Die Disruption in der Finanzbranche als Uber-Moment zu bezeichnen, ist en vogue. Dabei liefert das Fahrdienst- Unternehmen aus dem Silicon Valley den denkbar schlechtesten Anschauungsunterricht.

Es war Warnung und Verheissung zugleich: Im November 2015 hielt Ex-Barclays-CEO Antony Jenkins eine Rede mit der Überschrift «Approaching the Uber moment in financial services», in welcher er Digitalisierung und Technologie als unaufhaltbare Kräfte beschrieb, welche das Finanzwesen umpflügen, die Hälfte der Jobs überflüssig machen und die Bedeutung etablierter Banken und anderer Finanzunternehmen verschwinden lassen würden.

Gleichzeitig werde aber alles besser, versprach Jenkins damals: Die Dienstleistungen, der Kunden-Service, die Preise, die Effizienz, das Risikomanagement – eine schöne neue Welt der Geldgeschäfte werde entstehen.

Eine App und eine Revolution

Jenkins hatte als Barclays-Chef noch geplant, das Filialnetz auszudünnen und 19'000 Mitarbeiter zu entlassen. Im Juli 2015 wurde er selber entlassen, bevor er seinen Plan vollenden konnte.

Den Begriff «Uber-Moment» schuf er, weil das kalifornische Fahrdienst-Unternehmen namens Uber mittels einer einfachen App scheinbar es geschafft hatte, weltweit das Taxiwesen komplett auf den Kopf zu stellen.

Markenzeichen der digitalen Revolution

Das Markenzeichen der digitalen Revolution: Uber ist inzwischen das grösste Taxi-Unternehmen der Welt – ohne ein einziges Taxi zu besitzen oder einen Fahrer zu beschäftigen. Uber vermittelt nur Fahrten zu massiv günstigeren Preisen – und kassiert Provisionen.

Das ist ein Geschäftsmodell nach dem Geschmack der digitalen Kapitalisten: Eine Plattform-Technologie führt Angebot und Nachfrage zusammen und dank Automatisierung sowie hoher Effizienz kann eine Dienstleistung zu massiv tieferen Preisen angeboten werden.

Kalte Schauer hier...

Auf dem Schweizer Finanzplatz jagen Prognosen wie der Jenkinsche Uber-Moment kalte Schauer den Rücken der Banker hinunter. Sie wissen: Ihre Branche ist rückständig, nach gerade technologiefeindlich, ignorant gegenüber den Kundenbedürfnissen, ineffizient und teuer. Das perfekte Angriffsziel für Technologie-Cracks, Disruptoren und Fintech-Unternehmer.

In diesem Lager wird fiebrig an der Schaffung des Uber-Moments gearbeitet. Die Schweiz tut sich als Fintech- und Blockchain-Cluster besonders hervor, zeigen doch eine ganze Anzahl von jungen Startup-Unternehmen Erfolge mit ihren Geschäftsmodellen und in der Gewinnung von Risikokapital.

...und wohlige Schauer da

Wo die Banker schaudern, wird es den Fintech-Vertretern angesichts des Uber-Moments wohl. Dieser, so liess sich kürzlich Jenkins angesichts sinkender Anzahl Bankenfilialen vernehmen, geschehe nun tatsächlich.

Nach all dem, was acht Jahre Uber-Unternehmensgeschichte offenbart haben, darf ein solcher Moment kein erstrebenswertes Ziel mehr sein. Die Fahrdienst-Firma aus dem Silicon Valley müsste im Gegenteil als Antithese einer erfolgreichen Disruption gelten.

1.  Das Uber-Geschäftsmodell
Für Taxi-Kunden mag es genial sein, da Uber-Fahrten klar günstiger sind. Für die Fahrer ist es ein knallharter Kampf ums Überleben: Uber senkt laufend die Tarife (von denen das Unternehmen 25 Prozent kassiert), gängelt die Fahrer, zahlt aber keine Versicherungsbeiträge.

