Das traditionelle Geschäftsmodell, wonach die Banken für alle Bedürfnisse ihrer Kunden selber aufkommen, hat sich überlebt. Das behauptet Kim Fournais, CEO der dänischen Saxo Bank, im Interview mit finews.ch.


Herr Fournais, was macht ein Banken-Chef wie Sie am Web Summit in Lissabon?

Technologie ist von zunehmender Wichtigkeit für die Finanzindustrie. Und für Saxo ist sie unentbehrlich: Wir haben Mitte der 1990er Jahre angefangen, Internet-basierte Bankentechnologie zu entwickeln. Wir waren ein Fintech bevor das Wort überhaupt existierte. Es geht letztlich darum, das Investieren und Handeln zu demokratisieren. Und deshalb haben wir einen einfachen, billigen und transparenten Zugang zu den globalen Finanzmärkten geschaffen.

Gemäss einer Umfrage geben Banken 85 Prozent ihrer IT-Budgets für den Unterhalt ihrer Systeme aus. Da bleibt nur sehr wenig, um für die Kunden ein besseres Produkt zu entwickeln und das Geschäftsmodell zu verbessern.

Es gibt viele Paradigmenwechsel auf dieser Welt – und Technologie ist ein Eckpfeiler für diese Entwicklung. Wir sind überzeugt, dass Partnerschaften die nächsten grossen Disruptoren sein werden, weil offensichtlich nicht alle alles für alle machen können. Da am Web Summit viele Technik-affine Leute versammelt sind, ist das der richtige Ort für uns.

Saxo war eine der ersten digitalen Banken. Nach dem ersten Vierteljahrhundert – denken Sie, dass die Bank sich entwickelt hat, wie Sie es erwartet hatten?

Wir folgten immer der Vision, ein Vermittler zu sein, das Investment und Handeln zu demokratisieren. Heute sind wir die einzige Bank weltweit, die eine Multi-Asset Handelsplattform bietet, in 28 Sprachen, aufgebaut auf einer offenen API.

«Es war nicht immer einfach, aber wir folgten unserer Vision»

Auf unserem Weg gab es einige Schlaglöcher, die wir zu bewältigen hatten, und es war nicht immer einfach. Aber wir folgten immer unserer Vision.

Dinge wie Facebook oder Google sind schwierig vorherzusagen. Vor einem Viertel Jahrhundert gab es keine Smartphones, deshalb wollten wir den Zugang zur Handelsplattform via PC ermöglichen, in jeder gewünschten Sprache und Währung.

Was sollten Regierungen beachten, um Startups auf ihrem Weg zu unterstützen?

Fintechs sind im allgemeinen sehr gut in Fragen der Benutzerfreundlichkeit und der digitalen Verbreitung von Produkten. Der Betrieb einer normalen Bank hingegen ist in vielen Ländern heutzutage enorm komplex geworden. Es ist sehr schwierig, eine Finanzfirma zu starten angesichts der Regulierung und den vorhandenen Risiken. Wollten wir heute unsere Bank öffnen, würde es extrem schwierig. Damals genügte es, ein Programm und ein Telefon zu besitzen.

«Die Behörden sollten nicht das Kind mit dem Badewasser ausschütten»

Deshalb ist es extrem wichtig, Kooperationen abzuschliessen und diese gedeihen zu lassen. Die Politik und die Behörden sollten das Kind nicht mit dem Badewasser ausschütten: Es ist wichtig, klare Regeln aufzustellen, aber nicht zu viele davon. Heute gibt es zu viele Regeln.

Wir sind uns alle einig, dass Banken gut kapitalisiert sein und wir wissen sollten, woher unsere Klientel stammt. Aber wenn man es so schwierig macht, dass nur noch wenige Institute übrig bleiben, verhindert man den Wettbewerb, der nötig ist, um bessere Produkte und Dienstleistungen für die Kunden zu erhalten.

Eine oft vorgebrachte Klage ist die Menge von Angestellten, welche für den Betrieb einer Bank heute nötig ist.

Das ist genau, was ich mit dem Entflechten der Wertschöpfungskette meine. Bislang hatten alle ihre eigene Infrastruktur, ihre eigene IT. Natürlich gab es keine Cloud. Bei Saxo haben wir im Jahr 2001 angefangen, Partnerschaften zu entwickeln, wobei wir die gesamte digitale Wertschöpfungskette für Finanzdienstleister zur Verfügung stellen. Die Firmen können sich dann darauf konzentrieren, was wichtig ist: Nämlich ihre Kunden beraten.

«Die grosse Veränderung in der Finanzbranche ist die Notwendigkeit, Partner zu finden»

Wir bieten zum Beispiel Schweizer Privatbanken die Option, unsere gesamte Infrastruktur einzusetzen. Dies schafft eine Win-Win-Situation: Die Kunden erhalten bessere Dienstleistungen und den Zugang zu den Märkten, und wir erhalten die Verbreitung und den Zugang zur Kundenbasis. Es ist viel besser, diese Services zu teilen – für alle. Das Konzept von Uber und Airbnb findet Eingang in die Finanzbranche. Die Alternative, dass alle alles tun, wie heutzutage, ist schlichter Wahnsinn.

