Die Credit Suisse geht derzeit durch finstere Tage. Da ist die kürzlich mit einem Award geehrte «gender fluid»-Bankerin Pippa Bunce ein rarer Farbtupfer, wie sich im Gespräch mit finews.ch zeigt. Ihre Karriere zeigt die Grossbank von der progressiven Seite.

«Der eigene Ausdruck ist so wichtig», sagt Pippa Bunce, die sich für das Zoom-Interview perfekt zurechtgemacht hat: Glänzendes blondes Haar, rosa lackierte Nägel – man nimmt ihr die Lebensfreude ab.

Bunce bezeichnet sich selber als «gender fluid». Als jemanden also, der fliessend zwischen den Geschlechtern zu wechseln versteht. Je nach Präferenz, so wie man die Kleider wechselt oder die Haare kämmt. Die Leichtigkeit und Überzeugungskraft, mit der sie das tut, haben ihr nun bei der Credit Suisse (CS), für die sie in London seit 17 Jahren als führende IT-Spezialistin tätig ist, eine weitere Ehrung eingebracht.

Von der Familie unterstützt

So wurde sie Anfang Monat mit dem dem «British Diversity Award» gewürdigt, in der Kategorie «inspirierendes Vorbild» erhielt.

Den Weg hin zu dieser Auszeichnung hat die Bankerin – die zuweilen auch als Phil auftritt – schon früh eingeschlagen, wie sie berichtet. Schon im Alter von fünf Jahren wollte sie sich nicht nur als Junge kleiden. «Zum Glück hat meine Familie mich akzeptiert, und mein Zuhause war ein sicheres Umfeld, in dem ich zeigen konnte, wer ich bin und wie ich mich fühle», sagt sie.

Eine Lüge gelebt

Dann kam das Berufsleben mit Karrierestationen unter anderem bei der Schweizer UBS und und der US-Investmentbank Goldman Sachs. Das Outing in einer Banken-IT-Abteilung erschien ihr alles andere als leicht. «Ich hatte es satt, eine Lüge zu leben, ich wollte nicht mehr vorgeben, jemand anderes zu sein», erinnert sich Bunce an diese Zeit.

Als sie mit ansehen musste, wie sich gender-fluide und nicht-binäre Freunde das Leben nahmen, weil sie sich in ihrem Umfeld nicht einbezogen oder akzeptiert fühlten, sei sie fest entschlossen, aufzustehen und die Dinge zu verbessern.

David Mathers als Mentor

Ein 2014 von der CS lanciertes Programm zur Förderung von LGTB+ Mitarbeitenden und ihren Unterstützern ermutigte sie, sich am Arbeitsplatz als gender fluid und non-binary erkennen zu geben. Diese Merkmale gehören zum breiteren Spektrum der Transidentitäten.

Die CS, die sich aufgrund einer nicht abreissenden Serie von teuren Debakeln nun einem Kulturwandel zu mehr Risiko-Bewusstsein verschrieben hat, zählt in diesem Feld bereits seit der Ära von Ex-CEO Brady Dougan zu den progressivsten Instituten.

Minderheiten im Institut wurden vom Top-Management gezielt unterstützt; zu ihren Mentoren zählt Bunce den langjährigen Finanzchef David Mathers. Interne Schulungs-Programme versuchen zusätzlich, Kader über integrative Führung aufzuklären.

Vorbereitung ist alles

«Zuerst dachte ich, es sei beängstigend, weil ich nicht wusste, wie die Leute auf mein neues Aussehen reagieren würden und welche Konsequenzen das für meine Karriere haben würde», sagt sie.

Anstatt eines Tages einfach als Frau gekleidet zur Arbeit zu erscheinen, wandte sie sich zunächst an die Personalabteilung. Gemeinsam fand man heraus, dass es am besten wäre, zuerst mit den Arbeitskolleginnen und -Kollegen zu sprechen, um sie vorzubereiten.

Was dann folgte, «hat mich umgehauen», sagt Bunce. Angesichts der grossen Unterstützung und des Einfühlungs-Vermögens ihrer Kollegen fragte sie sich, warum sie den Mut nicht schon früher aufgebracht hatte.

«Bei der Arbeit sein wahres Ich zeigen»

Indem sie sich verletzlich zeigten, öffneten sich andere und gaben ihr das Gefühl, dazuzugehören. «Bei der Arbeit sein wahres Ich zu zeigen und dafür akzeptiert zu werden, ist der Schlüssel zu guter Arbeit», weiss Bunce.

Sie hat nach eigener Aussage nicht ein einziges Mal zurückgeblickt, seit sie die Entscheidung getroffen hat, sich bei der Bank zu «outen». Dies führte sie auf eine Reise, die «transformativ» war und sie «demütig» machte, und auf der sie die Unterstützung des Arbeitgebers zu schätzen wusste. Nun ist sie selber zu einem Vorbild geworden.