Russland ist für Anleger mit enormen Risiken befrachtet. Doch der Bankensektor zählt zu den Börsenfavoriten im nächsten Jahr zählt. Oleg Biryulyov liefert die Details.

Oleg_1Oleg Biryulyov (Bild) ist Portfoliomanager des JPM Russia Fund

Herr Biryulyov, welche Risiken bergen Investionen in Russland?

Das grösste interne Risiko birgt der Zusammenbruch des Ölpreises. Es müsste allerdings zu einem wahren Kollaps kommen, denn erst ein Einbruch von 30 bis 35 Prozent des aktuellen Preises von 110 Dollar pro Barrel Brent-Rohöl würde der Wirtschaft Russland wirklich schaden. Angesichts der Ölpreis-Volatilität in letzter Zeit halte ich dies jedoch für nicht besonders wahrscheinlich.

Zu den externen Risiken zählen ein weiterer Rückgang der Risikobereitschaft der Anleger, eine deutliche Verlangsamung der Globalisierung und Einschränkungen des globalen Kapitalverkehrs sowie eine anhaltende weltweite Konjunkturschwäche, die zu einem Rückgang der Anlagen und der Nachfrage nach Rohstoffen führen würde.

Welches Fazit ziehen daraus?

All diese Faktoren stehen bereits auf der Tagesordnung der Anleger und dürften daher kaum noch überraschen. Der einzige Faktor, der momentan eventuell nicht eingepreist ist, sind Anzeichen einer zaghaften Konjunkturerholung. Allerdings gehört das Beta des russischen Aktienmarktes zu den höchsten der Welt, so dass jede globale Verkaufswelle eine drastische Korrektur der russischen Aktien auslösen würde.


«Das politische Risiko ist nicht eingepreist»


Zu betonen ist, dass in Russland kaum eine lokale Basis an institutionellen Anlegern existiert. Somit ist es zuletzt stets der Staat, der als Anleger agiert.

Welchen Einfluss hat die Politik?

Von einem kompletten Zerfall des Landes zu sprechen, halte ich für übertrieben, doch das politische Risiko dürfte das einzige sein, das gegenwärtig nicht eingepreist ist. Neben politischen und wirtschaftlichen Reformen benötigt Russland erhebliche Infrastrukturinvestitionen. In diesem Bereich muss der Staat als Hauptakteur hervortreten. Ein Mangel an Investitionen verringert und verzögert potenzielles Wirtschaftswachstum.

Bereitet Ihnen die politische Lage in Russland Sorgen?

Wladimir Putin steht im Zentrum der Macht, darum herum sieht es recht leer aus. Es gibt kaum offene Debatten über die Gestaltung der Politik oder über die Richtung, welche das Land einschlagen sollte, oder über die Entwicklung der Gesellschaft.


«Russland ist tatsächlich sehr wenig liberal»


Dieser Mangel an Alternativen frustriert die viele Menschen – vor allem auch die Vertreter der liberalen Partei, die rasche und umfangreiche Änderungen der staatlichen Leistungen fordern.

Das sind wenig ermutigende Aussichten.

Russland ist tatsächlich einer der am wenigsten liberalen Staaten im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) pro Kopf. Daher dürfte es in Zukunft eher demokratischer als weniger demokratisch werden. Durch die Proteste im Dezember 2011 und im Frühjahr 2012 entstand eine alternative politische Oppositionsbewegung.


«Rasche Verbesserungen sind nicht zu erwarten»


Sie befindet sich noch in ihrer Anfangsphase, und es wird noch eine Weile dauern, bis sie sich zu einer Macht entwickelt, die Einfluss in die Legislativ- oder Exekutivorgane nehmen kann. Ihre Impulse auf die Regierungspolitik sind aber bereits jetzt auszumachen.

Wie geht es weiter?

Ich rechne nicht mit einer erheblichen politischen Destabilisierung. Genauso wenig sind rasche Verbesserungen zu erwarten. Wahrscheinlicher ist hingegen ein langsamer Anpassungsprozess mit vielen Rück- und Seitwärtsschritten.


«Die Elite muss die Eigentumsrechte besser schützen»


Besonders ermutigend ist, dass wir uns einem Zeitpunkt nähern, an dem das Vermögen und die Macht, die Putin und andere Bürokraten auf sich vereint haben, an die nachfolgende Generation weitergegeben werden müssen. Um diesen Prozess zu ermöglichen, muss die administrative Elite die Eigentumsrechte besser schützen und Reformen vorantreiben.

Wo steht der Bankensektor?

Der Bankensektor in Russland wächst schneller als in Europa, im Nahen Osten und in Afrika (EMEA). Für 2012 erwarten wir ein Kreditwachstum von mehr als 20 Prozent, das zu beinahe gleichen Teilen auf Privathaushalte und Unternehmen entfällt.


«Die notleidenden Kredite werden 2013 zurückgehen»


Die russische Zentralbank wird höhere Mindestreserveanforderungen einführen, um die Ausweitung des Fremdkapitaleinsatzes bei Privatkrediten einzugrenzen. Hauptgründe für die Ausweitung bei Privatkrediten sind die Verlangsamung des Lohnwachstums und eine Senkung der Zinssätze.

Wie sieht es mit Blick ins nächste Jahr aus?

Auf Grund der Ausweitung des Kreditportfolios und des stabilen Wirtschaftsumfeldes dürfte die Zahl der notleidenden Kredite 2013 im Allgemeinen weiter zurückgehen. Die Nettozinsmargen werden voraussichtlich stabil bleiben.


«Konsumgüter und Banken sind unsere Favoriten»


Die Banken werden das Kreditgeschäft mit Privathaushalten sowie kleinen und mittleren Unternehmen weiter ausweiten, so dass ihre Margen steigen werden. Dadurch gleicht sich der Rückgang der Margen von Blue-Chip-Unternehmen und des Staates aus.

Welche Sektoren gehören 2013 zu Ihren Favoriten, welche mögen Sie am wenigsten?

Unsere Favoriten sind die Konsumgüter-Branche und die Banken, unbeliebt ist der Versorgersektor (Energie). Das Gefälle des Gewinnwachstums je Aktie zwischen diesen Sektoren ist enorm. Die Konsumentwicklung in Russland profitiert noch immer stark vom BIP-Wachstum, einer hohen Marktdurchdringung von Produkten und Dienstleistungen sowie von der Inflation.


«Wir erwarten 2013 ein BIP-Wachstum von 3 Prozent»


Die Kapitalausstattung und der Wettbewerb sind in den Sektoren, die wir bevorzugen, noch immer schwächer. Daher ist die Eigenkapitalrendite höher und nachhaltiger.

Welche Gewinnerwartungen prognostizieren Sie für 2013?

Für 2013 erwarten wir ein Gewinnwachstum je Aktie im Bereich von 10 Prozent, basierend auf einem Bruttoinlandwachstum von 3 Prozent und einer Inflation von 6 Prozent oder mehr. Im Jahr 2013 wird auch das Wachstum im Einzelhandel und im Bankwesen unseres Erachtens stärker ausfallen, während es sich in den Sektoren Rohstoffe und Versorger abschwächen dürfte.


Oleg Biryulyov ist im Range eines Managing Director regionaler Portfoliomanager und Leiter der Emerging-Europe-, Middle-East & Africa-Group von J.P. Morgan Asset Management am Standort Moskau. Er ist seit 1994 für Unternehmen tätig. Zuvor arbeitete er als Portfoliomanager für den Flemings Urals Regional Venture Fund. Biryulyov besitzt einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften der Lomonossow Moscow State University. Zudem hält er einen CFA-Titel.

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