In den vergangenen Monaten haben Finanzdebakel und Rechtsstreitigkeiten der Credit Suisse schwer zugesetzt. Bereits im kommenden Februar muss sich die Grossbank wieder vor Gericht behaupten, wie der Ausblick 2022 von finews.ch zeigt.

Die Grossbank Credit Suisse (CS) arbeitet sich durch eine Reihe von rechtlichen, regulatorischen und strafrechtlichen Problemfeldern – die Anmerkungen zu Rechtsstreitigkeiten haben schon in ihrem vergangenen Jahresbericht beeindruckende zwölf Seiten eingenommen.

In den vergangenen Monaten sind weitere komplexe Fälle hinzugekommen, welche die zweitgrösste Schweizer Bank im Jahr 2022 und wohl darüber hinaus beschäftigen dürften.

Die Rechtsrisiken behindern die Reformbemühungen von António Horta-Osório, der seit acht Monaten als CS-Präsident amtet. Sie stellen auch eine grosse Herausforderung für neue Führungskräfte wie Risikochef David Wildermuth dar, der dabei helfen muss, im Umgang mit Bankrisiken eine ganz neue Kultur beim Institut heranzuziehen. finews.ch zeigt die drängendsten Brennpunkte bei der CS auf:

Bulgarischer Kokain-König

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(Image: Shutterstock)

Gleich im Februar 2022 müssen die Anwälte der Grossbank vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona TI (Bild oben) antraben. Dort muss sich die CS wegen Verwicklungen im Fall des so genannten Kokain-Königs von Bulgarien verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft der Bank selber und einer ehemaligen Führungskraft vor, mehr als 100 Millionen Dollar an mutmasslichen Drogengeldern in Immobilien investiert zu haben. Die CS – von Anfang an erstaunt über die Anklage – wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe.

Wie finews.ch im vergangenen September berichtete, ist der Ausgang des Strafverfahrens auch von grosser Bedeutung für die Art und Weise, wie die Schweiz mögliches Fehlverhalten von Unternehmen ahndet. Die Zürcher Falcon Private Bank wurde Anfang dieses Monats zu einer Geldstrafe von 10,7 Millionen Schweizer Franken verurteilt und damit zu einem Präzedenzfall für die Urteilsfindung. Finanziell könnte die CS eine ähnliche Strafe könnte aus der Portokasse bezahlen; auf eine aufsehenerregende Verurteilung in einem Geldwäscherei-Verfahren würde das Geldhaus aber wohl noch so gerne verzichten.

Oligarchen lassen nicht locker

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In der Betrugs-Affäre um den wohlhabenden ehemaligen georgischen Staatschef Bidzina Ivanishvili (Bild oben), der zusammen mit anderen Ex-Kunden der CS bis zu 1 Milliarde Dollar an Schaden geltend macht, gibt es keine Gewinner. Ab 2011 hatte der einstige CS-Banker Patrice Lescaudron in Genf dreistellige Millionenbeträge aus von ihm betreuten Vermögen abgezweigt. 2015 war er von der CS fristlos entlassen und 2018 in Genf zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. 2020 hatte er sich das Leben genommen.

Eine von Ivanishwili unterstützte, schlagkräftige juristische Truppe geht nun weltweit gegen die Grossbank vor und hat auch in Genf eine ältere Strafanzeige wiederbelebt. Die Staatsanwaltschaft hat nun mehrere CS-Mitarbeitenden einvernommen. Derweil wird im ersten Quartal 2022 ein Urteil auf den Bermudas erwartet, wo eben ein Prozess der Lescaudron-Opfer gegen eine CS-Tochterfirma zu Ende gegangen ist. Der Richterspruch wäre dann wegweisend, wenn die dortige CS-Tochter mit verantwortlich für den Schaden gemacht würde, den die Oligarchen erlitten haben. Die Bank setzt sich derweil auf den Standpunkt, ebenfalls von Lescaudron getäuscht worden zu sein.

Bankenverfolgung 2.0 in den USA?

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Die amerikanische Justiz ist neuerdings wieder daran interessiert, Unternehmen mit US-Geschäft zu verfolgen, die gegen Strafaufschub-Abkommen (DPA) verstossen haben. Solche Abkommen haben auch Schweizer Banken im Steuerstreit zu Dutzendenden unterschrieben. Unlängst teilten die amerikanischen Behörden nun der Deutschen Bank mit, dass ihr Umgang mit der internen Whistleblowerin Desiree Fixler möglicherweise einen Verstoss gegen ein bestehendes DPA darstellt.

Die Konkurrentin im Nachbarland könnte ein Warnsignal für die CS sein – die US-Justiz schaut sich dort ein sieben Jahre altes Steuerabkommen in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar nochmals an. Die gute Nachricht ist, dass ein US-Richter kürzlich eine Klage von Whistleblowern aus der CS abgewiesen hat. Diese beschuldigten die Bank, ein 200-Millionen-Dollar-schweres Konto mit unversteuerten Vermögen des reichen israelisch-amerikanischen Professors Dan Horsky nicht gemeldet zu haben. Dies, obwohl die Bank 2014 einen Vergleich wegen Offshore-Steuervergehen geschlossen hatte.