Wir sind Vermittler, machen IT-hosting, Entwicklung, Risk Management, Prime Brokerage – alles, um Finanzdienstleistern eine Plattform zu bieten. Da unser Produkt auf einer offenen API aufbaut, können alle diese benutzen, ob Fintech oder Bank. Diese müssen nicht die ganze Bank entwickeln, sondern sich auf das konzentrieren, was sie gut können. Ich nenne dies das Lego-Konzept der Finanzbranche.

Wie verdient die Saxo Bank ihr Geld?

Wie eine Bank. Wir generieren kein Geld mit Lizenzen. Wir versuchen durch Kooperationen Win-Win-Lösungen zu erzielen. Zum Beispiel im White Labeling, da geht es typischerweise darum, ein Übereinkommen zur Einkommensteilung zu erzielen – und je mehr sie mit unseren Leistungen machen, desto billiger wird die Gesamtlösung für sie. Kleine und grosse Partner zu bedienen ist nicht so verschieden in Bezug die Kosten, weshalb es hier einen Skaleneffekt zu erzielen gibt.

Wie sehen Sie die Zukunft der Grossbanken?

Auch sie werden in Zukunft ihren Kunden eine viel bessere Unterstützung auf der ganzen Wertschöpfungskette gewähren müssen. Sie werden natürlich immer noch die Kundenberatung haben. Aber es ist klar, diese Industrie riskiert eine Disruption.

«Es gibt sehr viele Anlagefonds, die nicht gerade phantastisch sind»

Wenn man die Anlagefonds betrachtet, muss man sagen, dass es selbstverständlich sehr gute gibt. Aber eben auch sehr viele, die nicht gerade phantastisch sind. Sie sind im generellen zu teuer verglichen mit den Indexfonds (ETF). In the USA werden 40 Prozent der Vermögen in ETFs gehalten. In Dänemark sind es 1.5 Prozent. Wir haben also noch einige Arbeit vor uns.

Heutzutage sind Banken nicht besonders erpicht darauf, ETF zu verkaufen, weil diese viel billiger und transparenter sind und weil dies für den Verkauf der Anlagefonds hinderlich ist.

Es wird in diesem Transformationsprozess Firmen geben, die sich schnell weiterentwickeln, digitale und transparente Lösungen bieten werden, und es wird solche geben, die langsamer sind.

Die Finanzbranche war in der Schweiz einige Jahrzehnte lang die wichtigste Industrie. Heute wollen die Jungen gar nicht mehr im Banking arbeiten. Wieso ist dem so?

Weil das Prestige der Banken gelitten hat. Regierungen haben massenweise Geld für die Rettung der Banken verbraucht, was deren Reputation geschadet hat. Und die Bonuszahlungen sind wohl auch nicht mehr, was sie mal waren.

Alle wissen, dass ein Wandel zwingend ist. Ein technologischer, aber auch ein kultureller Wandel. Und ein Wandel des Geschäftsmodells. Möglicherweise ist dies ein Blockbuster-Netflix-Moment, weil Kunden ihre Bankdienstleistungen billig, problemlos und transparent erhalten können.

Ist dieser Moment denn schon da?

Dies braucht noch Zeit. Die Leute sind ihren Banken gegenüber viel loyaler als ihren Ehefrauen. So lange dies so bleibt, wird die Veränderung nur langsam vonstatten gehen. Aber für alle involvierten Player wird der Wandel neue Chancen bieten.

Wie sehen Sie den Schweizer Markt?

Die Schweiz ist immer noch ein sehr interessanter Markt. Ein Viertel des globalen Privatvermögens wird hier gehalten. Wir sind daran, eine breitere Palette an Produkten für Investoren und die digitale Vermögensverwaltung zu präsentieren.

Werden Sie ihre Präsenz in der Schweiz noch ausbauen?

Wir haben solche Pläne. Ursprünglich waren wir auf aktive Investoren und Trader fokussiert. Jetzt bewegen wir uns in Richtung selbstgesteuerte Investoren. Dies wird für uns ein viel breiteres Segment ergeben als früher.


Kim Fournais, 50, ist Mitgründer und Chief Executive Officer der Saxo Bank, welche in Kopenhagen domiziliert ist. Er hält einen Viertel des Aktienkapitals der Bank, welche schon Anfangs 90er Jahre mit einer Internet-tauglichen Tradingplattform Aufsehen erregte. Der begeisterte Privatflieger stand finews.ch anlässlich der Fintech-Konferenz Web Summit in Lissabon letzte Woche Rede und Antwort.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.72%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.33%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    15.56%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    45.72%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.67%
pixel