Institutionelle Investoren sind in einem Anlagenotstand. Anleihen bieten mickrige Zinsen, Aktien bergen Risiken. Anlagespezialist Kurt Fisch von Fisch Asset Management erklärt im Interview mit finews.ch, was sich in dieser Situation aufdrängt.

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Herr Fisch, angesichts der anhaltenden Tiefzinspolitik scheint die Frage berechtigt zu sein: Sind institutionelle Anleger in einem Anlagenotstand?

Das tiefe Zinsniveau macht das Leben der Investoren wirklich nicht einfach. Insbesondere institutionelle Anleger, die einen technischen Zinssatz erreichen müssen, geraten in eine ungemütliche Situation. Die grosse Frage lautet, mit welchem zusätzlichen Risiko soll ich mir die erforderliche Rendite beschaffen.

Ein Zeichen der verzweifelten Suche nach Rendite ist die Hausse an den Aktienmärkten. Befinden wir uns hier bereits in der Gefahrenzone?

Die Bewertung der Aktien ist nach wie vor vernünftig und die Unternehmen steigern ihre Gewinne auch in einem schwierigen Umfeld stetig. Somit fliesst viel Geld in Aktien. Historisch tiefe Obligationenzinsen und eine unbegrenzte Geldschwemme machen Aktien unwiderstehlich attraktiv, insbesondere jene mit hohen Dividenden.


«Diese Hausse kann noch sehr weit führen»


Diese Hausse kann noch sehr weit  führen. Die Party wird gelegentlich von Spekulationen um ein bevorstehendes Ende der ultralockeren Geldpolitik des Fed gestört, was dann kurzfristig zu technischen Korrekturen und stark erhöhter Volatilität führt. Dies ist die grösste Gefahr: Die Märkte sind auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen der Notenbanken ausgeliefert.

Welches Verhalten beobachten Sie unter institutionellen Kunden, etwa Banken, Pensionskassen, Versicherungen usw., mit akutem Anlagebedarf?

Im gegenwärtigen «Search for Yield» stehen folgende Anlageklassen im Vordergrund: Aktien, insbesondere jene mit hoher Dividendenausschüttung, Emerging Market Obligationen, High Yield und Wandelanleihen.


«Jetzt Interesse, wo früher die Türen geschlossen waren»


Beispielsweise stossen wir auf echtes Interesse an Wandelanleihen bei Adressen, wo wir früher immer geschlossene Türen vorfanden. Ein weiteres Beispiel: Die Salonfähigkeit von Emerging Market Obligationen auch bei sehr konservativen Institutionellen. Da wir längerfristig mit einem Tiefzinsumfeld rechnen, erwarten wir auch weiter steigendes Interesse an High Yield.

Weshalb bietet das Produkt Wandelanleihe in einer Phase, die geprägt ist von Minizinsen und Euphorie am Aktienmarkt, eine «gefahrlose» Investitionsmöglichkeit?

Wandelanleihen bieten Asymmetrie im Renditeverlauf, wobei die Krümmung der Kurve eben die richtige ist, und das ist sehr wichtig im gegenwärtigen Umfeld: Nach oben steil und steiler, nach unten flacher bis seitwärts. Mit andern Worten: Wenn es  nach oben geht an den Aktienmärkten, dann bin ich mit dabei, und im  Falle sinkender Märkte sind meine Verluste begrenzt.


«Gefahrlos ist nicht der richtige Ausdruck»


Obwohl die Verluste kleiner sind als im Falle der Aktienmärkte, ist gefahrlos nicht der richtige Ausdruck.  Für die Performance eines gut gemanagten Wandlerfonds lautet die Faustregel: Zwei Drittel der Aufwärtsbewegung und ein Drittel der Abwärtsbewegung der Aktienmärkte.

Wie hat sich das Kundenvermögen von Fisch Asset Management in den letzten Jahren entwickelt? Und wie war die Entwicklung bislang im laufenden Jahr?

Unsere Kundenvermögen haben sich ausserordentlich gut entwickelt. Ende 2010 lagen die verwalteten Vermögen bei 4,6 Milliarden Franken und Ende April 2013 bei 8,3 Milliarden Franken. Im laufenden Jahr stiegen die Vermögen bereits um 1 Milliarden Franken. Der letztjährige Renner waren Emerging Market Bonds, dieses Jahr ganz klar die Wandelanleihen.

Gibt es einen Nachfrageüberhang respektive ein Angebotsmanko? Weshalb greifen nicht mehr Unternehmen auf das Produkt Wandelanleihe in der Mittelbeschaffung zurück?  

Die Emissionstätigkeit am Wandlermarkt  war in den letzten beiden Jahren unbefriedigend. 2007 war das bisherige Rekordjahr mit über 200 Milliarden Dollar. Darauf folgten drei gute Jahre mit jeweils über 100 Milliarden Dollar. 2012 war mit 61 Milliarden Dollar das schlechteste Emissionsjahr seit 1995.

