Die Erfolgsgeschichte Jan Schochs ist bemerkenswert. Dennoch traut man sie ihm bis heute nicht wirklich zu. Seit Sommer bröckelt der Kurs der Leonteq-Aktie. «In Schoch we trust» heisst es jetzt zunehmend.

Sie sind rar und vermutlich deshalb so suspekt: die grossen Erfolgsgeschichten in der Schweizer Bankbranche. Tatsächlich machte der Finanzplatz in den vergangenen Jahren denn auch eher mit Negativ-Schlagzeilen von sich reden als mit Aufbruchsstimmung und Innovationsgeist. Doch Ausnahmen gibt es, doch sie werden umso argwöhnischer beäugt.

Die Rede ist vom 38-jährigen Appenzeller Jan Schoch. Bereits in jungen Jahren legte der an sich unscheinbare Bankangestellte mit der Gründung einer eigenen Firma das Fundament für eine beispiellose Karriere. Das Rätselhafte am Ganzen ist dabei nicht etwa der Umstand, dass er damit Erfolg hat, sondern man ihm diesen Erfolg bis heute einfach nicht auf Dauer zutraut.

Viel mehr Fantasie

Allein schon das Geschäftsmodell der vor acht Jahren gegründeten Firma, die zunächst EFG Financial Products hiess und inzwischen als Leonteq firmiert, ist selbst für viele Eingeweihte ein Buch mit sieben Siegeln. Klar, das Unternehmen entwickelt dank seiner Innovationsfähigkeit und seiner ausgefeilten Vertriebsstrukturen Derivate, genauer gesagt Strukturierte Produkte, die zum Teil wesentlich günstiger sind als bei der Konkurrenz.

Aber auch die Zürcher Bank Vontobel versteht sich als Marktinnovatorin in diesem Geschäftsfeld und kann – je nach Betrachtungsweise – ebenfalls einen substanziellen Marktanteil für sich beanspruchen. Dennoch war es die Aktie der Firma Leonteq, die seit dem Börsengang im Spätherbst 2012 um 964 Prozent zulegte. Heute bringt das Unternehmen an der Börse einen Wert von 2,5 Milliarden Franken auf die Waage. Das ist gleich viel wie die Bank Vontobel, die allerdings noch eine Private-Banking-Division sowie ein Asset Management betreibt.

Enorme Wachstumschancen

Kein anderes Schweizer Unternehmen in diesem Geschäft hat in den vergangenen Jahren eine ähnliche Wachstumsstory hingelegt. Dabei erzielt Leonteq auch noch reichlich Gewinn – im Gegensatz zu anderen Firmen, die sich in der momentan hoch gejubelten Fintech-Szene tummeln. Und mit diesem Geld finanziert Jan Schoch seine ambitionierte Expansion in neue Märkte; auch das hat man ihm nie wirklich zugetraut. Doch auch da strafte er seine Kritiker Lügen.

In Singapur etwa, wo das Unternehmen seit wenigen Jahren präsent ist, schaffte es Leonteq, eine Kooperation mit DBS, der grössten und mächtigsten Bank in Südostasien einzugehen. Damit eröffnen sich unzweifelhaft enorme Perspektivn in jenem Teil der Welt, wo der Wohlstand am schnellsten wächst. Dass die kleine Leonteq mit dem Riesen DBS zusammenfand, daran hatten nur wenige Brancheninsider gerechnet.

Ein geborener Verkäufer

Ähnlich die Entwicklung hierzulande: Schoch kündigte an, den Kundenstamm an Banken mit Versicherungen zu ergänzen. Klar, es bestand da bereits mit der Helvetia so etwa wie eine Verbindung. Doch darüber hinaus gelang es dem agilen Unternehmen auch, mit dem grössten Lebensversicherer der Schweiz, mit der Swiss Life, eine Kooperation einzugehen; auch das hatte ihm kaum jemand zugetraut.

Dass Schoch Antreiber, Denker und Lenker von Leonteq ist, kann man gut an seinen öffentlichen Auftritten sehen: Der 38-Jährige pariert jede Detailfrage zum Geschäft mit Eloquenz und Präzision. Der Mann ist ein geborener Verkäufer, gleichzeitig schafft er es, sich als ein Unternehmer darzustellen, der den Markt revolutioniert.

Beides «Game Changer»

Insofern lässt sich Leonteq durchaus mit dem amerikanischen Zukunftsauto Tesla vergleichen, derweil Jan Schoch so etwas wie das Ebenbild von Elon Musk, dem brillanten Frontmann und Hauptaktionär des US-Elektroautoherstellers, abgibt. Beide gelten als «Game Changer» in ihrer Branche: Schoch im Bereich Strukturierte Produkte – Musk, der das Elektroauto massentauglich macht.

