Mit der neuen Niederlassung in St. Gallen hat die Luzerner Privatbank Reichmuth & Co für einigen Wirbel gesorgt. Bankpräsident Christof Reichmuth berichtet finews.ch über Rückenwind in der Ostschweiz. 

Herr Reichmuth, letzten Januar hat Reichmuth & Co mit der Einstellung des Ostschweizchefs der Notenstein La Roche Privatbank einigen Staub aufgewirbelt. Was hat Sie zu dem Coup veranlasst?

Wir haben einst mit der Notenstein-Vorgängerbank Wegelin im Bereich Vorsorge eng zusammengearbeitet. Damit waren wir dem Team freundschaftlich verbunden. Vor drei Jahren erkannten wir, dass es immer weniger Banken gibt, wie wir eine sind. Und in der Ostschweiz gar keine mehr. Mit der Nachfolgeregelung bei der St. Galler Sirius Wealth Management ergab sich dann letzten Sommer eine Gelegenheit. Die haben wir ergriffen – und anschliessend wurde es tatsächlich etwas unruhig.

Reichmuth & Co ist eigentlich bekannt für leisere Töne. Waren Sie überrascht vom Echo in St. Gallen?

Wir waren überrascht, wie viele Bewerbungen wir erhalten haben, als wir dort die Eröffnung einer Niederlassung kommunizierten! Nur um das klarzustellen: Wir haben niemanden abgeworben.

«Sieben Ehemalige von Notenstein La Roche stossen in St. Gallen dazu»

Werner Krüsi war der Wunschkandidat von Ernst Eisenhut, für dessen Sirius wir ja einen Nachfolger als Niederlassungsleiter suchten.

Aber Krüsi sind weitere Notenstein-Kollegen gefolgt, oder?

Nein, das waren alles Einzelbewerbungen, bevor wir Werner Krüsi für uns gewinnen konnten. Richtig ist aber, dass dieses Jahr sieben Ehemalige von Notenstein La Roche in St. Gallen dazu stossen. Unser Team besteht dann insgesamt aus zehn Personen.

Fliessen die Kundengelder mit?

Bei engen Kundenbeziehungen gehört das dazu, ist aber nicht unsere Ausbau-Strategie. Wir wollen wachsen, weil wir den Kundennutzen steigern, indem wir nicht «me too» sind zum Rest der Branche.

Was ist das Gegenteil von «me too»?

Von Anfang an war es unsere Strategie, den Kunden zuzuhören und dann zu entscheiden, was für diese individuell Sinn macht. Ebenso gehört dazu, Nischen zu erkennen und diese aufzubauen, so wie wir es etwa mit der Immobiliengesellschaft Mobimo getan haben oder im Infrastruktur-Bereich. Wenn unsere Ideen für die Kunden funktionieren, werden diese zu Fans. Dann werden wir die Ziele sicher erreichen.

Aber auch Reichmuth hat sich Anfang 2016 neu aufgestellt. Weil Sie mussten?

Bei der Gründung von Reichmuth vor 22 Jahren war mein Vater 56 Jahre alt und wollte nie pensioniert werden – und ich wollte etwas Eigenes anpacken. Das Konzept war damals die integrale Vermögensverwaltung, hinzu kamen das Asset Management und später die berufliche Vorsorge mit Pensexpert. Damit hat sich unser Netzwerk jedes Mal verbreitert.

«Die Kundengelder sind deutlich über 8 Milliarden Franken gestiegen»

Als mein Vater als Präsident zurücktrat und ich ihn auf diesem Posten ersetzte, haben wir die Gelegenheit genutzt, die Gruppe griffiger auszurichten. Sie setzt sich nun zusammen aus drei Gesellschaften mit je eigener Leitung und klaren Prozessen.

Die Neupositionierung war also eine Alterserscheinung?

Vor allem ist sie dem bisherigen Wachstum und der Ausrichtung für die Zukunft geschuldet. Wir sind noch jung, wir sind im Aufbau!

Wo wächst Reichmuth am schnellsten?

