Kritische Stimmen zu ETF seien heute weitgehend verstummt, stellt Markus Fuchs fest. Aber, ob Indexanlagen effektiv den Erwartungen der Anleger gerecht werden, werde sich erst bei der nächsten grossen Börsenkorrektur zeigen.

Das Interview mit Markus Fuchs führte finews.ch im Hinblick auf die Jahrestagung «Professionelle Kapitalanlage» vom 27./28. Oktober 2015 in Zürich. finews.ch ist Medienpartner an dieser Veranstaltung, und Markus Fuchs tritt als Referent auf. Sein Thema: «Die Zukunft des Asset Managements in der Schweiz – die wichtigsten Fragen».


Herr Fuchs, die Börse hat seit 2009 eine fulminante Hausse erlebt, die sich nun abschwächt. Wie war die Entwicklung im Schweizer Fondsgeschäft in diesem Zeitraum?

Ebenfalls fulminant. Das Volumen der in der Schweiz registrierten Fonds betrug Ende Juli 2015 rund 894 Milliarden Schweizer Franken. Das ist ein Plus von mehr als 35 Prozent seit Mitte 2010. Der Fondsanteil relativ zu den direkt gehaltenen Wertschriften beträgt im Schnitt über alle Kundensegmente rund ein Drittel, mit immer noch steigender Tendenz.

Der Umstand, dass heute über ein Drittel der gesamten Wertschriftenbestände auf Schweizer Bankdepots in Kollektivanalgen investiert ist, zeigt das überzeugende Konzept der Fonds.

Welche Trends haben Sie in den vergangenen fünf Jahren beobachtet?

Lassen Sie mich deren drei ausführen, die jedoch teilweise überlappend sind: weitgehende Diskussionen zu den offenen Produkte-Architekturen; der schrittweise Wegfall von Vertriebsvergütungen und Retrozessionen sowie der Aufstieg der Indexfonds.

Das alles müssen Sie uns etwas genauer erklären.

Die Schweizer Banken haben erst in den 1990er-Jahren und mit dem Aufkommen von Vertriebsvergütungen angefangen, ihren Kunden Fonds von Drittanbietern zu empfehlen. Eine Analyse und Überwachung des gesamten Fondsuniversums stellte sich jedoch oft als zu aufwendig heraus.

«Die Depotgeführen werden steigen, oder es werden neue Gebühren erhoben werden müssen»

Die «offenen» wurden zu eingeschränkten, «geführten» Produkte-Architekturen. Obwohl nach wie vor anerkannt wird, dass die Vertriebsleistung der Finanzintermediäre entschädigt werden muss, kommen die heutigen volumenbasierten Vergütungsmodelle trotz zunehmender Offenlegung der Kosten stark unter Druck.

Die Kunden akzeptieren es heute nicht mehr, wenn ihnen nur hauseigene Produkte angeboten werden. Folglich werden durch den Wegfall der Retrozessionen die Depotgebühren für die Kunden steigen, oder es werden neue Gebühren erhoben werden müssen.

Aktiv oder passiv? Anlagefonds oder Exchange Traded Funds – wie sehen Sie die Zukunft dieser zwei Anlageformen?

Die beiden Produktkategorien sollten nicht als Gegenpole in einer «Entweder-Oder-Perspektive» betrachtet werden. Längerfristig wird es die Kombination von aktiven und passiven Anlagen im Portfolio sein, die eine bessere Performance bringt. Denn die Werthaltigkeit des aktiven Managements nur auf die Kostenfrage zu reduzieren, greift eindeutig zu kurz. Sicher ist jedoch auch, dass «Beinahe-Indexfonds» zu Aktivpreisen zunehmend hinterfragt werden.

«Das Indexing steht vor zahlreichen Herausforderungen»

Auch der gegenwärtige Hype um Smart-Beta-Produkte sollte nüchtern und mit etwas Distanz betrachtet werden. Kann ein Index denn überhaupt intelligent sein?

Das fragen wir Sie.

Indexing steht vor zahlreichen Herausforderungen – was aber auch für die aktiven Anlageprodukte gilt. Die Diskussion um Alpha- und Beta-Erträge wird weitergehen und je nach Markentwicklung in die eine oder andere Richtung tendieren. Zur Erinnerung: Nach dem Crash von 2008 standen die zuvor boomenden Hedgefonds plötzlich als böse, das heisst intransparente, teure und illiquide Sündenböcke da, während die ETF ihren Aufstieg begannen.

«Die starke Regulierung ist im Einzelfall schwierig geworden»

Die kritischen Stimmen zu ETF sind heute weitgehend verstummt, aber ob Indexanlagen effektiv den Erwartungen der Anleger gerecht werden, wird sich erst bei der nächsten grösseren Börsenkorrektur zeigen.

Wo drohen die grössten Risiken für weiteres Wachstum im Schweizer Fondsgeschäft?

Die starke Regulierung ist im Einzelfall schwierig, insbesondere da, wo diese auf Grund der Qualifikation der Anleger nicht nötig erscheint und einer Bevormundung gleichkommt. Generell ist aber der Fonds heute eine allseits akzeptierte Marke, die im Gegensatz zu anderen Produkten ein hohes Ansehen geniesst.