Doch die Leonteq-Story wurde immer auch von kritischem Stirnrunzeln begleitet. Die Neue Helvetische Bank hielt unlängst in einem Kommentar fest, seit jeher habe man den «Ansagen» von Jan Schoch nur halbherzig Glauben schenken wollen. Beobachter würden an den Wachstumsplänen und -prognosen zweifeln, andere hinterfragten die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells.

Kurs bröckelt

Anfang dieser Woche zählte die Leonteq-Aktie zu den schlechtesten an der Schweizer Börse. Sie lag bis zu 5,5 Prozent im Minus. Auslöser dafür war eine Meldung, wonach Leonteq-Mitgründer Michael Hartweg seinen Anteil an der Leonteq-Grossaktionärin Raiffeisen veräusserte habe, die sie wiederum über ihre Tochtergesellschaft Notenstein La Roche privat platzierte. Im Prinzip auch das ein Coup, der Schoch sehr zugute kommt, kann er doch so sein Aktionariat weiter festigen.

Das darf indessen nicht darüber hinweg täuschen, dass die Leonteq-Aktie seit ihrem Top von Anfang Juli 2015 rund 30 Prozent an Wert eingebüsst hat. Darum erstaunt es auch nicht, dass die Anleger auf News aus dem Hause zunehmend nervös reagieren, wie im vergangenen Monat etwa, als bekannt wurde, die Gründungspartner hätten ihre Beteiligung reduziert. Dabei hatte sich lediglich der Anteil der Aktienbeteiligungen der Gründungspartner rund um Schoch, die einer Haltevereinbarung unterliegen, von gut 20 Prozent auf 14 Prozent reduziert.

Wachsender Einfluss von Raiffeisen

Bereits im Sommer 2014 hatte Leonteq überraschend eine Kapitalerhöhung von 20 Prozent angekündigt, was ebenfalls zu einer bedeutenderen Kurskorrektur geführt hatte. Auf das Murren im Publikum reagiert Leonteq zumeist mit Paukenschlägen. Das zeigte sich beispielweise auch im vergangenen Frühling, als an der Generalversammlung nicht nur ein Aktiensplit und die Möglichkeit einer Kapitalerhöhung vorgeschlagen wurden, sondern ebenso eine Erhöhung der Dividende. Baldrian für die Aktionäre, titelte damals finews.ch.

Leonteq räumt der Mehrheitsaktionärin Raiffeisen auch laufend mehr Einfluss ein. Mit dem jüngsten Verkauf der Aktien von Leonteq-Mitgründer Michael Hartweg verfügt die Genossenschaftsbank nun über einen Anteil von knapp 30 Prozent an der Firma. Im Gegenzug bemüht sich Raiffeisen, deren CEO Patrik Gisel im Verwaltungsrat von Leonteq sitzt, die Wachstums-Story der Derivate-Spezialisten in den höchsten Tönen zu loben. Diese übertreffe «die kühnsten Erwartungen», sagte Gisel bereits im vergangenen Sommer.

Die grösste Angst

Ausserdem, und darin gleicht Leonteq wiederum Tesla, gewinnt die Rolle Schochs laufend an Gewicht. Wie diese Woche ebenfalls bekannt wurde, stellen sich er sowie Mitgründer und -aktionär Lukas Ruflin für weitere Jahre in den Dienst des Unternehmens. Konkret verpflichten sich die beiden gegenüber Raiffeisen, die bis Oktober 2020 laufende Haltefrist von zwei Drittel der Aktien, die sie beim Börsengang hielten, um weitere fünf Jahre bis Oktober 2025 zu verlängern.

Die grösste Angst der Aktionäre – bei Leonteq wie bei Tesla –, dass nämlich der Kapitän das «Schiff» verlässt, scheint so auf Jahre hinaus gebannt zu sein. Schoch, die Triebkraft hinter dem Wachstum und den stets neuen Geschäftsideen, bleibt die Konstante bei Leonteq – und als Garantin für das Versprechen steht Raiffeisen.

Schwer fassbare Grösse

Indes: Unter diesen Prämissen wird der Faktor Glauben immer wichtiger. «In Schoch we trust», müsste es unterdessen, angelehnt an das Motto auf den Dollar-Scheinen, heissen. Der Glaube nämlich, dass der junge Gründer den herkulischen Aufgaben weiterhin gerecht wird und für die Aktionäre das Unmögliche möglich macht – und der Glaube daran, dass ihm Raiffeisen nicht von der Seite weicht.

Dass dies problematisch sein kann, liegt auf der Hand. Glauben ist eine notorisch schwer fassbare Grösse, auch wenn man ihn in Finanzkennzahlen zu giessen trachtet.

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