Anleger könnten in ausgewählte Bereiche an der Peripherie Europas wieder einsteigen, findet John Bennett, etwa bei Banken, die auf den Binnenmarkt ausgerichtet sind.

John Bennett ist Leiter des Bereichs Europa-Aktien bei Henderson Global Investors.

Schon die Gründungsmitglieder des Euro zeichneten sich durch erhebliche wirtschaftliche Unterschiede aus. Die stärkeren Länder wie Deutschland, Frankreich und die Niederlande, die man heute gemeinhin zu den Kernländern zählt, waren im Export stark aufgestellt.

Die ärmeren wie Spanien, Portugal, Griechenland und Irland, heute als Peripherieländer bezeichnet, profitierten von der wirtschaftlichen Angleichung, denn mit der Einführung des Euro sanken ihre Finanzierungskosten und wurden die Weichen für einen Konsumboom gestellt.

Symbiotische Beziehung

In den ersten Jahren entwickelte sich unter den Mitgliedern eine starke symbiotische Beziehung, in welcher die Länder an der Peripherie mit geliehenem Geld Waren und Dienstleistungen aus den Kernländern konsumierten und so eine Phase des Wohlstands ermöglichten, in der die zunehmenden strukturellen Ungleichgewichte übertüncht wurden.

Mit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 fand diese Phase jedoch ein jähes Ende. Schliesslich mussten Griechenland, Portugal und Irland vor der Pleite gerettet werden. Plötzlich standen sie nicht nur vor der Aufgabe, ihre Haushalte zu sanieren, sondern auch den hohen Schuldenberg im Privatsektor abzutragen und lange vernachlässigte Strukturreformen unverzüglich in Angriff zu nehmen.

Eine Krise nimmt ihren Lauf

Im 4. Quartal 2012 rutschte die Eurozone immer tiefer in die Rezession, angeführt von Frankreich und Italien. Selbst das wirtschaftlich starke Deutschland geriet ins Schlingern. So schrumpfte die Industrieproduktion in der grössten Volkswirtschaft Europas Ende 2012 so stark wie seit 2009 nicht mehr.

Und Frankreich, das zwar politisch zu den Kernländern gehört, muss inzwischen was seine Wirtschaft anbelangt wohl eher zu den Peripherieländern gerechnet werden. Mittlerweile beläuft sich seine Schuldenquote auf mehr als 90 Prozent, und die Industrie des Landes ist wegen hoher Arbeitskosten im internationalen Wettbewerb stark ins Hintertreffen geraten.

Ein Übriges tut die vom sozialistischen Präsidenten Hollande durchgesetzte Flut an Steuererhöhungen. In Frage steht unterdessen auch, ob Italien noch den Kernländern zugerechnet werden kann. Das Land ist zwar die drittgrösste Volkswirtschaft in der Region. Seine Produktion aber bleibt hinter dem Vorkrisen-Niveau aus dem Jahr 2007 zurück.

Wirtschaftlich und gesellschaftlich tut sich ein tiefer Graben zwischen dem industrialisierten Norden und dem ärmeren Süden auf. Und auch die jüngsten Wahlen bestätigen, dass Italien tief gespalten ist.

Obsolete Unterscheidung?

Aber dennoch gibt es einen ersten Hoffnungsschimmer: Zaghafte Anzeichen sprechen dafür, dass sich die Schere zwischen den Kern- und den Peripherieländern langsam wieder schliesst. Am Rand Europas ist das Leistungsbilanzdefizit von 6,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) im Jahr 2008 auf 1,7 Prozent im Jahr 2012 gefallen, wie dies aus Erhebungen der Europäischen Kommission hervorgeht.

Möglich wurde dies durch wettbewerbsfähigere Preise und durch eine grössere Vielfalt bei den Exporten. Ein Blick auf die Finanzierungskosten der Peripherieländer zeigt, dass die Zinsen zehnjähriger Staatsanleihen deutlich gegenüber den unhaltbar hohen Niveaus vom letzten Jahr gefallen sind. Gleichzeitig sind die Zinsen in Kernländern wie Frankreich und Deutschland gestiegen.

Heisst es bald wieder: Viva Espana?

In ihrer jüngsten Wirtschaftsprognose äussert die Europäische Kommission die Erwartung, dass die Wirtschaft Spaniens gegen Ende des Jahres die Talsohle verlassen wird. Um seine Wirtschaft wieder auf Trab zu bringen, hat Spanien schmerzhafte und umstrittene Einschnitte und Strukturreformen vorgenommen, die nun aber offenbar Früchte tragen.

