Auch wenn alles nach dem Plan von CEO Ulrich Körner laufen sollte: Der Credit Suisse stehen im Jahr 2023 schicksalshafte Momente bevor. finews.ch zeigt den Weg der Grossbank durch herausfordernde Monate.

1. High Noon am 9. Februar 2023

Anfang Februar präsentiert die Credit Suisse (CS) die Jahresergebnis für 2022. Bezüglich dem vierten Quartal hat die Grossbank bereits vor Verlusten bis zu 1,5 Milliarden Franken gewarnt.

Das Bilanzjahr endet für die Nummer zwei des Swiss Banking also in Schrecken. Für die Aktionäre stellt sich jedoch die Frage, ob es Schrecken ohne Ende sind. Insbesondere wird sie interessieren, ob die CS den Abfluss von Kundengeldern im Kerngeschäft mit der Vermögensverwaltung stoppen konnte. Analysten schätzen die Abflüsse im vierten Quartal auf 100 Milliarden Franken.

Das ist eine Marke, welche keinesfalls überschritten werden darf. Ansonsten stellt sich die Frage, ob die neue Strategie von CEO Ulrich Körner nach vier Monaten nicht schon Makulatur ist.

2. Heulen und Wehklagen um den Bonus

Im Jahr 2022 hat die CS jedes Quartal Verluste geschrieben; das muss sich entsprechend auf den Leistungslohn auswirken. Von amerikanischen Investmentbanken ist bekannt, dass sie die Boni für 2022 halbieren. Die arg gebeutelte CS, die über die nächsten drei Jahre restrukturiert wird, kann sich hohe Vergütungen noch weniger leisten.

«Wir müssen ehrlich sein», sagte CS-Schweiz-Chef André Helfenstein jüngst zur «NZZ» (Artikel bezahlpflichtig). «Wir haben als Gruppe ein schlechtes Jahr… dann wird weniger gezahlt, und das ist okay».

Ob das seine Belegschaft auch okay findet, wird sich mit Beginn der Bonus-Saison nach Präsentation des Jahresresultats zeigen. Vergangenen Februar lancierte das Institut ein Bonus-Programm, das einem eigentlichen Knebel für das Kader gleichkam. Nun darf man gespannt sein, was die Führung diesmal aus dem Hut zieht, um eine Absetzbewegung zu verhindern.

Ivanishvili 500
(Bild: PD)

3. Die Rache der Lescaudron-Opfer – kalt serviert im Winter

Seit 2015 prozessieren die Opfer des einstigen CS-Private-Bankers Patrice Lescaudron. In den kommenden Monaten dürfte ihr weltweiter Würgegriff um die Grossbank noch enger werden. So ist zu erwarten, dass noch im ersten Quartal ein Urteil in Singapur gefällt wird.

Eine vom georgischen Milliardär Bidzina Iwanishvili (Bild oben) beklagte Treuhandgesellschaft der Grossbank hatte dort vor dem Handelsgericht zugegeben, den schwerreichen Kunden nicht über unautorisierte Überweisungen informiert zu haben. Die CS-Tochter wollte dies allerdings nicht als Schuldeingeständnis verstanden wissen. Der von Iwanishvili in Singapur eingeklagte Schaden beträgt horrende 1,27 Milliarden Dollar.

In der ersten Jahreshälfte, so heisst es, wird zudem das schriftliche Urteil des Berufungsgerichts auf den Bermuda-Inseln ergehen. Dieses entscheidet, ob eine Tochterfirma der Bank die 600 Millionen Dollar Schadenersatz zahlen muss. Zu dieser Summe war die CS-Tochter im März 2022 in erster Instanz verdonnert worden.

Auch in der Schweiz ist eine Strafanzeige gegen die CS gängig, die bereits Ende 2021 eingereicht worden ist. Seither wurden diverse CS-Banker in von der Genfer Staatsanwaltschaft einvernommen; danach blieb es ruhig. Doch das kann sich 2023 ändern.

4. Ab 4. April haben die Wüstensöhne das Wort

An diesem Datum ist die ordentliche Generalversammlung der CS anberaumt. Gemessen an vergangenen ordentlichen und ausserordentlichen Aktionärstreffen dürfte es dannzumal erneut tumultuös zugehen. Interessant dürften die Nebengeräusche sein. Werden sich die neuen Grossaktionäre aus Saudiarabien – neben der Saudi National Bank ist dies offenbar auch der umstrittene Kronprinz von Saudi-Arabien Mohammed bin Salman (Bild unten) – erste Forderungen an die Führung stellen? Oder werden sie sich wie zuvor die Katari mit der Zuschauerrolle begnügen?

Zudem: angesichts der operativen Misere müssten zudem die Managerlöhne bei der Bank eigentlich ein neues Tief erreichen. Man wird sehen.

MBS 500
(Bild: Keystone)

5. Das war noch was: Archegos und Greensill

Die forcierte Schliessung der CS-Greensill-Fonds und der Milliardenverlust wegen der New Yorker Finanzfirma Archegos ereigneten sich im Frühling 2021. Aber das Doppel-Debakel wird für die Grossbank auch im Frühling 2023 und darüber hinaus nachwirken. So hat die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) zu beiden Komplexen Enforcement-Verfahren eröffnet.