Das laufende Jahr hat sehr vielversprechend begonnen. Es geht wieder in Richtung 100 Milliarden Dollar. Wie immer gibt es eine Fülle interessanter Wandler in den Bereichen Wachstums- und Turnaround-Gesellschaften. Regional steigen die Emissionen überall. Sektorweise verteilen sich die Emissionen sehr breit auf eine Vielzahl von Branchen.


Zeichen für deutlich mehr Wandleremissionen


Was wir in den letzten Jahren als Investoren allerdings ein wenig vermissen, sind Emissionen von erfolgreichen Investment Grade-Gesellschaften. Hohe Gewinne, allgemeiner Trend zum Deleveraging und zurückhaltende Investitionstätigkeit sind Stichworte zu dieser Situation.

Tief bewertete Aktien und die tiefe implizite Volatilität der Wandelanleihen  – die Prämie auf den Aktien war bei Emission tief, die Wandelanleihe also günstig – hielten wohl viele Unternehmen von Emissionen von Wandelanleihen zurück. Beide letztgenannten Punkte sprechen aber immer mehr für eine deutliche Zunahme an Wandleremissionen.

Welche Branchen sind besonders aktiv, was die Emission von Wandelanleihen anbelangt?

Technologie und Healthcare sind zwei Wachstumgsbranchen, die sehr viele Wandler aufweisen. In den Emerging Markets sind es sehr oft Infrastrukturfirmen, die dank starken Wachstums den Markt benutzen.

Wie steht es diesbezüglich mit der Finanzindustrie?

Der Finanzbereich hat in den letzten Jahren am meisten Wandler emittiert, wobei das in erster Linie auf Reits (Reit = Real Estate Investment Trust. Anm. der Red.) zurückzuführen ist, die auf der ganzen Welt sehr aktiv waren.

Im Weiteren sind natürlich kapitalintensive Branchen stark vertreten. Schliesslich auch Branchen, die in einem Turnaround stehen. Das beste Beispiel diesbezüglich ist der amerikanische Häusermarkt, aus dem eine grosse Zahl von Unternehmen über die Emission von Wandelanleihen an das neu benötigte Geld zum Investieren kam.

Worauf hat ein Investor speziell zu achten, wenn er sich ein Engagement in Wandelanleihen überlegt?

Für den institutionellen Investor, der ein Mandat vergibt oder in einen Fonds investiert: Grösse, Knowhow und Erfahrung des Wandelanleihen-Teams im engeren Sinn, damit seine Bedürfnisse in optimaler Weise umgesetzt werden. Für den privaten Investor: Welche Strategie fährt der Fonds, in den ich investiere?


«Die Überregulierung bereitet die grössten Sorgen»


Die wichtigsten Fonds teilen sich in zwei Klassen: Defensive Strategien mit mehrheitlich Investmentgrade Papieren und Aktiensensitivität im Bereich von 15 Prozent bis 45 Prozent auf der einen Seite, und opportunistische Strategien ohne Ratingeinschränkung und einer leicht höheren Aktiensensitivität auf der anderen Seite. Je nach Renditeerwartung und Risikofähigkeit entscheidet er sich für die vorsichtige oder sportliche Variante.

Welchen Einfluss auf Ihr Geschäftsmodell haben die absehbaren und zum Teil bereits in Gang gekommenen strukturellen Veränderungen in der Finanzbranche? 

Die strukturellen Veränderungen in der Finanzbranche spielen insofern in unsere Hände, als spezialisierte und fokussierte Asset Manager eine gefragte Spezies bleiben dürften. Die mit Abstand grössten Sorgen machen uns die vielfältigen Trends zur Überregulierung, die einem Manager unserer Grössenordnung  viel an Aufwand und Einsatz abfordern.


Kurt_Fisch_2Kurt Fisch ist Mitgründer der Fisch Asset Management, die 1994 entstand. Der 61-Jährige ist Mitglied des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung. Er leitet das Asset Management und die Kundenbetreuung.

Nach dem Studium an der Hochschule St. Gallen war Kurt Fisch während fünf Jahren Journalist der «Finanz und Wirtschaft», für die er 1980 bis 1982 als US-Redaktor in New York arbeitete. Danach wechselte er zur Credit Suisse in Zürich, wo er als Portfolio Manager wirkte. Während zwei Jahren war er als Fondsmanager tätig, danach drei Jahre als Manager für grosse institutionelle Kunden mit Schwergewicht Aktien und Wandelanleihen.

Im Jahr 1988 wechselte Fisch zur Bank Lips. Im Range eines Direktors und Mitglied der Geschäftsleitung war er für die Anlagestrategie und das Portfolio Management verantwortlich. Die Bank Lips wurde 1998 an die Graubündner Kantonalbank verkauft und später in Privatbank Bellerive umbenannt.

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