Es brauche mehr als nur Selbstüberzeugung, um eine eigene Firma zu gründen, sagt der Schweizer Investmentbanker Marcel Franzen im Interview mit finews.ch.


Herr Franzen, Sie haben vor knapp zwei Jahren die Investmentbanking-Boutique Franzen & Company gegründet. Der Zeitpunkt war nicht gerade günstig, steckt doch die Branche in der Krise.

Es brauchte tatsächlich auch Mut und Selbstüberzeugung für diesen Schritt. In meinem Fall war es aber nicht so, dass ich mich ins Ungewisse stürzte. Ich bin annähernd 20 Jahre im M&A- und Corporate-Finance-Geschäft. Dabei funktionierte ich bereits als Investmentbanker bei Morgan Stanley als ein eigenständiges Profitcenter und trug dementsprechend ein hohes Mass an Eigenverantwortung.

Hört man sich in Grossbanken um, herrscht oft ein resignativer Ton. Die Angestellten sind die ewigen Umstrukturierungen, die Politik und die Bürokratie leid. Bemerkten Sie das in Ihrem Umfeld auch?

Aus meiner Sicht hängt das auch mit der Zyklizität des Geschäfts zusammen. Das Investmentbanking ist diesen Zyklen besonders ausgesetzt, und das hat immer direkte Auswirkungen auf das Personal. Dass man als Investmentbanker schnell mal seinen Schreibtisch räumen muss und versetzt wird, weil Ressourcen wieder zentralisiert oder verknappt werden, gehört zu unserem Geschäft. Dessen muss man sich bewusst sein.

Wie war das bei Ihnen: Waren Sie das Dasein in einer Grossbank müde?

Das würde ich so nicht sagen. Bei mir stimmte einerseits die Konstellation meiner Kundenbeziehungen. Andererseits bemerkte ich im Kontakt mit den Kunden eine hohe Akzeptanz des Boutiquenprinzips.

Was meinen Sie damit genau?

Es wäre vor einem Jahrzehnt kaum denkbar gewesen, dass ein börsenkotiertes Unternehmen eine vergleichsweise unbekannte Boutique einer renommierten Investmentbank vorzieht, wenn es um strategische Weichenstellungen und Transaktionen geht. Während meiner Tätigkeit habe ich in der Schweiz eine Vielzahl substanzieller Kundenbeziehungen aufgebaut. Einige dieser Kunden haben mir von Anfang an eine Chance gegeben.

War Selbständigkeit immer Ihr Wunsch gewesen?

Nein, das sicherlich nicht. Als ich mein Studium an der Universität St. Gallen abschloss und meine Analystentätigkeit bei Merrill Lynch in London begann, war die Selbständigkeit kein Thema. Das hat sich erst mit der Zeit entwickelt.

Wie ging das vor sich?

Als stellvertretender Chef der Morgan Stanley Investmentbank Schweiz habe ich mich ganz auf den hiesigen Markt fokussieren können und dabei, wie gesagt, ein gutes Beziehungsnetz aufgebaut. Gleichzeitig erlebte ich als Angestellter einer Grossbank natürlich auch die ständigen Schwankungen in diesem Geschäft.

«Ohne Track Record hätte ich mich nicht selbständig machen können»

Morgan Stanley wollte nach dem letzten Abschwung die Ressourcen im Investmentbanking und Advisorygeschäft wieder stärker zentralisieren und sich auf die grossen Deals konzentrieren.

Ist das für einen Investmentbanker nicht erstrebenswert?

Nicht unbedingt. Ich für meinen Teil habe stets das Potenzial des Schweizer Markts gesehen, wo es eine Vielzahl an interessanten, global aktiven und sehr erfolgreichen Mittelstandsunternehmen gibt, die entsprechend professionelle und internationale Investmentbanking-Dienstleistungen verlangen. Daraus hat sich die Initiative entwickelt, eine Investmentbanking-Boutique zu gründen.

Ist Investmentbanking ein People-Business?

