Im radikal veränderten geopolitischen Umfeld drückt den Schweizer Privatbanken der Schuh gleich an zwei Stellen besonders fest. 

Innert weniger Monate hat sich auch für die Schweizer Privatbanken das Umfeld radikal verändert. Sonnten sie sich bis vor kurzem noch in den rekordhohen Erträgen und Gewinnen von 2021, sind sie nun einer Ungewissheit ausgesetzt, die ihresgleichen sucht. Wie sich am diesjährigen, sechsten Private Banking Day der hiesigen Vermögensverwaltungsbranche am Freitag in Zürich zeigte, sind es nicht mehr die einschlägigen Themen wie Regulierung, Digitalisierung oder das Bankgeheimnis, die den Finanzinstituten am meisten Sorgen bereiten, sondern zwei andere Traktanden.

Erstens: Die Schweizer Bankbranche hat seit Jahren keinen Marktzugang in die EU, sofern sie nicht eigene Niederlassungen in den jeweiligen Ländern hat. Dies widerspricht dem Prinzip der Reziprozität, zumal ausländische Finanzinstitute hierzulande problemlos aktiv werden können. Diese Benachteiligung ist darauf zurückzuführen, dass sich einzelne EU-Staaten auch auf landeseigene Gesetze berufen und wenig Verhandlungsbereitschaft zeigen, daran etwas zu ändern. Letztlich pflegen sie so einen «Heimatschutz» für ihre eigene Finanzbranche.

Kleine Banken massiv benachteiligt

Besonders stossend ist diese Situation im Geschäft mit Italien, wo Schweizer Finanzinstitute ohne dortige Niederlassung keinerlei Zugang haben, wie finews.ch schon verschiedentlich berichtet hat. Kleinere Banken würden dadurch massiv benachteiligt, betonte der Genfer Banker und Teilhaber von Pictet, Bertrand Demole, in einer Panel-Diskussion am Freitag.

Grundsätzlich würde es an der Politik liegen, hier eine Lösung zu finden. Allerdings haben sich die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU im vergangenen Jahr nach den abgebrochenen Verhandlungen über ein Rahmenabkommen merklich abgekühlt, so dass auch die Chancen für eine entsprechende Neuregelung auf null sanken.

«Wir müssen lauter werden»

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass nun aufgrund des Kriegs in der Ukraine sich eine neue Dynamik in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU ergeben hat – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Schweiz die weitreichenden EU-Sanktionen gegen Russland mehr oder weniger integral übernommen hat. Unter diesen Prämissen plädierte Philipp Rickenbacher, CEO von Julius Bär und Präsident der Vereinigung Schweizerische Assetmanagement- und Vermögensverwaltungsbanken (VAV), am Freitag dafür, den Bankensektor in ein neues Verhandlungspaket mit der EU zu nehmen – genauso wie die Strom- und Medtech-Branche sowie die Forschung.

Dieser Forderung pflichtete EFG-International-CEO Giorgio Pradelli bei. Er erklärte, die Schweiz sei in der Vergangenheit allzu naiv gewesen und habe zu wenig für die Reziprozität in dieser Angelegenheit gekämpft. «Wir müssen lauter werden», sagte Pradelli und verwies dabei auch auf den jüngsten Bericht des globalen Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG). Darin wird prognostiziert, dass asiatische Finanzplätze wie Hongkong und Singapur der Schweiz als Offshore-Finanzplatz bis 2026 den Rang ablaufen werden, wie auch finews.ch diese Woche berichtete.

Sorgenvolle Sanktionen

Die zweite grosse Sorge sind die von der Schweiz gegen Russland verhängten Sanktionen. Deren Umsetzung sei sehr komplex, betonte Marc Bürki, Mitgründer und CEO der Online-Bank Swissquote. Und Pictet-Teilhaber Demole unterstrich, dass die Schweiz schon früher Sanktionen gegen einzelne Länder verhängt habe, doch diesmal das Ausmass der Sanktionen gegen Behörden, Institutionen und Personen beispiellos sei.

Die Bankiers waren sich auch bewusst, dass aufgrund der verhängten Sanktionen sehr viele Vermögen in Dubai landeten, was ebenfalls die Bedeutung des hiesigen Finanzplatzes unterminiere. Bezüglich der Neutralität der Schweiz hielt VAV-Präsident Rickenbacher fest, dass diese in einer Welt konfligierender Blöcke immer mehr zu einer Gratwanderung werde. Dennoch sei es wichtig, dass die Schweiz weiterhin eine eigenständige Sanktionspolitik verfolge, die rechtsstaatliche Prinzipien respektiere.

«Kooperative Neutralität»

Neutralität dürfe nicht mit Indifferenz oder Gleichgültigkeit gleichgesetzt werden, betonte Bundesrat Ignazio Cassis in einer Videoansprache. An der Neutralität sei auch künftig festzuhalten. Dabei müsse sich die Neutralitätspolitik der Schweiz  den Realitäten anpassen und weiterentwickelt werden, – im Sinne einer «kooperativen Neutralität» – zumal unser Land in Europa eingebunden sei.

Einig waren sich indessen die Bankiers, dass der entsprechende Erklärungsbedarf gegenüber der Klientel nunmehr massiv gestiegen sei. Die überraschend rasche und umfassende Übernahme der EU-Sanktionen durch die Schweiz sei von vielen Kundinnen und Kunden auf anderen Kontinenten nicht übersehen worden, sagte der Genfer Privatbankier Grégoire Bordier, Teilnehmer des gleichnamigen Finanzinstituts und Präsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken (VSPB).

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