Als BCG-Beraterin kennt Anna Zakrzewski die Stärken und Schwächen der Schweizer Privatbanken im Detail. Welche Herausforderungen den Instituten angesichts der Coronakrise bevorstehen, erklärt sie im Interview mit finews.ch.


Anna Zakrzewski, wir sitzen beide im Homeoffice, ebenso wie die meisten Banker. Können die Kundenberater ohne menschlichen Kontakt ihre Kunden überhaupt noch gut betreuen?

Wir sprechen ja gerade in einem Video-Call. Das ist auch eine Art von menschlichem Kontakt. Sie sind kein Roboter. Ich sehe Sie lachen, sie können Empathie und Emotionen zeigen. Das ist natürlich nicht damit zu vergleichen, wenn wir am selben Tisch sitzen und diskutieren und dabei auch auf andere Themen eingehen. Aber viele von uns, auch Banker und Berater, haben gelernt, es funktioniert auch.

War es für die Banker eine schmerzhafte Umstellung?

Es ist sicher «Learning by Doing». Mittlerweile haben alle schon mehrere Wochen Übung und man sieht, wie schnell man sich anpassen kann, wenn man muss.

 «Dann nutzen die Kunden halt Whatsapp»

Vor dem Coronavirus hiess es oft, der Kunde möchte das nicht. Handkehrum haben viele Kundenberater den Digitalkanal als Seitenfenster angeschaut.

Was droht denjenigen, die noch nicht genug in digitale Kommunikation investiert haben?

Selbst die Privatbanken, die vielleicht kein digitales Onboarding haben, kommen nun halt auf andere Möglichkeiten. Sie wären überrascht, wer jetzt remote ein Konto aufmachen kann. Zum Beispiel über einen Besuch beim Notar mit Videokonferenz und der schickt dann eine Bestätigung. Sicherheit und Vertraulichkeit sind überhaupt wichtige Punkte. Die Kunden sollen eigentlich nur sichere Kanäle benutzen. Aber dann nutzen sie halt Whatsapp. Das ist ein ganz neues Umfeld, in dem sich jetzt alle beweisen müssen. Die Banker, auch die ältere Generation, zeigen, dass sie in diesem digitalen Umfeld auch relativ gut funktionieren können. Ich glaube, wenn wir dann in sechs Monaten oder wann auch immer zurückkommen, wird sich das nicht mehr wegwischen lassen.

Also gibt es eigentlich keine Probleme?

Kunden, die Sie kennen, da kriegen Sie es hin. Viel schwieriger sind Neukunden. Wie akquiriere ich überhaupt? Da ist keine Intimität, keine Beziehung, wie sie über mehrere Meetings entsteht.

 «Eine unglaubliche Gelegenheit für Privatbanken»

Blosse Transaktionen sind kein Problem, aber wenn es um Nachfolgeplanung, Family Governance oder Impact geht, ist es wesentlich schwieriger.

Waren die Banken – auch abgesehen von der IT-Seite – gut genug auf einen Crash vorbereitet?

Eine solche Krisensituation ist eine unglaubliche Gelegenheit für Privatbanken den Beweis darzubringen. Sie können jetzt noch enger beim Kunden sein. Die wenigsten – ein Teil ja – haben das wirklich in eine Chance umgewandelt. Viele sind mit standardisierter, kurzfristiger Kommunikation herausgegangen: «Liebe Frau Soundso, ihr Portfolio ist aufgrund der Marktsituation um x Prozent nach unten gegangen.» Die Frage ist, wie man das schafft, dass diese Kommunikation personalisiert ist? Zum Beispiel könnten direkt Vorschläge kommen, welche alternativen Investments sich nun anbieten, oder auf den Kunden eingehen, der unsicher ist was er oder sie jetzt tun soll.

Sie sagen, die wenigsten Banken haben ihre Chance genutzt. Wird sich diese Schockstarre rächen?

Wir haben verglichen, wie die Banken vor Krise von 2008 dastanden, im Vergleich zu 2018. 2007 gab es in der Schweiz kaum eine Bank mit einem Kosten-Ertrags-Verhältnis von über 80 Prozent.

«Wenn die Profitmarge schon vor der Krise klein war, dann ist diese Zeit fundamental kritisch»

Zehn Jahre später war es knapp die Hälfte der Wealth Manager. Wir gehen davon aus, dass Ende 2021 86 Prozent der Schweizer Privatbanken über dieser Marke liegen wird.

