Wie vor bald zehn Jahren wandern nun wieder riesige Vermögen von West nach Ost – doch die Beweggründe dafür sind heute ganz andere als damals. Doch die Schweizer Banken profitieren. 

Gross war vergangene Woche der Jubel bei der Credit Suisse in Singapur, als es einem der besten Private Banker gelang, ein Mandat über gut 100 Millionen Dollar an Kundengeldern an Land zu ziehen. Das Besondere daran: Das Vermögen stammt aus London und wird künftig auf der CS-Plattform im asiatischen Stadtstaat gebucht.

Dies ist beileibe kein Einzelfall, auch bei der UBS oder bei Julius Bär ist in diesen Tagen von derlei Verschiebungen zu hören, selbst wenn dies niemand – und dies aus verständlichen Gründen der Diskretion – offiziell bestätigen will.

Die Geschichte wiederholt sich oder auch nicht

Doch Tatsache ist, seit Ende des vergangenen Jahres ist es zu einem bedeutenden bereits vermögenden Vermögenstransfer von Europa nach Asien, namentlich nach Singapur gekommen, wie zahlreiche Finanzleute feststellen.

Ähnliches geschah schon vor bald zehn Jahren, als sich abzeichnete, dass das (Schweizer) Bankgeheimnis nicht auf Ewigkeiten Bestand haben würde und die internationale Jagd auf Steuerflüchtlinge von diversen Regierungen auf dieser Welt rigoros verschärft werden würde. Ausserdem lockte Singapur damals mit einer permanenten Aufenthaltsbewilligung, sofern man einen zweistelligen Millionenbetrag in das aufstrebende Land, insbesondere in Immobilien, investierte.

Schluss mit Willkommensgesten

Heute ist einiges anders. Singapur hat derlei «Willkommensgesten», die vor allem Chinesen und Russen rege genutzt wurden, längst abgeschafft und das Geld, das nun nach Asien fliesst, tut dies nicht, weil es «schwarz» wäre, denn daran ist auch in Fernost kaum mehr jemand interessiert, besonders nicht im vorbildlichen Singapur – sondern diese Vermögen wandern aus Europa ab, weil sich viele vermögende Kunden in unseren Breitengraden verunsichert fühlen.

Man würde es kaum glauben, aber die anhaltende Flüchtlingskrise, der Brexit, dessen Wahrscheinlichkeit gar nicht mehr so abwegig ist wie auch schon, sowie die anhaltenden wirtschafts- und geldpolitischen Manöver in der EU respektive im Euroraum führen unter vermögenden Privatpersonen zu einer Neubeurteilung ihrer Portfolio-Allokation. Und deshalb fliesst wieder allerhand Geld von West nach Ost.

Nachbarstaaten in Geiselhaft

Zugegeben, es liesse sich durchaus argumentieren, nun sei nicht der allerbeste Zeitpunkt, um Geld nach Asien zu bringen, zumal die Börsen in China extrem schwächeln und so auch die umliegenden Staaten regelrecht in Geiselhaft genommen worden sind. Doch wer sich langfristig einen Plan macht und sein Geld breit diversifiziert haben will, wird kaum um Asien herum kommen, angesichts der Wachstumsperspektiven, die sich auf diesem Kontinent eröffnen, und wo eine riesige Mittelschicht erst am Entstehen ist und dereinst noch massive Konsumbedürfnisse entwickeln wird.

Gleichzeitig lockt es immer weniger Leute nach Amerika, angesichts der laufend verschärften Gesetze, sowohl in der Finanzbranche als auch bezüglich Einreise und Steuern. Kommt hinzu, dass der aktuelle US-Präsidentschafts-Wahlkampf bei vielen Nicht-Amerikanern vorläufig ein eher mulmiges Gefühl hinterlässt. Kein Wunder also, dass sich viele Ultra-High-Net-Worth-Individuals, wie die Superreichen im Finanz-Jargon heissen, nach Singapur (re)orientieren – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass die chinesische Regierung im Zuge ihrer Anti-Korruptionspolitisch auch noch die Daumenschrauben immer fester anzieht.

Goldene Zeiten

Die Verlagerung von Vermögenswerten nach Singapur äussert sich noch in einem anderen Zusammenhang, nämlich im Goldgeschäft. Die Nachfrage nach dem gelben Edelmetall, die in Asien traditionell immer sehr hoch ist, hat in den vergangenen Wochen – wie seit langem nicht mehr – zugenommen. Auch da kommt es zu Transfers von physischem Gold von Europa nach Singapur, wie Joshua Rotbart von der israelischen Firma Malca-Amit bestätigt.

Und auch die Verantwortlichen der unlängst eröffneten und allerersten Filiale des deutschen Goldhändlers Degussa in Asien, an der Orchard Road in Singapur, bestätigen die gestiegene Nachfrage nach Edelmetallen.

Niederlassungsleiter Michael Kempinski unterstreicht denn auch, dass Gold in Asien ohnehin einen grossen symbolischen Wert besitze, sowohl als Ausdruck von Prosperität wie auch als Versicherung. «Denn viele Menschen in Asien haben mehrmals erlebt, wie ihr Geld abgewertet wurde. Umso mehr wollen sie einen Teil ihres Vermögens in Realwerten wie Immobilien und eben Gold halten», betont der gebürtige Frankfurter.

Anleger schnuppern bereits wieder Morgenluft

Selbst oder vielleicht auch gerade vor dem Hintergrund des derzeit (noch) schwachen Goldpreises verzeichnet Kempinski eine substanzielle Nachfrage. «Jetzt könnte durchaus ein guter Zeitpunkt sein, um Einzusteigen», sagt er, zumal die geldpolitischen Massnahmen und die damit verbundene Geldmengenausweitung in Europa wenig langfristiges Vertrauen schaffen würden.

Ähnliches gilt auch für den chinesischen sowie für den Aktienmarkt in diversen anderen asiatischen Ländern, wo gewisse Anleger nach den jüngsten Korrekturen bereits wieder Morgenluft schnuppern und Kurse zu erkennen glauben, die für ein Neuengagement durchaus attraktiv sein könnten.

Kursrückgänge sind Kaufgelegenheiten

«Die Marktschwäche in China wird eher von der vorherrschenden Stimmung als von Fundamentaldaten getrieben», erklärt auch Wilfred Sit, Chief Investment Officer Asien bei Baring Asset Management. Obwohl das Reich der Mitte derzeit zweifelsohne eine wirtschaftliche Verlangsamung erfahre, bedeute dies nicht den Übergang in eine Rezession.

«Ich bin vielmehr der Auffassung, dass China und andere asiatische Märkte trotz der pessimistischen Marktstimmung günstig bewertet sind. Anleger sollten einen Kursrückgänge als Kaufgelegenheiten nutzen. 2016 wird ein herausforderndes Jahr, dennoch gibt es überzeugende Einstiegspunkte für Investoren», betont Wilfred Sit.

Insofern ist der neuerliche Vermögenstransfer von Europa nach Asien also aus mehreren Gründen nachvollziehbar. Und die Schweizer Banken könnten davon durchaus profitieren.

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