Der Anschein eines harmonischen Abgangs des langjährigen CEOs der Schweizerischen Bankiervereinigung trügt. Hinter den Kulissen ist die Verstimmung gross, wie finews.ch recherchiert hat.

Die Ankündigung des Rücktritts von Jörg Gasser (Bild unten) Ende Januar 2023 blieb bisher bemerkenswert geräuschlos. Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) schickte damals ein in diesen Fällen typisches Communiqué, worin sie den Abgang des CEOs durch ihren Präsidenten Marcel Rohner bedauerte und zugleich seine Arbeit lobte.

Einige Misstöne

Wie Recherchen von finews.ch zeigen, gab es trotz gegenteiliger Beteuerungen doch einige Misstöne. Gegen einen geordneten Abgang spricht etwa, dass einige Geschäftsleitungsmitglieder des Verbands erst unmittelbar vor der offiziellen Bekanntgabe über den Abgang ihres CEO informiert worden seien.

Grösseres Stirnrunzeln löste intern aus, dass Gasser unmittelbar nach der Ankündigung des Weggangs seine Aufgaben an seinen Stellvertreter August Benz übergab und danach offenbar nur noch sporadisch im Dachverband der Schweizer Banken gesehen wurde. Die SBVg legte gegenüber finews.ch Wert darauf, dass Gasser eine geordnete Übergabe sicherstellte. Offiziell war Gasser bis zum 1. März 2023 in seinem Amt.

Keine Abschiedsfeier

jorg gasser

Jörg Gasser (Bild: SBVg)

Zum zwiespältigen Eindruck passt ausserdem, dass die SBVg auf eine Abschiedsfeier für den langjährigen CEO verzichtete. Dies räumt der Dachverband auch ein, führt dies jedoch auf «Terminkollisionen» zurück.

Angestellte in der Standesorganisation beklagten sich hinter vorgehaltener Hand zuweilen über die Führungsweise ihres Chefs, die sie als sehr unstet empfanden, so dass nicht alle Beschäftigten die ihnen gebührende Aufmerksamkeit erhielten.

Defizite als Cheflobbyist?

Neben seinem Führungsstil werden aber auch Gassers Prioritäten kritisch hinterfragt. Wie zu vernehmen ist, kümmerte sich Gasser am liebsten um die Themen «Ausbildung» und «Nachhaltigkeit». Die für einen politischen Branchenverband mindestens so wichtige politische Verbandsarbeit, bei der man sich mit hartnäckiger Überzeugungsarbeit und dem Schmieden von tragfähigen Kompromissen auszeichnen kann, schienen ihn nicht sonderlich umzutreiben.

Laut SBVg war Gasser jederzeit voll engagiert und leistete intern und extern «einen grossen Einsatz» für den Verband. Ein Sprecher betonte zudem: «Jörg Gasser engagierte sich bei allen relevanten Themen des Verbandes gleichermassen.»

Verlust an politischem Gewicht

Ein Indiz für Gassers schwierige Amtszeit lässt sich am Austritt der Raiffeisen-Bankengruppe möglicherweise festmachen. Es ist in der Branche ein offenes Geheimnis, dass sich die inlandorientierte Vereinigung gegenüber den Gross- und Privatbanken, die im Ausland engagiert sind, in der SBVg immer weniger vertreten fühlte.

Mit der Abspaltung büsste die SBVg an politischem Gewicht ein, ebenfalls machten sich damals die fehlenden Mitgliederbeiträge in der Verbandskasse bemerkbar.

Fehlende Orientierung

All diese Hinweise fügen sich zu einem Gesamtbild zusammen, das die SBVg von aussen betrachtet in keinem besonders guten Licht erscheinen lässt. Offenbar hinterlässt die Ära Gasser einen Branchenverband, der nicht schlagkräftig agiert und intern verunsichert ist. Die SBVg kann dieser Analyse indessen nichts abgewinnen, wie sie gegenüber finews.ch feststellte.  

Tatsache ist: Es wird eine der zentralen Aufgaben des neuen operativen Chefs der SBVg sein, eine effektive oder auch nur wahrgenommene Orientierungslosigkeit zu beseitigen. Dem Interims-CEO Benz dürfte dabei eher eine Statthalter-Funktion zukommen. 

Geforderter Präsident

Für die nächsten Monate rückt damit SBVg-Präsident Rohner ins Zentrum des Geschehens. Der frühere UBS-CEO, der seit Herbst 2021 im Amt ist und die Findungskommission leitet, die mit der Suche einer Nachfolge betraut ist, wird dabei auf die Probe gestellt.

Nach den Erfahrungen mit Gasser ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Gremium eine Figur suchen muss, die sowohl integrierend wirken kann als auch die Ärmel hochkrempelt, um die dicken Bretter zu bohren, die in der Politik immer wieder anzutreffen sind.

Zum Zwischenstand der Rekrutierung liess die Vereinigung ausrichten, dass die Suche in vollem Gang sei und die Nachfolge zu gegebener Zeit bekanntgegeben werde.

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