Die Coronakrise hat die Arbeitswelt der Banker auf den Kopf gestellt, was auch zu psychosozialen Problemen geführt hat, sagt Balz Stückelberger von Arbeitgeber Banken im Interview mit finews.ch. Homeoffice sei eine Frage der Dosierung.


Balz Stückelberger, was war in den ersten zwei Monaten der Coronakrise die grösste Herausforderung für die Banken und ihre Mitarbeiter?

Für die Banken war und ist die Corona-Situation auch in ihrer Rolle als Arbeitgeber eine Herkules-Aufgabe: Zum Schutz der Mitarbeitenden wurden die Betriebsabläufe komplett umgestellt. Gleichzeitig mussten die Banken gerade in einer solchen Krisensituation ihrer unverzichtbaren Aufgabe für die Wirtschaft und die Gesellschaft gerecht werden und auf geänderte Kundenbedürfnisse reagieren. Und oben drauf kam noch die Bereitstellung der Ressourcen und Abläufe für die Umsetzung des weltweit wohl einmaligen Covid-19-Kreditprogramms des Bundes. Die Mitarbeitenden waren dabei bezüglich Flexibilität besonders gefordert: die Arbeit im Homeoffice, die Sorge um die eigene Gesundheit, die Neuorganisation des eigenen Haushalts, die Sicherstellung der Kinderbetreuung… Und all dies mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen.

Hatten die Angestellten denn die notwendigen Fertigkeiten, um mit der Extremsituation zurechtzukommen?

Ja, offensichtlich. Sonst hätten diese radikalen Umstellungen nicht ohne Unterbruch und ohne Einschränkung der Dienstleistungsqualität umgesetzt werden können.

«Flexibilität ist grundsätzlich keine Frage des Alters»

Flexibilität ist in der Finanzbranche ja auch keine neue Anforderung. Zudem wies die Branche schon vor der Coronakrise den höchsten Anteil an mobil-flexiblen Arbeitsformen auf und war deshalb gut gerüstet.

Gab es alters- oder funktionsbedingte Unterschiede?

Nein, eher nicht. Flexibilität ist grundsätzlich keine Frage des Alters und der Umgang mit neuen Technologien gehört zu den Grundanforderungen in unserer Branche. Ich war manchmal sogar überrascht, mit welcher Selbstverständlichkeit Online-Zusammenarbeitsformen gerade auch von älteren Mitarbeitenden genutzt werden. Am schwierigsten war und ist die neue Situation sicher für Mitarbeitende mit Betreuungspflichten. Da ist der Spagat je nach Situation nach wie vor sehr gross.

Wie haben die Banken allfällige Probleme gelöst?

Zu Beginn der Krise gab es da und dort sicher technische Schwierigkeiten, die aber rasch gelöst werden konnten. Schwieriger sind psychosoziale Probleme, die sich in solchen Extremsituationen ergeben. Wir wissen, dass die entsprechenden Beratungsanfragen in den Banken stark angestiegen sind.

«Viele nutzen die Situation, um sich über ihre Kompetenzen Gedanken zu machen»

Die Ursachen liegen dabei weniger bei der Arbeit, sondern ergeben sich aus der Gesamtsituation aufgrund von Einsamkeit, Unsicherheit, Angst oder Problemen im privaten Bereich in Kombination mit einer ungewohnten Arbeitssituation. Hier sind die internen oder externen Sozialberatungen der Banken derzeit besonders gefragt. Für Banken ohne solche Angebote empfehlen wir zum Beispiel die Online-Kampagne Dureschnufe.ch, die extra als Ratgeber für die psychische Gesundheit in der Corona-Krise entwickelt wurde.

Wie sollten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Bankbereich auf die kommende Wirtschaftskrise einstellen?

Was auch immer die absehbare Zukunft bringen wird: Die Corona-Situation zeigt einmal mehr, wie wichtig die persönliche Kompetenzentwicklung ist. Wir haben deshalb gemeinsam mit den Sozialpartnern der Bankbranche die laufende Kompetenzentwicklungs-Kampagne «Skillaware» sofort auf digital umgestellt. Mit «skills@home» liefern wir zum Beispiel Podcasts zu Themen wie «Erfolgreich arbeiten im Homeoffice» oder bieten Online-Laufbahnberatungen an. Diese Angebote stossen auf grosses Interesse. Offenbar nutzen viele Mitarbeitenden die aktuelle Situation, um sich über ihre Kompetenzen Gedanken zu machen.

Wird Homeoffice die Arbeitsform der Zukunft? Was sind Vor- und Nachteile davon?

Da bin ich zurückhaltend. Homeoffice war ja in der Bankbranche schon vor der Coronakrise verbreitet wie in kaum einer anderen Branche. Grundsätzlich führt Homeoffice zu einem Effizienzgewinn, besserer Konzentration und höherer Mitarbeiterzufriedenheit. Zudem werden die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert und der öffentliche Verkehr entlastet.

«Bei modernen Arbeitsformen kann man nicht über jede Minute Buch führen»

Auf der anderen Seite gestaltet sich die Führung anspruchsvoller und die informellen Kontakte sowie die Zusammenarbeit im Team kommen zu kurz. Zudem drohen Isolation und Schwierigkeiten in der Abgrenzung zwischen Privatleben und Beruf. Deshalb kommt es auf die richtige Dosis an: Homeoffice im Umfang von 20 Prozent gilt heute als weit verbreitet in unserer Branche. Nach meiner Einschätzung überwiegen die Nachteile ab einem Homeoffice Anteil von mehr als 50 Prozent.

Musste oder muss man überdenken, wie die Arbeit organisiert ist? Ich stelle es mir schwierig vor, von daheim aus meine Arbeitszeit genau zu erfassen.

Ja, das ist so. Deshalb haben wir auch für Lockerungen bei der Pflicht zur Zeiterfassung gekämpft. Bei «modernen» Arbeitsformen wie Homeoffice kann man nicht mehr über jede Minute Buch führen. Seit vier Jahren ist es nun endlich möglich, unter gewissen Bedingungen auf die Zeiterfassung zu verzichten und die Arbeitszeit eigenverantwortlich zu organisieren.

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