabdingbar.

3. Karrieremöglichkeiten schaffen und aufzeigen

Kleine Teams stehen oft für begrenzte Aufstiegschancen. Dieser Vorbehalt muss aktiv angesprochen und transparent ausgeräumt werden. Welche Entwicklungschancen gibt es? Wie kann ein Karriereweg im Unternehmen beispielhaft aussehen und eine berufliche Weiterentwicklung auch im Sinne des Arbeitgebers stattfinden?

4. Weiterbildung und persönliche Schwerpunkte

Individualität, Unabhängigkeit und Expertise sind die grössten Wettbewerbsvorteile von unabhängigen Vermögensverwaltern. Durch regelmässige, selbst gewählte Weiterbildungen und individuell gesetzte Schwerpunkte kann dieses Versprechen gegenüber Kandidaten und Kunden gleichermassen erfüllt werden.

5. Work-Life-Balance und Vereinbarkeit

Die Zeiten, in denen Young Professionals einander mit ihren Überstundenkonten zu beeindrucken versuchten, sind vorbei. Work-Life-Balance, Teilzeit- und Remote-Modelle, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und flexibles Arbeiten nehmen einen immer höheren Stellenwert ein. Wer hier nicht rechtzeitig handelt und auch durch digitale Prozesse Möglichkeiten schafft, ohne die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden dabei aus dem Blick zu lassen, wird seine Nachwuchssorgen langfristig weiter verschärfen.

Schon die Fülle der Baustellen zeige, dass Vermögensverwalter diese Aufgabe nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten, wenn sie im herausfordernden Marktumfeld bestehen wollten, betont Constanze Thomas. Eines müsse ihnen aber auch klar sein: Ein solcher Wandel gelinge nur mit der entsprechenden Unternehmenskultur.