Die schlechte Nachricht lautet hingegen, dass US-Justizbeamte, die es ablehnten, sich der Klage anzuschliessen, die Vereinbarung als «lebendes Dokument» bezeichneten. Das bedeutet, dass sich die Schweizer Bank weiterhin an die Auflagen des Abkommens halten müsste.

Schlafender Steuerstreit in Europa

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Notre-Dame de Paris (Image: Pedro Lastra / Unsplash)

Die CS und ihre Kunden befinden sich wegen des Steuerstreits nach wie vor im Fadenkreuz von europäischen Nachbarländern wie Belgien, Frankreich und Italien. Um die Untersuchungen ist es stiller geworden – was nicht heisst, dass sie ganz vom Tisch sind.

Als Weckruf dient hier das Beispiel der Lokalrivalin UBS. Diese wurde im Dezember erneut wegen Steuervergehen und Geldwäsche verurteilt – und ging wiederum in Berufung. Es ist nicht klar, wie energisch andere europäische Länder gegen Schweizer Banken vorgehen werden. Eine britische Untersuchung gegen die CS etwa wurde eingestellt, wie die Bank in ihrem Jahresbericht mitteilte.

Auf Konfrontationskurs im Greensill-Debakel

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(Image: Keystone)

Das Debakel um die vergangen März geschlossenen CS-Greensill-Fonds ist derzeit die grösste Problemzone für die Bankführung. Eine interne Untersuchung ist seit kurzem abgeschlossen, und es ist zu hochrangigen Entlassungen beim Institut gekommen. Ebenfalls geht die CS nun gegen Softbank vor, einen japanischen Technologie-Riesen, der mehrfach in die Greensill-Affäre verwickelt ist. Aus operativer Sicht ist für die Grossbank die Rückzahlung der Fondsvermögen am dringendsten; rund 2,6 Milliarden Dollar sind bei hartnäckigen Schuldnern der Fonds noch ausstehend.

Der neue Leiter der Vermögensverwaltungs-Sparte, Francesco De Ferrari, und sein Verbündeter Philipp Wehle müssen entscheiden, wie sie Wiedergutmachung bei den Private-Banking-Kunden leisten können, welche die Fonds gekauft haben. Abgesehen von den politischen, aufsichtsrechtlichen, geschäftlichen und finanziellen Aspekten des Skandals zeigt Greensill die Schwächen des «One Bank»-Modells bei der CS auf. Drei der Hauptakteure des Skandals – Sanjeev Gupta, Lex Greensill und Masayoshi Son – waren Berichten zufolge auch Private-Banking-Kunden der Credit Suisse.

Thunfisch-Bonds gegen noch zu tun

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Mit der Einigung vom vergangenen Oktober sowie einer Strafzahlung von 475 Millionen Dollar an diverse Behörden ist der Finanzskandal um das bitterarme ostafrikanischen Land Mosambik für das Schweizer Institut noch nicht ausgestanden. Ein Schuldeingeständnis wegen Betrugs in den USA könnte unberechenbare Folgen für das dortige Geschäft zeitigen. Ebenfalls ermittelt in den Staaten weiterhin die Bundespolizei FBI im Komplex.

Bereits 2019 hatte zudem der mosambikanische Generalstaatsanwalt am Commercial Court in London eine Klage eingereicht, in der neben einem Kriegsschiff-Hersteller aus Abu Dhabi und einer mit diesem verbundenen Kontaktfirma die CS sowie drei ehemalige CS-Banker genannt wurden. Die CS sah sich von ihren Ex-Angestellten hinters Licht geführt und machte in einer Anfang 2020 am High Court in London eingereichten Gegenklage gegen Mosambik auch Schadenersatz wegen vom Land verletzten Garantien geltend.

Schon terminlich festgelegt ist eine weitere Zivilklage in London. Sie stammt von Investoren, welche die «Thunfisch-Bonds» von Mosambik gekauft hatten. Im Prozess, der im September 2023 angesetzt ist und der 13 Wochen dauern soll, ist neben der CS auch Mosambik angeklagt.

Fauxpas mit Folgen?

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Dem Bankpräsidenten Horta-Osório (Bild oben) ist es wesentlich zu verdanken, dass die CS ihre Führungsriege mit hochkarätigen Neueinstellungen zu stabilisieren vermochte. Horta-Osório und CEO Thomas Gottstein haben allerdings wegen eines angeblichen Machtkampfes für fast ebenso viele Schlagzeilen gesorgt wie mit der Bewältigung der zahlreichen Probleme der Schweizer Bank. Der Pressesturm, der nach dem Corona-Quarantäne-Verstoss und der Selbstanzeige des CS-Präsidenten losbrach, verdeutlicht den kulturellen Drahtseilakt, den der gebürtige Portugiese beim Geldinstitut unternimmt – und die mutmassliche Fallhöhe des Top-Postens.

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