Schweizer Banker müssen in den nächsten Monaten wohl vom hohen Ross des Vorjahrs 2021 heruntersteigen. Die Situation bei wichtigen Treibern der Branche hat sich mit Blick auf das zweite Halbjahr 2022 deutlich eingetrübt, wie finews.ch analysiert. Doch es gibt Lichtblicke.

1. Vermögensverwaltung: Kunden an der Seitenlinie

Zahlen zum zweiten Quartal 2022 sind in der Königsdisziplin des Swiss Banking noch keine erhältlich. Doch fragt man Private Banker zur Stimmung ihrer reichen Klientel, dann heisst es fast unisono: «Risk off». Während sich die Börsenturbulenzen während der beiden Corona-Jahre 2020 und 2021 als Goldgrube für das Metier erwiesen, ziehen sich die Kunden nun offensichtlich an die Seitenlinie zurück. Auf diese Weise lässt sich deutlich weniger an ihnen verdienen.

Wie sich nun abzeichnet, sind selbst die Grössen des Geschäfts nicht gegen diesen Trend gefeit. So warnte Philipp Rickenbacher, CEO der Privatbank Julius Bär, bereits im Mai vor Mittelabflüssen beim Zürcher Traditionshaus. Und Thomas Gottstein, der Chef der Credit Suisse (CS), sprach am Investorentag einen Monat später von einem insgesamt «schwierigen Marktumfeld» für die Grossbank.

Die nun ganz offiziell als Bärenmarkt taxierte Börsenlage dürfte auch die Verkäufer von Finanzprodukten, also die Asset Manager, getroffen haben. Die Zinswende und die galoppierende Inflation sorgen dafür, dass risikoreiche Anlagen wie Aktien unter Druck geraten, während sich die Märkte für Obligationen noch nicht erholt haben. Auch Spezialitäten wie Private Equity (siehe Punkt 6) und Kreditderivate erscheinen mittelfristig weniger attraktiv – von Krypto-Assets (siehe Punkt 3) ganz zu schweigen.

2. Investmentbanking: Zweite Eiszeit in zwei Jahren

Die Boom- und Bust-Zyklen werden im Investmentbanking immer kürzer. Froren im Zuge der Corona-Pandemie im ersten Halbjahr 2020 die Märkte insbesondere für Fusionen und Übernahmen (M&A) sowie für Börsengänge praktisch zu, entlud sich das aufgestaute Volumen in den folgenden Monaten. 2021 wurde mit einem M&A-Volumen von rund 6’000 Milliarden Dollar zum besten Jahr für die Dealmaker seit Jahrzehnten.

Mit der Zinswende und dem Ukrainekrieg zieht nun die nächste Eiszeit herauf. Nach Deals im Gegenwert von über 1’000 Milliarden Dollar in der ersten Jahreshälfte stellen sich nun die führenden Wall-Street-Häuser auf deutlich schlechtere Zahlen ein; die Citigroup etwa erwartet, dass sich die Erträge im zweiten Quartal halbiert haben.

Im internationalen Investmentbanking sind auch die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse exponiert. Letzteres Institut dürfte stärker leiden, fährt es doch nach den Debakeln des Jahres 2021 nach Verordnung des Regulators mit angezogener Handbremse in dem Geschäft. Zudem ist es im Bereich des derzeit wohl lukrativen Handels mit Zinspapieren keine Grösse.

3. Im Krypto-Winter frieren so einige

Die führende Digitalwährung Bitcoin hat die schlechteste erste Jahreshälfte in ihrer Geschichte erlebt und ist im ersten Semester 2022 um mehr als 60 Prozent gefallen. Andere Krypto-Währungen erlitten gar noch grössere Kurseinbrüche. Da die Notenbanken weltweit die Zinsen schneller anhoben als erwartet, meiden Anleger nach wie vor riskante Anlagen wie Krypto-Währungen. Das spiegelt sich in einer geringeren Transaktionsaktivität.

Die Preise von digitalen Vermögenswerten und das Volumen der auf Plattformen getätigten Transaktionen haben wiederum einen erheblichen Einfluss auf die Gesamteinnahmen entsprechender Krypto-Institute. Wenn also die Preise für Krypto-Währungen und das Handelsvolumen tief bleiben oder gar weiter fallen, werden diese Institute Umsatzeinbussen hinnehmen müssen. Im Fokus sind dabei nicht nur Fintech-Unternehmen wie Bitcoin Suisse, Sygnum oder Seba, sondern auch angestammte Bankengruppen wie Swissquote und Vontobel, die mit Krypto-Angeboten gutes Geld verdient haben.

4. Retailbanking – die Schweiz ist keine Insel

Die Schweizer Retailbanken sind traditionell stark im Zinsdifferenz-Geschäft. Insofern ist eine straffere Geldpolitik mit einem höheren Zinsniveau für Retailbanken mittelfristig positiv, da sich mehr Spielraum für eine höhere Zinsmarge eröffnet. Gleichzeitig steigt mit der Zinswende jedoch das Risiko von Kreditausfällen. Die höheren Zinsen können private Haushalte und Unternehmen über Gebühr belasten, wenn sie hochverschuldet sind und ihnen ein Finanzpolster fehlt.

