Kritik von Banken und Pensionskassen an den Negativzinsen bedeute nicht, dass die Geldpolitik der SNB falsch sei, sagt Jean-Pierre Danthine im Interview mit finews.ch. SNB-Gewinne an die AHV und Helikoptergeld seien Hirngespinste.


Professor Danthine, seit der Finanzkrise sind zehn Jahre vergangen und wir haben immer noch Niedrigzinsen. Sind Sie überrascht, wie lange es dauert, bis wir wieder zur Normalität zurückfinden?

Wir sollten nicht überrascht sein, denn die Finanzkrise war gleichbedeutend mit der grössten finanziellen und ökonomischen Flaute seit der Weltwirtschaftskrise. Das Anhäufen von Schulden spielte dabei eine Schlüsselrolle. So wurde der Schattenwurf der Rezession sehr dunkel und in diesem Schatten befinden wir uns noch immer.

In dieser Phase haben sich zwei Hauptbruchlinien herausgebildet, die seither nicht richtig zugewachsen sind. Zum einen sind zwar die Banken heutzutage viel solider geworden, aber dies bedingte eine gewaltige Anstrengung und in einigen Ländern gibt es noch immer eine grosse Zahl von Problemkrediten.

Und welches ist die andere Bruchlinie?

Das Europäische Projekt. Die Schweiz ist stark abhängig von der Eurozone und diese ist die schwächste der grossen Wirtschaftsblöcke dieser Welt. Europa ist schwach, weil es ein unvollkommenes Konstrukt ist.

Wann erwarten Sie die Rückkehr zu höheren Zinsen?

Ich erwarte keinen baldigen Zinsanstieg und auch keinen substanziellen. Das optimale Nachkrisen-Szenario sah eine langsame, aber stete Erholung voraus, mit einem progressiven Anstieg der Zinsen. Dies haben wir in den USA erlebt, aber wegen den Sorgen um eine erneute Verlangsamung des Wachstums kam es da zu einem Rückschlag.

«Die Menschen sind besorgt»

Grundsätzlich sind die Menschen besorgt darüber, dass die Erholung so lange andauert, weil sie denken, dass dies gar nicht möglich ist. Es gibt deshalb ein Spannungsverhältnis zwischen dem, was wir brauchen – eine lang anhaltende, aber langsame Erholung – und dem, was die Menschen befürchten, nämlich dass die Erholung nicht so lange andauern kann.

In jüngster Zeit gerieten die negativen Auswirkungen der tiefen Zinsen vermehrt in den Fokus…

Bis jetzt haben wir allerdings nur von tiefen Zinsen gesprochen, nicht von Negativzinsen…

Aber sowohl tiefe als auch negative Zinsen haben Auswirkungen auf einen grossen Teil der Wirtschaft?

Ich habe auf den Unterschied hingewiesen, weil viel der Kritik an Negativzinsen lediglich ein Bedauern über die Tiefzinsen ist. Schauen wir doch mal die Pensionskassen an: Ihre Kritik handelt doch weniger vom kleinen Betrag, den sie an Strafzinsen bezahlen müssen, als vom Problem, dass sie mit dem übrigen Portfolio nur einen kleinen Gewinn erzielen.

Theoretisch betrachtet sind Nullzinsen nicht das Limit. In der Theorie kann man die Zinsen frei bewegen, sowohl über als auch unter null. In einer solchen Welt können sie der Wirtschaft mit sehr tiefen Zinsen (minus 5 oder 6 Prozent) einen massiven Stimulus geben. So würden die Negativzinsen nicht lange Bestand haben.

Aber?

Das Problem ist, dass die Welt nicht so funktioniert. Wir stecken fest bei Null und können nur wenig daruntergehen. Und weil wir nicht tiefer gehen können, ist der Impuls nicht stark genug.

«Das Schweizer Problem ist ein ganz anderes»

Die Frage ist deshalb, ob es gut ist, nur ein bisschen unter null zu gehen und wenig Wirkung zu erzielen und so für eine lange Zeit festzustecken? Wir haben die Antwort auf diese sehr berechtigte Frage nicht. Persönlich bin ich nicht überzeugt, dass diese Politik funktioniert.

Und in der Schweiz?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
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