Spanien weist inzwischen einen Leistungsbilanzüberschuss aus, Tendenz steigend. Und auch bei den Investitionen aus dem Ausland geht es wieder bergauf. Für 2012 hat die Regierung ein Haushaltsdefizit von unter 7,0 Prozent ausgewiesen, ein deutlich besseres Ergebnis als die 9,4 Prozent im Jahr davor.

Einen Anstieg verzeichnen auch die Einlagen von Privat- und Firmenkunden bei spanischen Banken, so dass diese künftig wohl weniger stark auf die Unterstützung der Europäischen Zentralbank (EZB) angewiesen sein dürften.

Im Februar verpflichtete sich überdies die Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy zu einer zweiten Reformrunde, die diesmal neben Mehrwertsteuersenkungen auch Hilfen für Firmenneugründungen und Selbstständige beinhaltet.

Der irische Patient auf dem Weg der Besserung

Aufgehellt hat sich auch der Ausblick für Irland. Dessen Leistungsbilanz weist inzwischen ebenfalls wieder einen Überschuss auf, und Irland kehrt Schritt für Schritt an die Kapitalmärkte zurück. Das dürfte es dem Land ermöglichen, schon bald ohne Finanzhilfen von EU und IWF zurechtzukommen.

Angesichts dieser positiven Entwicklung hat die Research-Abteilung des amerikanischen Finanzkonzerns Citigroup bei ihrer Einschätzung zu Irland eine Kehrtwende vollzogen. Ihre Analysten rechnen nun nicht länger damit, dass Irland weiter hinterherhinkt, denn der Haushalt der grünen Insel gibt Anlass zur Hoffnung.

So konnte für das 2. und 3. Quartal 2012 ein positives BIP-Wachstum vermeldet werden, und Irlands Gläubiger sind offenbar durchaus bereit, über neue Bedingungen zur Rückzahlung seiner Schulden zu verhandeln.

Geduld kann sich auszahlen

Aus meiner Sicht hat die Erholung der Eurozone im letzten Sommer begonnen, als die Einkaufsmanager-Indizes die Talsohle hinter sich und damit erkennen liessen, dass die Abkühlung der Wirtschaft an Fahrt verliert. Bessere Finanzierungsbedingungen und die Massnahmen der EZB haben die Glaubwürdigkeit des Euroraums wiederhergestellt.

Abgesichert durch die verschiedenen Schutzschilder wie EFSF, LTRO und OMT, dürften die europäischen Aktienmärkte besser gegen neue Erschütterungen des Systems gewappnet sein. Zwar geht die Europäische Kommission von einer langsameren Rückkehr zu Wachstum in der Region aus, die Industrieproduktion aber dürfte sich bereits im 1. Halbjahr des laufenden Jahres stabilisieren.

Anleger, die von einem Engagement an den europäischen Märkten profitieren wollen, sollten sich von ihrer Fixierung auf kurzfristige Stimmungsumschwünge und gesamtwirtschaftliche sowie politische Störfeuer lösen.

Vielmehr stützen ganz spezielle Faktoren den aus meienr Sicht herausragenden langfristigen Ausblick für Aktien aus Europa. Ich denke hierbei vor allem an die soliden Bilanzen, die starken Cashflows und nicht zuletzt die attraktiven Bewertungen.

Attraktive Banken

So haben wir bereits erste attraktive Anlagechancen aufgespürt und warten nur noch auf den richtigen Zeitpunkt, in ausgewählten Bereichen an der Peripherie Europas einzusteigen wie etwa bei Banken, die auf den Binnenmark ausgerichtet sind.

Eine kleine Position haben wir schon bei der spanischen Banco Popular und der Bank of Ireland aufgebaut. Für Letztere sprechen der wieder angesprungene Handel und die gestiegene Wettbewerbsfähigkeit Irlands.

Zu den weiteren Favoriten gehören auch Unternehmen mit breitgestreuten Märkten wie zum Beispiel der irische Getränkehersteller C&C, zu dem die weithin bekannten Cider-Marken Magners und Bulmers gehören, sowie das italienische Unternehmen Luxottica mit den weltweit gefragten Brillenmarken Ray-Ban und Oakley.

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