«Die Schweiz ist gemessen an der heutigen Grösse des Finanzsektors zu klein»

Ernsthafte Probleme bereiten die Verrechnungssteuer sowie die Stempelabgaben. Hier ist es wichtig, dass die Besteuerung endlich vollumfänglich auf Stufe Anleger erfolgt und nicht mehr auf Produktstufe.

Wo legt das Geschäft noch zu?

Das grosse Wachstum im Fonds- und Asset-Management findet im Vorsorgebereich statt, also bei Versicherungen, Pensionskassen und Staatsfonds, sowie im Ausland. Wie bereits ausgeführt, sind die Exportfähigkeit der Fondsindustrie und der Zugang zu ausländischen institutionellen Anlegern essenziell.

Warum?

Die Schweiz ist gemessen an der heutigen Grösse des Finanzsektors zu klein. Darum muss sie ihre Dienstleistungen und Produkte exportieren können. Deshalb machen wir uns stark dafür, dass die Schweizer Regulierung für das Asset Management EU-kompatibel wird.

Zudem soll sich eine ausländische Pensionskasse, die ein Mandat in die Schweiz delegieren will, nicht mit diversen Gesetzen herumschlagen müssen, sondern möglichst an einem einzigen Ort verbindliche Standards für die Schweizer Vermögensverwaltung vorfinden.

In Europa ist heute Luxemburg der unbestrittene Fondsplatz – warum nicht die Schweiz?

Diese Behauptung stört, denn sie beruht auf der Fondsdomizil-Statistik. Dass wir im Effektenfonds-Bereich in der Schweiz seit vielen Jahren kein Wachstum haben, liegt nicht ausschliesslich, – Stichwort: Verrechnungssteuern – aber hauptsächlich daran, dass die Schweiz 1992 nicht dem EWR beigetreten ist. Deshalb hat das Fondsdomizil Schweiz nie eine wirkliche Europa-Kompatibilität respektive Akzeptanz erlangt.

«Die Schweiz kann sich mit Spezialthemen profilieren»

Der Vergleich mit Luxemburg ist unter Berücksichtigung dieser Tatsache weder nötig noch sinnvoll. Das Potenzial für das UCITS-Massengeschäft ist bedingt durch die Nichtmitgliedschaft der Schweiz in der EU und damit verbundene Erschwernisse beim Marktzugang sehr limitiert. Zudem sind die fondsrechtlichen Unterschiede zwischen der Schweiz und Luxemburg viel kleiner als oft angenommen und immer wieder behauptet wird.

Trotzdem, wo liegt der Hauptunterschied zwischen den beiden Ländern als Fondsplätze?

Das Grossherzogtum fungiert primär als Administrationsstandort, während die Schweiz eher als Asset-Management- und vor allem Vertriebsplatz zu klassifizieren ist. Die Schweiz kann sich jedoch im Bereich der Administration bei Fondsspezialitäten behaupten. Wirtschaftliche und rechtliche Stabilität sowie hochqualifizierte Arbeitskräfte führen ausserdem dazu, dass gewisse institutionelle Fonds weiterhin in der Schweiz lanciert werden.

Mit welchen Massnahmen kann sich die Schweiz als Fondsstandort noch profilieren?

Vor allem mit Spezialthemen. Eine Kernkompetenz der Schweiz sind zum Beispiel Rohstoffe. Viele Rohstoffhändler sind hierzulande angesiedelt, die zum Teil auch Vermögensverwaltungs-Dienstleistungen anbieten. Zudem suchen ausländische Staaten vermehrt Investorengelder für den Bau von Infrastruktur. Unsere Finanzbranche hat das Wissen, um solche Transaktionen zu strukturieren und durchzuführen.

Und sonst?

Die am 30. Juli 2015 von der EU-Wertpapier-Aufsichtsbehörde abgegebene positive Empfehlung über die Erweiterung des EU-Passes auf Schweizer Manager alternativer Anlagefonds ist in diesem Zusammenhang für den Fonds- und Asset-Management-Standort sehr erfreulich.

«Diese Thematik besteht – leider»

Schweizer Anlagefonds können zudem hier auch das Thema «Sicherheit» spielen, da andere Länder nicht auf deren Vermögenswerte zugreifen können. Dass diese Thematik – leider – besteht, zeigt die Konfiszierung von Geldern in Zypern oder die Idee, private Gelder für Haushaltsanierungen einzusetzen.


Der 48-jährige Markus Fuchs ist seit Juli 2013 Geschäftsführer Geschäftsführer der Swiss Funds & Asset Management Association (Sfama). Er arbeitet seit 1992 in der Fonds- und Asset Management Industrie. Seine berufliche Karriere startete er bei der Bank Hoffmann, einer früheren Tochter der Credit Suisse. Von 2000 bis 2004 führte er den Bereich Fund Product Management bei der Swiss Life. Anschliessend trat er in die UBS ein, wo er im Bereich «Global Wealth Management & Swiss Bank / Products & Services» die Verantwortung für proprietäre Hedge-Fund-Produkte inne hatte.

Im November 2010 stiess Fuchs als Senior Counsel zur Swiss Funds Association SFA, der Vorgängerorganisation der heutigen Sfama. Er schloss ein Wirtschaftsstudium an der Universität Zürich ab und erlangte ein Executive MBA vom IMD International Management Development in Lausanne.

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