Absolut. Aber es genügt natürlich nicht, dass man sich kennt, um Geschäfte zu machen. Der tadellose und langjährige Track Record an vollzogenen Transaktionen mit Kunden ist genauso wichtig. Ohne diesen hätte ich mich als Investmentbanker nie selbständig machen können. Gleichzeitig ist es wichtig, dass man im Markt mit einem soliden Set-up auftritt, also als Firma mit einer verlässlichen Struktur.

Was ist der Vorteil für einen Kunden, wenn er eine Boutique einer Bank vorzieht?

Grundsätzlich liefere ich heute im Advisory-Geschäft qualitativ dieselbe Arbeit ab, wie zu meinen Zeiten bei Morgan Stanley oder Merrill Lynch. Aber wir können viel fokussierter und pragmatischer für unsere Kunden arbeiten, weil uns keine belastende Komplexität einer Grossbank bremst.

Das heisst, Sie sind deutlich günstiger als Investmentbanken?

In der Tat. Wir müssen auch keinen Overhead mitfinanzieren.

Welches sind weitere Vorteile – abgesehen von günstigeren Preisen?

Vom Know-how her ist eine Boutique heutzutage absolut gleichwertig. Der Kunde kann aber bedarfsgerechter und auch pragmatischer betreut werden. Ausserdem ist unsere Firma absolut unabhängig, das heisst frei von jeglichen Interessenskonflikten. Entsprechend geniessen wir einen Vertrauensbonus. Zudem sind wir unternehmergeführt. Das heisst, mit Kunden besteht vielfach eine Beziehung von Unternehmer zu Unternehmer. Auch das kann von Vorteil sein.

«Das Beratungsgeschäft ist kein besonders regulierter Markt»

Wie ist die Konkurrenzsituation?

Die ist spannend. Neben den Schweizer Grossbanken gibt es auch eine Reihe von ausländischen Investmentbanken und daneben die grossen Revisionsgesellschaften, die ebenfalls ein M&A-Advisory-Geschäft führen. Dann gibt es noch einige andere Schweizer Boutiquen und natürlich eine grosse Anzahl von Einzelberatern.

Dabei ist das Beratungsgeschäft ja kein besonders regulierter Markt. Wir bewegen uns mit fünf Personen im Mittelfeld, dies bei vollständiger Unabhängigkeit. Mit dieser soliden Basis verfügen wir über das notwendige Know-how, um unter anderem auch von der SIX anerkannt zu werden.

Der Schweizer Finanzplatz ist vor allem für sein Private Banking bekannt. Investmentbanking wird hingegen eher mit der Wall Street assoziiert. Sind Sie bloss ein Nischenplayer?

Das würde ich nicht sagen. Es wird zwar kaum ein Institut kommen und die Schweiz als Hub für Investmentbanking in Europa zu wählen.

«Wir sind hier am richtigen Ort»

Investmentbanking-Dienstleistungen braucht es jedoch überall dort, wo es eine lebendige Unternehmenslandschaft gibt. Das gilt ganz besonders für die Schweiz, wo wir eine sehr hohe Dichte an Weltkonzernen und international operierenden Marktführern haben, die sehr aktiv sind. Wir sind hier auf jeden Fall am richtigen Ort.

Sie sind in Ihrem Team zu fünft, Ihre Pipeline ist gut gefüllt, Sie sind Ihr eigener Chef. Geben Sie sich damit zufrieden?

Ich bin erst Anfang vierzig, da kann noch einiges passieren (lacht). Meine Vision ist es, in den kommenden Jahren das Team vielleicht auf zehn Personen zu verstärken. Wir stehen mit rund 20 Kunden in einem langjährigen strategischen Dialog, den wir auch in Zukunft weiter intensivieren wollen. Dies bedingt eine gewisse kritische Grösse.


Marcel Franzen ist seit 1999 als Investmentbanker tätig, vor allem in der M&A- und der Corporate-Finance-Beratung. Seine Karriere startete der 42-Jährige bei Merrill Lynch in London, 2003 wechselte er als Associate zu Swiss Capital Group. Es folgte ein weiterer Wechsel zu Morgan Stanley, wo er mitverantwortlich für den Aufbau von Morgan Stanleys Schweizer Investmentbanking-Geschäft war. Anfang 2014 machte er sich mit Franzen & Company in Zürich selbständig.

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