Glücklicherweise haben wir derzeit fast überall Rückenwind. Die Kundengelder sind dank Performance, zahlreichen Neukunden und dem Aufbau in St. Gallen deutlich über die kommunizierten 8 Milliarden Franken angestiegen. Auch in der Vorsorge sehen die Kunden den Nutzen und wachsen stark. Hier testen wir Angebote auch in Deutschland mit einem kleinen Team. Aber es geht nie lange, bis man im Banking wieder in den Gegenwind gerät.

Könnte bald die nächste Niederlassung in der Schweiz folgen?

Dieses Jahr sind wir damit beschäftigt, das bisher Eingeleitete auf den Boden zu bringen. Generell passen wir auf, dass wir die Komplexität nicht zu sehr erhöhen. Ein Vorstoss in die Westschweiz ist auch wegen der Sprachkomplexität kein Thema.

«Ein Kaltstart in Basel wäre schwierig»

Weiterhin werden wir Kunden in der Deutschschweiz sowie deutsche, österreichische und britische Klienten im grenzüberschreitenden Geschäft bedienen.

Basel und Bern sind weisse Flecken auf Ihrer Landkarte...

Basel hat an die 16 Privatbanken und ein Kaltstart dorthin wäre für uns sehr schwierig. Bern wiederum ist ein eigener Markt. Grundsätzlich ist es aber für uns so, dass eine Filialstrategie heute mehr Sinn macht als früher – weil es viel weniger inhabergeführte Banken wie uns gibt. Im Moment ist aber nichts in unserer Pipeline.

Im Schweizer Private Banking gilt, dass nur wächst, wer der Konkurrenz Kunden abjagt. Dafür sind Sie ganz schön entspannt.

Welches Geschäft ist heute denn noch einfach? Wir bewirtschaften unsere Nischen – und die Kunden kommen zu uns, weil sie ähnlich denken, dieselben Werte teilen und unsere Sicht der Welt schätzen.

«Wir drehten die Bilanz in Positionen, die weniger Heu fressen»

Innerhalb der Nische erwarte ich weiterhin gutes organisches Wachstum. Ich sehe den Markt nicht so negativ wie sie!

Dann lächeln Sie auch die Strafzinsen weg, die derzeit den Privatbanken besonders zusetzen?

Natürlich nicht, ich mag die Negativzinsen überhaupt nicht. Ich halte das Instrument auch aus volkswirtschaftlicher Sicht für schädlich. Die Folgen werden uns noch begleiten, wenn die Negativzinsen längst aufgehoben sind. Aber man hat die Problematik ja kommen sehen mit der Notenbankpolitik in der Eurozone. Wir haben daraufhin unsere Bilanz, die primär aus Barbeständen bei der Nationalbank bestand – für die wir als Teilhaber erst noch haften – schnell gedreht.

Wie?

In Positionen, die weniger Heu fressen. In Pfandbriefe etwa und Bundesanleihen.

«Für die Bilanz haftet man nicht leichtfertig»

Die rentierten zwar kaum, dafür müssen wir seither nur wenig Negativzinsen bezahlen.

Nur noch die Häuser Baumann Banquiers, Bordier, E. Gutzwiller, Morgue d’Algue, Rahn & Bodmer und Reichmuth haben heute noch voll haftende Teilhaber. Lässt sich das Rad der Zeit noch aufhalten?

Die Rechtsform ist im Banking meiner Meinung nach nicht matchentscheidend. Ich habe auch Verständnis für jene Kollegen, die das Haftungsrisiko nicht mehr tragen wollen. Für die Bilanz haftet man nicht leichtfertig. Wir sind die jüngste der Teilhaber-geführten Schweizer Privatbanken. Wer weiss, vielleicht sind wir bald die Älteste?

Als grosse Neuerin am Bankenplatz wird die Digitalisierung wahrgenommen. Wie positioniert sich Reichmuth da?

Die Digitalisierung findet statt, dagegen kann man sich nicht wehren.

«Kunden kommen, weil für sie Vertrauen wichtiger ist als digitale Dienste»

Für uns als Bank kommt es darauf an, wie wir die verschiedenen Kanäle einsetzen. Wir stellen etwa den Kunden den Vermögensüberblick via Desktop oder Mobiltelefon zur Verfügung. Aber viele Kunden kommen ja gerade zu uns, weil für Sie Vertrauen in die Personen wichtiger sind als solche Dienste.

Sie sind die Bank für Digitalisierungsgegner?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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