Investoren haben Uber mit Milliarden geradezu überflutet. Doch den Beweis, dass das Geschäft nachhaltig profitabel werden kann, ist das Unternehmen bislang schuldig geblieben. 2016 erwirtschaftete Uber 6,5 Milliarden Umsatz und einen Verlust von 2,8 Milliarden Dollar. Angesichts des Uber-Verbotes in zahlreichen Ländern, vor allem in Europa, und laufenden wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung darf man zweifeln, ob die Uber-Revolution des Taxiwesens tatsächlich so erfolgreich verlaufen ist.

2. Die Uber-Unternehmenskultur
Sie liesse sich unter «acht Jahre Geschichte und keine Ende der Kontroversen» zusammenfassen. Unter Gründer und CEO Travis Kalanick ist Uber zu einem sexistischen und frauenfeindlichen Unternehmen gewachsen, wie verschiedene Enthüllungen – unter anderem von Kalanicks Ex-Freundin – in den letzten Monaten gezeigt haben.

Uber setzt zudem seine Technologie-Überlegenheit zur systematischen Überwachung ein, sei es der Mitarbeiter, der Fahrer oder der Konkurrenz. Die Moral unter den 11'000 Uber-Angestellten ist entsprechend am Boden, die Fluktuation im Management hoch.

3. Die Uber-Corporate-Governance
Viele der Fehler und Skandale gehen direkt auf CEO Kalanick und seine Machtfülle zurück. Nach einer Schimpftirade gegen einer seiner Fahrer gelobte er Besserung und nahm die Suche nach einem Chief Operating Officer (COO) auf.

Doch dieser würde bei Uber auf eine Governance- und Aktionärsstruktur treffen, die Kalanick die volle Kontrolle und Autorität sichert. Keine verlockenden Aussichten für einen COO, zumal Kalanick sich einen Ruf als Micro-Manager gemacht hat, der sich in Dinge einmischt, von denen er eigentlich nichts versteht.

4. Die Mentalität und die Absichten im Silicon Valley
Die digitale Revolution wird von Protagonisten wie Kalanick oder Facebook-Gründer Mark Zuckerberg als Absicht verkauft, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ganz Silicon Valley scheint beseelt zu sein von dem Gedanken, mit Hilfe des Einsatzes menschenfreundlicher Technologien, die Menschheit in ein sorgloseres Zeitalter zu führen, in dem welchem Ressourcen, der Zugang zu Wissen und Technologien allen gleichsam offen steht und insgesamt auch billiger zu haben ist.

Auf derselben Klaviatur spielen die Fintechs, die bessere und billigere Bankendienstleistungen und ultimativ glücklichere und zufriedenere Kunden versprechen.

Das New-Age-Gerede der IT-Milliardäre ist ein Deckmantel knallharter Geschäftsinteressen. Amazon, Facebook, Apple, Google, Uber – die Leuchttürme der aufgehenden vierten industriellen Revolution haben den Kapitalismus in eine neue Sphäre katapultiert, in welchem aus Privatem und Persönlichem Kapital geschlagen wird, die grenzenlose Freiheit des Internets in Tat und Wahrheit eine Datenkrake darstellt, die alles überwacht und daraus Geld macht.

Man sollte ihn fürchten

Diese zugegebenermassen etwas polemischen Äusserungen sollen nun nicht so gedeutet werden, dass der digitale Wandel in den Banken in der Schweiz und im Ausland abgeblasen werden sollte.

In der Momentaufnahme scheint es tatsächlich so, dass Digitalisierung und Automatisierung der Branche einerseits Notwendigkeiten darstellen, die von innen vorangebracht werden müssen und andererseits von jungen Fintech-Unternehmen erzwungen werden. Doch den Uber-Moment, ihn sollte man tatsächlich fürchten. 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.63%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.55%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.21%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.08%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.53%
pixel