Die Corona-Krise wirkt längst nicht nur lähmend, sondern auch als enorme Beschleunigerin von Trends. Auf der Schwelle zum dritten Pandemiejahr sind dem Schweizer Finanzwesen so sechs Gewissheiten abhanden gekommen, wie finews.ch feststellt.

1. Ein Gespenst nimmt Gestalt an

Seit der Finanzkrise von 2008 ist die Teuerung zum Gespenst geworden: Von Ökonomen gefürchtet und immer wieder heraufbeschworen, angesichts der Entkoppelung von Finanzmärkten und Realwirtschaft aber wenig greifbar geblieben. Das hat sich in den letzten Monaten gründlich geändert. Wegen Lieferengpässen, der Knappheit von Arbeitskräften und den Corona-Direktzahlungen für Unternehmen ist die Teuerung sprunghaft angestiegen. Das bringt die Währungshüter unter Zugzwang. Rascher als ihnen lieb war mussten die wichtigsten Zentralbanken einen Fahrplan für den Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik bekannt geben.

Hierzulande hält die Schweizerische Nationalbank (SNB) an der Voraussage fest, dass der Anstieg der Teuerung nur von kurzer Dauer sei. Tendenziell stellt sich die Garantin der Finanzstabilität damit gegen die Interessen hiesiger Banken: Diese könnten mit einem Zinsanstieg und höheren Hypothekar-Zinsen wohl gut leben.

2. Das Ende des Bargeldes, zweiter Akt

Bereits Ende 2020 war in der Schweiz ansehbar, was angesichts des Banknoten-Fetischs im Land niemand so schnell erwartet hätte: Kontaktloses Bezahlen mit Debit- oder Kreditkarte sowie mit dem Smartphone nahm gegenüber Bargeld-Transaktionen überhand. In den letzten Monaten hat sich dieser Trend nun verfestigt, und bereits weitere Folgen gezeitigt. So sind namhafte Banken dazu übergegangen, ihr Netz an Bancomaten zu arrondieren. Gemäss einer aktuellen Studie bräuchte es zwei von drei der Geräte in der Schweiz nicht mehr.

Derweil tüftelt die Nationalbank gemeinsam mit anderen Notenbanken und diversen Akteuren am Finanzplatz an digitalem Zentralbank-Geld (CBDC). Die SNB-Projekte «Helvetia» und nun «Jura» sind erfolgreich über die Bühne gegangen. Beobachter rechnen nun fest damit, dass die neuen «offiziellen» Digitalwährungen lanciert werden – im wesentlichen sei dies nur noch eine Frage der Zeit. Die Implikationen eines E-Franken fürs hiesige Finanzwesen sind dabei noch gar nicht abschätzbar.

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(Bild: Shutterstock)

3. Die Angst vor Krypto weicht FOMO

Die Experimente der Zentralbanken mit E-Währungen sind auch als Antwort auf den Aufstieg von Kryptowährungen wie dem Bitcoin zu verstehen, die einst als Gegenentwurf zum Papiergeld-System gedacht waren. Mit den enormen Preissteigerungen von Kryptowährungen in den letzten Monaten geht die Gewissheit einher, dass Krypto in der Mitte des Finanzwesens angekommen ist. In der Folge müssen sie auch die Regulierungskeule erdulden, die 2022 mit einiger Gewissheit auf das aufstrebende Geschäft niedersausen wird.

Aus Sicht der etablierten Akteure aus dem Banking wäre das wohl zu begrüssen. Die Geldwäscherei-Risiken, welche die Geldhäuser im Umgang mit Bitcoin & Co gefürchtet haben, sind FOMO (Fear of missing out) gewichen: Der Furcht, den Krypto-Boom zu verpassen und bei der Kundschaft in Ungnade zu fallen.

4. MD – eine bedrohte Spezies

Homeoffice, Videokonferenzen und Maskenpflicht sind die greifbarsten Veränderungen, welche die Corona-Krise in den Büroalltag gebracht hat. Andere Auswirkungen sind subtiler. So gerät mit der Fernarbeit die hierarchische geprägte Führungsstruktur des Finanzwesens ins Wanken: Wenn die Arbeitskraft nicht mehr vor Ort ist, muss nach Zielen geführt werden, und der Chef wird zum «Enabler», also zu einer Art Bediensteten seines Teams. Gleichzeitig haben die Unternehmen entdeckt, dass sich mit neuen Arbeitsmethoden teure Hierarchiestufen einsparen lassen.

In der Schweiz gibt die Marktführerin UBS den Takt vor: Dort sollen bald 9’000 Angestellte «agil» in Teams arbeiten. Mehrere Fürhungslinien wurden bereits gestrichen, und den hochexklusive Rang des «Group Managing Director» gibt es bei der Grossbank künftig nicht mehr. Mittlerweile sind sogar Managing Director eine vom Aussterben bedrohte Spezies; die Deutsche-Bank-Tochter DWS etwa hat 2021 den begehrten Rang gleich ganz aufgehoben. Finanzkarrieren geht damit ein Fixstern verloren.

5. Ausgewaschen, Teil 2

Der Wechsel vom absoluten Bankkunden-Geheimnis zur Weissgeld-Ära ist für das Swiss Private Banking mit Milliarden-Abflüssen und -Bussen verbunden gewesen. Die zahlreichen Geldwäscherei-Skandale, in die Schweizer Banken im Anschluss verwickelt waren, haben gezeigt, dass auch in Schwellenländern handfeste Reputation-Risiken lauern.

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(Bild: Shutterstock)

Entsprechend sind die hiesigen Institute vorgewarnt, was den nächsten Hoffnungsträger fürs Geschäft betrifft: die Nachhaltige Finanz. Erhebungen zufolge sind 2020 Nachhaltige Anlagen in der Schweiz im Vergleich zum Vorjahr nochmals deutlich um 31 Prozent gewachsen. Das Gesamtvolumen der Investments, die ESG-Faktoren berücksichtigen (Umwelt, Gesellschaft und gute Geschäftsführung) erreichte 1'520 Milliarden Franken.

Gleichzeitig ist aber auch in der Schweiz der Vorwurf des «Greenwashing», des Etikettenschwindel mit Nachhaltigen Anlagen, viel lauter geworden. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hat bereits mit Kontrollen eingegriffen, und die Zeit für eine Selbstregulierung läuft ab. Einmal mehr droht die Branche in einem Boom-Geschäft gemassregelt zu werden.

6. Hypotheken – vom Kerngeschäft zur Commodity

Die Preise am Schweizer Markt für Wohneigentum klettern unentwegt, befeuert vom Run auf Immobilien und von den rekordtiefen Hypothekarzinsen. Doch im Kerngeschäft der hiesigen Retailbanken gibt es auch einen Trend, der nach unten weist: Für immer weniger Hypothekarnehmer ist es in Stein gemeisselt, bei der Suche nach einem Kredit bei der Hausbank anzuklopfen, wie finews.ch jüngst berichtete. Versicherer und Pensionskassen mischen im Neugeschäft kräftig mit und können dank anderen regulatorischen Vorgaben die Banken unterbieten.

Bereits reden Vordenker des Metiers davon, dass es im Hypogeschäft von den Banken bald nur noch die Bilanz benötigen wird. Klar ist hingegen, dass sich die Öffnung des Zinsengeschäfts für Drittanbieter nicht mehr umkehren lässt; entsprechend bieten Banken inzwischen eigene Vermittlungs-Plattformen an: Die UBS etwa mit der Plattform Key4, Postfinance mit Valuu oder Raiffeisen mit Liiva.

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