Dieses sind nach all der Zeit immer noch hängig. Bis Ende vergangenen November konnte das Geldhaus 6,78 Milliarden von insgesamt gut 10 Milliarden Dollar an gesperrten Vermögen an die Greensill-Fondsanleger zurückführen; die Fortschritte waren vergangenen Monaten aber nur noch marginal. Die Bank versucht nun, auch auf dem Rechtsweg mehr Mittel bei Schuldnern und Drittparteien einzutreiben.

Doch Fondskunden, welche die Geduld bereits verloren haben, drohen mit dem Gang vors Gericht. Und im Zusammenhang mit Archegos und Greensill haben Investoren in den USA eine Reihe von Sammelklagen gegen die CS eingereicht. Diese dürften in den nächsten Monaten in die heisse Phase gehen. Ein erste solche Klage hat die Bank bereits vergangenen September beigelegt. Gratis war dies allerdings nicht zu haben.

6. Und ewig droht das DOJ

Schon im Januar 2022 hatte finews.ch auf das Gefahrenpotenzial des Komplexes hingewiesen. Whistleblower, die früher bei der Bank angestellt waren, haben die amerikanischen Behörden mit Informationen über mutmassliche Steuerbetrugs-Praktiken bei der CS versorgt. Medienberichten zufolge untersucht nun das gefürchtete US-Justizdepartement (Department of Justice, DOJ), ob die Bank US-Kontoinhabern geholfen hat, Hunderte von Millionen von Dollar der amerikanischen Steuerbehörde zu verschweigen.

Das ist in höchstem Masse heikel für das Schweizer Haus, hat es doch im Jahr 2014 gegen eine Vergleichszahlung von rekordhohen 2,6 Milliarden eine Strafanzeige des DOJ wegen Steuerbetrugs beilegen können. Wenn nun herauskäme, dass das Institut auch nach der Einigung US-Kunden geholfen hat, Vermögenswerte vor dem Fiskus zu verstecken, droht der CS die Einstufung als Wiederholungstäterin.

Und mit solchen macht die amerikanischen Justiz bekanntlich nicht viel Federlesens. Die CS selber bestreitet ein unangemessenes Verhalten und kooperiert nach eigenen Angaben mit den Behörden.

7. Monatsmenu im September: Thunfisch-Bonds

Wegen des Skandals um geplatzten Anleihen für das bitterarme afrikanische Land Mosambik musste die CS im Herbst 2021 schon 475 Millionen Dollar an diverse Behörden zahlen. Vergangenen Juli überweis die Schweizer Bank dann 22,6 Millionen Dollar an Profianleger, die mit den so genannten Thunfisch-Bonds (Bild unten) der CS Geld verloren hatten.

Damit war für die Bank allerdings kein Strich unter die Affäre gezogen. Auf den September 2023 ist eine weitere Ziviklage angesetzt. Investoren, die für über 600 Millionen Dollar von den Obligationen gekauft hatten, reichten diese Ende 2020 in London ein. Im selben Jahr hatte auch die Bundesanwaltschaft in Bern ein Strafverfahren wegen Verdachts auf Geldwäscherei eröffnet, um mehr Licht in Mosambik-Skandal zu bringen. Die Anzeige wird offenbar gegen Unbekannt geführt.

Tuna 500
(Bild: Shutterstock)

8. Auch die eigenen Bonds bereiten Kopfzerbrechen

Nach eigenen Projektionen muss die CS im Jahr 2023 ein so hohes Volumen an ausstehenden Anleihen zurückbezahlen oder rollen wie in fünf Jahren nicht mehr: Die Summe steigt gegenüber den geschätzten 17 Milliarden im Jahr 2022 auf erwartete 22 Milliarden Dollar an, wie die Bank einer Präsentation vom Dezember ausführte.

Wie sich bereits in den vergangenen Monaten zeigte, muss die Bank nun aber horrende Coupons zahlen, um noch Gläubiger für ihre Anleihen zu finden. Diese Zusatzausgaben summieren sich mit den milliardenschweren Kosten für den Umbau der Bank. Ertragsausfälle im operativen Geschäft wiegen deshalb doppelt schwer.

9. Wann wird die Wildcard gespielt?

Auch wenn alles nach Plan laufen sollte für CEO Körner und sein Management – der Kurs der CS-Aktie dürfte sich nicht über Nacht erholen. Dies macht die Bank angreifbar gegenüber Raidern und strategischen Investoren.

Derzeit weist das Unternehmen noch eine Marktkapitalisierung von gut 11 Milliarden Franken auf, und das Aktionariat ist zersplittert; für etwas mehr als 1 Milliarden Franken könnte ein Akteur also zum grössten Anteilseigner des Instituts aufsteigen.

Angesichts der Verfassung der Bank hat dies noch niemand getan. Doch mit jedem neuen Tief, dass der Aktienkurs testet, steigen die Chancen, dass jemand diese «Wildcard» spielt.

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