Die Schweizer Konjunktur dürfte in den nächsten Monaten unter Druck geraten, und das zu einem Zeitpunkt, da die Weltwirtschaft an der Schwelle zu einer Rezession steht. Vor diesem Hintergrund wird das Kommissions- und Anlagegeschäft für die Retailbanken schwieriger. Auch das Hypothekar-Geschäft, obwohl grösstenteils stabil, droht etwas an Schwung zu verlieren. Gemäss Marktbeobachtern überwiegen für Retailbanken im gegenwärtigen Umfeld insgesamt die Herausforderungen gegenüber den Chancen. Manche Banken könnten die Dimensionen der Probleme unterschätzen, die auf sie zurollen.

5. Firmenkundengeschäft: Gleich zwei nachteilige Trends

Noch stärker an der Konjunktur hängt das Firmenkundengeschäft – und für die Banken ist hier die steigende Zahl von Insolvenzen kein gutes Omen. Einerseits scheint sich die Annahme zu bestätigen, dass die Corona-Hilfen und -Kredite eine Reihe von Firmen künstlich am Leben gehalten haben, die zu «normalen Zeiten» gar nicht mehr überlebensfähig gewesen wären. Nun zeigt sich, wer nach Ende der Stützungsmassnamen weitermachen kann und wer nicht.

Ausserdem befindet sie die Wirtschaft mit Inflation, hohen Energie- und Rohstoffpreisen sowie den Lieferketten-Problemen in einer alles andere als normalen Situation. Bei vielen Firmen dürften die Verwerfungen die Margen stark belasten und sie in Bedrängnis bringen.

Zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 hatten die Banken vorsorglich hohe Rückstellungen auf Kreditausfälle gebildet. 2021 konnten diese zu grossen Teilen wieder zurückgefahren werden, was für grosse Bewertungsgewinne in den Bilanzen sorgte. Nun könnte das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlagen.

Es gibt noch einen weiteren nachteiligen Trend für die Geldhäuser: Auch die Unternehmen sehen, dass die Zinsen steigen und die Finanzierungskosten in den kommenden Monaten und Jahren höher sein werden. Wer jetzt noch Kapital auf der hohen Kante hat, setzt es dafür ein, die Verschuldung zu senken. Das dürfte in Zukunft auch das Geschäft mit der Firmenfinanzierung belasten.

6. Private Equity: Abschied von der Goldgrube

In den vergangenen Jahren erwies sich das Geschäft mit Private Equity und Wagniskapital als wahre Goldgrube für die Finanzbranche. Angesichts der tiefen Zinsen und der florierenden Börsen wollte kaum ein Investor bei vielversprechenden Jungunternehmen abseitsstehen. Damit die Banken dieser Kundennachfrage gerecht werden konnten, richteten sie zum Teil spezialisierte Investment-Abteilungen dafür ein. Das spülte ihnen enorme Erträge in die Kasse.

Seit die Finanzmärkte jedoch schwächeln und parallel dazu die Zinsen steigen, hat sich die Mehrheit der Anlegerinnen und Anleger aus dieser Domäne verabschiedet. Dadurch werden im zweiten Halbjahr 2022 nicht nur die Kommissionserträge der Banken sinken; sondern viele Startups und Wachstumsfirmen dürften auch in finanzielle Nöte geraten, was das Firmenkundengeschäft belasten wird (siehe Punkt 5).

7. Neobanken sind (vorerst) keine Gefahr mehr

Zugegeben, auch das Karten- und Anlagegeschäft von etablierten Banken dürfte leiden, wenn die westlichen Industriestaaten wie befürchtet in eine Rezession rutschen. Doch Geldhäuser verfügen noch über diverse andere Ertragsquellen, während Neobanking-Apps vom Schlag Revolut, N26 oder Neon in der Schweiz vor allem das Payment-Geschäft betreiben und das Wachstum über den Gewinn stellen.

Nun, da auch das Kapital von Investoren nicht mehr so üppig zu fliessen droht, stehen die Disruptoren des Banking plötzlich im Gegenwind. Kommt hinzu, dass auch die Regulatoren die stark gewachsenen Anbieter genauer unter die Lupe nehmen, wie das Beispiel der deutschen Neobank N26 zeigt. Die digitalen Herausforderer, urteilte finews.ch kürzlich, machen zurzeit niemandem mehr Angst.

Schweizer Digitalbanken wie Radicant und Alpian, die dieses Jahr erst gestartet sind, haben demnach den perfekten Einstiegspunkt wohl verpasst. Sie verfügen aber über einen grossen Vorteil: Hinter ihnen stehen mit der Basellandschaftlichen Kantonalbank (Radicant) und Reyl Intesa Sanpaolo (Alpian) zwei traditionelle Bankhäuser.

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