Dem Umbruch in der Branche können sich auch die unabhängigen Vermögensverwalter nicht entziehen. Darum tun sie gut daran, sich früher als später mit den epochalen Veränderungen in ihrer Welt zu befassen.

Der Finanzsektor gehört zu den letzten Branchen, die in den vergangenen Jahren von der rasant fortschreitenden Digitalisierung erfasst worden sind. Entsprechend steht der Sektor erst am Anfang einer epochalen Veränderung, oder wie es Francisco Fernandez, der CEO und Hauptaktionär der Schweizer Banken-Software-Firma Avaloq, unlängst formulierte: «Fintech steht im Lebenszyklus noch ganz am Anfang.»

Diesem Thema widmete sich kürzlich der 4. Vermögensverwaltertag, den die Schweizer Aquila-Gruppe in Zürich veranstaltet hatte. Der Anlass, an dem dieses Jahr rund 120 Personen teilnahmen, will den Austausch unter den unabhängigen Vermögensverwaltern fördern. Heuer stand die Veranstaltung ganz im Zeichen der Digitalisierung respektive der Konsequenzen für die unabhängigen Vermögensverwalter.

Wie die Disruption funktioniert

Dass viele, bisher bewährte Geschäftsmodelle ausgedient haben, hätte der Anlass respektive hätten die Gastreferenten nicht besser zum Ausdruck bringen können. Denn die Digitalisierung verändert unter dem Schlagwort «Disruption» nicht nur die Arbeitsprozesse radikal, sondern ebenso das Verhalten und die Bedürfnisse der Kunden.

Was diese so genannte Disruption im Alltag bedeutet, illustrierte Swisscom-CEO Urs Schaeppi, indem er eindrücklich aufzeigte, wie die klassischen Geschäftsbereiche in seiner Domäne durch konkurrenzierende Angebot ausgehebelt werden – die klassiche Telefonie beispielsweise durch Skype, der SMS-Dienst durch Whatsapp, Fernsehen durch Apple TV respektive Fernsehen auf Bestellung oder die Cloud durch Amazon.

Willkommen in der vierten industriellen Revolution

Mit anderen Worten, die Disruption setzt ein bestehendes Geschäftsmodell durch ein neues ausser Betrieb. Diese Entwicklung, die seit einigen Jahren auch die Finanzbranche erfasst hat, diagnostizierte die Managerin und Multiverwaltungsräting Michèle Ruoff als vierte industrielle Revolution oder Industrie 4.0.

Nach der Erfindung der Dampfmaschine, der Einführung der Elektrizität und der Entwicklung des Computers folge nun die weltumspannende Verbreitung des Internets, erklärte Ruoff. Vor diesem Hintergrund plädierte die Managerin dafür, dass ebendiese Digitalisierung in der Unternehmenswelt auf oberster Führungsstufe stattfinde. Nur so lasse sich der Entwicklung die erforderliche Bedeutung beimessen, betonte Ruoff.

Weg von den Zeitungen

Dem pflichtete Christoph Tonini bei, seines Zeichens CEO des Schweizer Medienhauses Tamedia und in dessen Branche die digitale Revolution bereits um einiges länger im Gang ist als in der Finanzbranche. Er zeigte auf, wie sich «sein» Unternehmen weg vom Zeitungsgeschäft und hin zum multimedialen Content-Lieferanten wandelt.

Heute macht das klassische Printgeschäft mit seinen Anzeigen einen immer kleineren Anteil am Konzernumsatz aus; der Stellenanzeiger, früher das Flaggschiff auf der Ertragsseite, ist heutzutage nur noch ein Schatten seiner selbst. Stattdessen hat sich der Tamedia-Konzern mit einer Vielzahl von Webseiten gewappnet und versucht so, den Einnahmeschwund im klassischen Zeitungsgeschäft mit Online-Produkten (Webseiten) zu kompensieren respektive auf dieser Welle zu reiten.

Schleichend aber ständig

Weil vermutlich an dem Anlass kaum Journalisten anwesend waren, liess sich Tonini zur Aussage verleiten, dass es in Zukunft deutlich weniger Journalisten brauchen werde – stattdessen würden mehr Ingenieure und Data-Scientists gefragt sein, die das Verhalten der Leserinnen und Leser respektive der Nutzer auswerten und neue Dienstleistungen entwickeln könnten.

Was das alles für unabhängige Vermögensverwalter bedeutet, veranschaulichte Avaloq-Mastermind Fernandez, indem er zunächst feststellte, dass die heute Entwicklung in der digitalisierten Geschäftswelt nicht mehr linear, sondern exponentiell verlaufe; zudem verlaufe die Disruption schleichend und ständig.

Denken aus dem Valley

Vor diesem Hintergrund sei eine neue Art des Denkens und Arbeitens erforderlich, so Fernandez weiter, die ihren Ursprung im Silicon Valley habe, und die sich unter der Aussage «Every idea deserves a chance» subsummieren lasse. Und falls sich eine Idee nicht realisieren lasse, gratuliere man sich gegenseitig, dass man es versucht habe. Im Gegensatz dazu hätten viele Schweizer oftmals eine allzu zögerliche Herangehensweise an ein Problem oder Projekt, stellte Fernandez fest.

Parallel zur raschen Verbreitung neuer Technologien, welche die angestammte Wertschöpfungskette aufbrechen würden, müssten sich die unabhängigen Vermögensverwalter auch des demogaphischen Wandels bewusst werden.

Weckruf von Fernandez

«Sie sind die ersten, die vier Generationen von Kunden betreuen», rief Fernandez den unabhängigen Vermögensverwaltern zu – vier Generationen auf Grund der Tatsache, dass die Menschen in unseren Breitengraden immer älter würden und entsprechende Finanzbedürfnisse entwickelten. «Beschäftigen Sie sich also künftig mit vier Generationen und nicht mehr nur mit zwei», sagte Fernandez sozusagen als Weckruf, aber auch als Chance dem Publikum.

Unabhängige Vermögensverwalter sollten sich auch darübeer informieren, welche Themen die Finanzbranche durchütteln und verändern werden. Fernandez nannte dazu einige Stichwörter, wie Blockchain, Zahlungsverkehr, Strukturierte Produkte, Big Data, Crowlending, Crowdfunding, Robo-Advice, Peer-to-peer Lending, Regtech und Biometrics.

Noch nicht krisenerprobt

Gleichzeitig betonte er aber auch, dass noch kein Fintech je eine Finanzkrise durchgemacht oder überlebt habe. Denn entsprechende Firmen existierten in der heutigen Form erst seit wenigen Jahren. «Fintech wird sich zu einem grossen Teil noch selber disruptieren», sagte Fernandez.

Als Unternehmer gab der Avaloq-Hauptaktionär den unabhängigen Vemögensverwaltern zuletzt vier Ratschäge mit auf den Weg:

  • Die Wertschöpfungskette bricht auf – gehen Sie daher Partnerschaften ein.
  • Versuchen Sie die sich wandelnden Bedürfnisse ihrer Kunden so gut wie möglich zu kennen.
  • Unterscheiden Sie sich von den Banken, beraten Sie unabhängig.
  • Seien Sie transparent in Ihren Kosten- und Gebührenstrukturen.