Das ist keine lange Zeit – lässt sich der Niedergang überhaupt noch abwenden?

Im Moment sind alle noch mit Feuerlöschen beschäftigt. Mit dem Arbeiten von zuhause, der digitalen Kommunikation, den Fragen um Liquidität, Kapital, etc. Irgendwann kommt dann die mittlere und längere Frist auf. Diejenigen, die frühzeitig darauf fokussieren, die richtigen Investitionen tätigen, zu einem «new way of working» umdenken, und sich Gedanken machen wo sie strukturell anders sein wollen in der Zukunft, können danach als die Stärkeren rauskommen. Wenn die Profitmarge aber schon vor der Krise klein war, dann ist diese Zeit fundamental kritisch.

Wie viel Zeit bleibt denn zum Feuerlöschen?

Ich glaube, spätestens bis Ende April sollte man alles was Short-Term ist voll im Griff haben. Einige beginnen jetzt schon Stresstesting zu machen, Szenarien zu modellieren und sich zu überlegen, wo sie den Hebel ansetzen müssen, um den Ertrag wieder hochzukriegen.

«Spätestens 2022 wird man diese Veränderungen sehen»

Zudem geht es um strukturelle Kosten-Reduktionen. Es geht nicht um einen Haircut, das ist nicht die Idee, sondern, wo kann ich jetzt Komplexität rausnehmen, mich anders aufstellen, und auch in künftiges Wachstum investieren zu können.

Wird das gelingen?

Ich bin optimistisch. Seit 2008 ist die Anzahl der Player recht zurückgegangen. Ich erwarte, dass die Industrie gut – mit Abstrichen – aus der Krise kommen wird. Aber es wird diejenigen geben, die jetzt schon knapp sind und selbst in einem starken Jahr wie 2019 keinen grossen Profit geschafft haben. Die haben jetzt an diversen Fronten zu kämpfen: Sie müssen ihre Kunden halten, die Mitarbeiter motivieren, die digitalen Vertriebskanäle weiter aufbauen, über Kostenmassnahmen entscheiden und sind so busy mit kurzfristigen Problemen, dass manche am Ende nur um Haaresbreite überleben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Teil in den nächsten zwei Jahren nicht mehr da sein wird. Spätestens 2022 wird man diese Veränderungen sehen.

Die Banken würden sagen, sie sind so ineffizient, weil ihnen der Regulator seit 2008 viele zusätzlichen Auflagen gemacht hat. Lässt sich da wirklich noch so viel gewinnen?

In unseren Augen liegt das «Fett» in der Komplexität. Alle Banken haben eigene nicht standardisierte Prozesse oder Duplikationen, viele Standorte und nicht alle profitabel. Mit Standardisierung sind sie in der Lage zu skalieren und effizienter zu werden.

«Sie wollen nicht am falschen Ort gespart haben»

Man hat viel Geld in Kunden-Schnittstellen und Apps gesteckt. Als Kunde hat man das Gefühl es sei alles verknüpft. Aber hinten werden Daten oft noch manuell übertragen. Das führt zu unglaublichen Reibungsverlusten.

Heisst das, nun da die Chefs endlich aufwachen, kommt es zu einer riesigen Entlassungswelle?

Der Personalbestand im Swiss Banking geht ja seit zwölf Jahren runter. Ein Erdbeben würde ich nicht sofort erwarten. Wenn sie jetzt kurzfristig radikal kürzen und nachher die Wachstumskurve wieder hochgeht, dann wollen Sie nicht am falschen Ort gespart haben. Der Schlüssel wir sein, zu entscheiden wo man schneidet und das nicht nur beim Personal, sondern auch wirklich am Umdenken vom Operating Model. Daraus entsteht die künftige Wachstumsmaschine. Die Schweizer Banken können nicht mit dem gleichen Modell einfach so weitermachen.


Anna Zakrzewski arbeitet seit 2001 bei der Boston Consulting Group, wo sie Partnerin und Managing Director ist. Vom Zürcher Büro aus leitet sie weltweit die Beratung von Vermögensverwaltern. Sie ist eine der Autorinnen der jährlichen BCG-Studie zur weltweiten Vermögensentwicklung.  

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