Beat Weiss: «Vom Mythos Vertrauen in der Finanzbranche»

Wenn ich Leuten sage, dass ich Kunden bei der Entwicklung Ihrer Vermögen unterstütze, so kriege ich in der Regel folgendes zu hören: «Die scheinen Dir zu vertrauen.» Ich zucke dann jeweils mit den Schultern, schreibt Beat Weiss in seinem Beitrag auf finews.first.

In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.

Ob mir meine Kunden vertrauen, weiss ich nicht. Bisher hat mir noch kein Kunde gesagt, dass er mir vertraut. Und ich habe nie gefragt. Weil es für die erfolgreiche Vermögensentwicklung keine grosse Rolle spielt.

Erfolgversprechende Vermögensentwicklung beruht auf gesundem Menschenverstand, dem richtigen Setup, treuhänderischem Handwerk und der Kommunikation mit Menschen. Alles muss verständlich und nachvollziehbar sein. Das geht auch ohne sogenanntes Vertrauen.

«Da wurde mir im Voraus für das Vertrauen gedankt»

Am Anfang meiner Arbeit im Family-Office-Sektor hatte ich es oft mit Private Bankern zu tun. Da wurde mir respektive meinen Kunden im Voraus für unser Vertrauen gedankt. Es wurden schöne Broschüren mit Überschriften wie «Geldanlage ist Vertrauenssache» und dergleichen ausgehändigt. Als für das nie ausgesprochene Vertrauen gedankt wurde, war aber noch gar keine Arbeit getan. Und es lagen auch noch keine Resultate vor.

Die Erfahrung des Lebens hat dann bald einmal gezeigt, dass die präventive Inanspruchnahme des angeblichen Kundenvertrauens vor zu viel Transparenz und kritischer Leistungsbeurteilung schützen soll. Wenn die Strategie nicht wirklich individualisiert ist, die Kosten hoch sind, zu teure Produkte eingesetzt und unnötige Transaktionen ausgeführt werden, so ist dies nämlich nicht im Interesse der Kunden.

«Erfolgreiche Vermögensentwicklung hängt primär von der geleisteten Arbeit ab – nicht vom Vertrauen»

Kleiner Exkurs: Wann haben Sie zum letzten Mal die Räder Ihres Autos wechseln lassen? Hat Ihnen der Automechaniker für Ihr Vertrauen gedankt? Nein? Aber haben Sie sich schon mal überlegt, was geschehen könnte, wenn die Räder nicht richtig angeschraubt werden? Statt einer Vermögenseinbusse könnten Sie Ihr Leben verlieren. Gleichwohl käme es keinem Automechaniker in den Sinn, Ihnen für Ihr Vertrauen zu danken.

Abgesehen vom stimmigen Setup und dem notwendigen Quäntchen Glück, hängt erfolgreiche Vermögensentwicklung primär von der geleisteten Arbeit ab. Nicht vom Vertrauen. Deshalb zucke ich jeweils mit den Schultern.

Beat Weiss ist Geschäftsführer und Mehrheitsaktionär der Aquila, Weiss & Company. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen sammelte er im In- und Ausland Berufserfahrung im Dienstleistungssektor, im Bankwesen und in der Industrie. Seit vielen Jahren steht er im Dienst von Privatpersonen, Familien und KMUs. Die Aquila, Weiss & Company ist ein Multi-Family Office mit Sitz in Zürich und einer Niederlassung in Bern. Die Firma verfügt über eine Lizenz der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) als unabhängige Vermögensverwalterin.

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