Die Schweizerische Nationalbank kämpft hartnäckig für die Unabhängigkeit der Geldpolitik. Das wird im Konzert der Begehrlichkeiten immer schwieriger. Ein neuer Vorstoss zur Sicherung der Renten kündigt sich nun an.  

Der Auftritt von Thomas Jordan vor Vertretern der Pensionskassen am Donnerstag hat zumindest etwas gezeigt: Die Nationalbank (SNB) hat ein Sensorium entwickelt für die Nöte der Bankenwelt und Vorsorgeeinrichtungen. Nöte, die mit den unerfreulichen Seiten der Negativzinspolitik zu tun haben.

Während Jordan aber mit seiner ungewöhnlich ausführlichen Darstellung der Sicht der SNB bei den Pensionskassenvertretern durchaus punkten konnte, zeigte sich im Podiumsgespräch mit Pierre-Yves Maillard, dem Präsidenten des Gewerkschaftsbundes (SGB), dass der Druck auf die Bank weiter zunimmt.

Die Attacken mehren sich

Die SNB sieht sich in einem immer schnelleren Rhythmus Attacken auf ihre Unabhängigkeit und ihre Geldpolitik ausgesetzt. Zu erwähnen sind die Goldinitiative und die Vollgeldinitiative. Jüngst sind Vorstösse für einen Staatsfonds dazugekommen, gespiesen mit Mitteln der SNB, die sie für die Bekämpfung der Frankenstärke geschaffen hat.

Maillard kündigte nun mehrere Vorstösse des SGB an, die auf Verwendung von Geldern der Nationalbank für die Altersvorsorge abzielen. Der SGB plant, noch dieses Jahr aktiv zu werden und hofft offensichtlich darauf, in dem neu zusammengesetzten Parlament eine grundlegende Änderung des Verteilmechanismus' erreichen zu können – einen «Tabubruch», wie er sagte.

Begehrlichkeiten von allen Seiten

Die SNB wehrt sich mit Vehemenz gegen eine zweckgebundene Ausschüttung an die AHV oder Pensionskassen. Dies würde gemäss Jordan zu einem Zielkonflikt führen. Die Bank pocht auf ihre Unabhängigkeit, die sie durch die Begehrlichkeiten bedroht sieht.
Diese Begehrlichkeiten wachsen stetig:

  • Die Bankbranche beklagt das Negativzinsregime mit Verweis auf die Strafzahlungen, die sie und andere Akteure im Finanzmarkt der SNB auf Sichtguthaben bezahlen muss. Gegenwärtig sind dies etwa 2 Milliarden Franken pro Jahr. Die Banken möchten, dass die SNB ihre Zinspolitik grundsätzlich ändert und argumentiert damit, dass der Franken nicht mehr überbewertet ist.
  • Die Pensionskassen sind gewaltig unter Druck, weil Niedrigzinsen sie zwingen, höhere Risiken einzugehen (sprich Aktien zu kaufen). Dies geschieht im Kontext mit den laufend höheren Ausgaben an eine stetig älter werdende Bevölkerung. Auch sie sehnen sich auf eine Änderung der Zinspolitik.
  • Die staatliche Altersvorsorge hat ähnliche Problemstellungen zu bewältigen wie die Pensionskassen und ist seit Jahr und Tag mit einer Schieflage konfrontiert – zu tiefe Einlagen mit gleichzeitig wachsenden Ausgaben. Die Politik hat es bislang nicht geschafft, Abhilfe zu schaffen und sich mit dem kürzlich abgesegneten Kompromiss (Steuersenkungen für Unternehmen verknüpft mit einer Einlage in die AHV) lediglich temporär Luft verschafft.

Der Bund der Steuerzahler, der von SVP-Nationalrat Alfred Heer präsidiert wird, hat schon im August eine Volksinitiative angekündigt. Diese wird darauf zielen, die Erträge der SNB aus den Negativzinsen für die AHV zu verwenden. Heer sucht für diese Initiative die Unterstützung der politischen Linken, was den Vorschlag besonders brisant macht.

Die Krux der gut gefüllten Kassen

Der gestrige Auftritt von Maillard zusammen mit Jordan zeigte aber, dass die Gewerkschaften noch viel weitergehende Absichten hegt. Der SGB unterstützt die SNB im Kampf gegen einen stärkeren Franken. Neben der Währungspolitik ist den Gewerkschaften aber primär die Altersvorsorge ein grosses Anliegen. I

n ihren Augen hat sich eine Kluft aufgetan zwischen den Bedürfnissen der Altersvorsorge und den grossen Gewinnen der SNB sowie den jährlichen Überschüssen des Bundes. Maillard strebt einen Bruch im System der Altersvorsorge an. Grundsätzlich sind die AHV und Pensionskassensysteme grundverschieden. Aber sie basieren auf der Idee, dass die Arbeitnehmer mit ihren Abgaben selber für die Pension aufkommen.

Der SGB argumentiert, dass es an der Zeit ist, Geld von der SNB zu nehmen und damit die serbelnde AHV zu alimentieren. In der Reserve, aus der die SNB die jährliche Ausschüttung an Bund und Kantone entnimmt, lagen Ende September 45 Milliarden Franken. Bei einem Bestand von mindestens 20 Milliarden gehen 2 Milliarden pro Jahr an Bund und Kantone, sonst wäre es 1 Milliarde.

9-Monatsergebnis der Extraklasse

Am Donnerstag veröffentlichte die SNB zudem noch ein 9-Monatsergebnis, das die Begehrlichkeiten zusätzlich schürt. So weist die Bank für die Berichtsperiode einen satten Gewinn von 51,5 Milliarden Franken aus. Das Bild kann sich bis Ende Jahr wieder komplett ändern, falls die Märkte einbrechen, aber für die politischen Akteure waren die Zahlen Gold wert. Die Bank hat mit ihrer aktiven Währungspolitik eine massive Ausweitung der Bilanz erreicht und damit ein bedeutendes Gewinnpotenzial geschaffen.

Von den 45 Milliarden Franken im Reservetopf möchte Maillard gerne einiges mehr haben als bisher, wie er betonte – konkret schwebt ihm vor, dass die öffentliche Hand einen massiv höheren Anteil am Gewinn der SNB erhält. Die jetzt gültige Vereinbarung zwischen Bund und SNB betrifft die Jahre 2016 bis 2020. Wenn bis zum Ablauf der Vereinbarung die SNB nicht weitere Zugeständnisse machen muss (wie sie beispielsweise schon mit der Deckelung der Strafzinsen der Banken gemacht hat), wird spätestens die nächste Vereinbarung höchst umstritten.

Auf verlorenem Posten

Damit schliesst sich der Kreis. Selbst wenn die SNB ihre Unabhängigkeit betont und sich gegen eine Vermischung von Geld- und Sozialpolitik wehrt, sind ihr die Hände ab diesem Punkt gebunden. Wenn der Bund der Steuerzahler und die Gewerkschaften die Bevölkerung davon überzeugen können, dass aus den Töpfen der SNB Geld für die AHV (oder auch Pensionskassen) genommen werden kann und soll, steht die Bank auf verlorenem Posten.

 

 

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