Zentralbanken sind nicht die geeigneten Institutionen, um weltverbessernden Ansprüchen gerecht zu werden, schreibt Bernd Kramer in seinem Gastbeitrag für finews.ch.

Von Bernd Kramer, Wirtschaftredaktor der Badischen Zeitung

Die neue Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, versteht es, Menschen für sich einzunehmen. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit in Frankfurt verkündete die Ex-IWF-Chefin und frühere französische Ministerin, die Strategie der zweitwichtigsten Zentralbank dieser Welt auf den Prüfstand zu stellen.

Die zentralen Fragen der von ihr geforderten Analyse lauten: Wie können die Währungshüter auf den Klimawandel reagieren? Was tun gegen die Ungleichheit in der Gesellschaft? Wie kann die mächtige Institution mehr Nähe zum Bürger schaffen, transparenter werden?

Kampf gegen steigende Temperaturen

So gut wie niemand sagt da Nein. Der Kampf gegen steigende Temperaturen muss in der Tat oberstes Gebot der Weltgemeinschaft sein. Die Ungleichheit wird mancherorts als wachsend und als Spaltpilz westlicher Industriegesellschaften gesehen. Ein verstärkter Dialog mit der Bevölkerung und durchsichtigere Entscheidungswege gelten als unumstrittene Ziele, um den Menschen das Gefühl zu geben, sie würden von mitfühlenden Entscheidern regiert und nicht von abgehobenen, selbstgefälligen Cliquen.

Eine Zentralbank ist jedoch nicht das geeignete Instrument, um diesen Ansprüchen gerecht werden zu können. Wie vielen anderen Notenbanken auch fehlt der EZB dazu die notwendige Legitimation. Die Zentralbank soll die Stabilität des Geldes sichern – dafür hat sie in der Eurozone ein Mandat.

Keine demokratische Kontrolle

Damit Lagarde und ihre Kollegen vom Zentralbankrat genau diese Aufgabe erfüllen können, sind sie unabhängig. Die Geldpolitik, das Setzen des Leitzinses, ist keiner demokratischen Kontrolle unterworfen. Notenbanker können nicht einfach abgewählt oder abberufen werden. Aus gutem Grund: Regierungen missbrauchten die Geldpolitik in der Vergangenheit, um wählerwirksam kurzfristig die Konjunktur anzuheizen, was später mit hohen Inflationsraten für den Bürger bitter bezahlt werden musste.

Dass Technokraten über ein so wichtiges wirtschaftspolitisches Politikfeld wie die Geldpolitik entscheiden, reicht. Welches Mass an Klimaschutz eine Gesellschaft will und für vertretbar hält, sollte dagegen Sache von gewählten Parteien und Parlamentariern bleiben. Überlegungen in der EZB, im Rahmen ihres Anleihekaufprogramms keine Schuldtitel mehr von Verschmutzer-Unternehmen zu kaufen, sind deshalb abzulehnen.

Preise haben Signalfunktion

Zumal die Regierungen wirksame Mittel an der Hand haben, um gegen den Klimawandel vorzugehen. Treibhausgas-Steuern oder der Kohlendioxid-Zertifikate-Handel beeinflussen die Preise von fossilen Brennstoffen. Preise wiederum haben eine Signalfunktion. Sie lenken das Verhalten. Wird etwas deutlich teurer, geht der Verbrauch zurück.

Will die EZB beim Kampf gegen steigende Temperaturen oder Ungleichheit mitmischen, läuft sie Gefahr, noch mehr politisiert und im Widerstreit verschiedener Interessen zermalmt zu werden. Es ist schwer genug, sich angesichts der unterschiedlichen Wirtschaftsentwicklung in der Eurozone darauf zu einigen, wie viel Inflation angemessen ist.

Schlechter behandelt

Für noch mehr Streit würde aber sorgen, wenn Länder, die stärker von fossilen Brennstoffen abhängen, schlechter behandelt würden als andere mit einer besseren Ökobilanz. Ganz zu schweigen von der Frage, wie viel Ungleichheit eine Gesellschaft verträgt. Hier ist die Spannbreite der Einschätzungen riesig. Und wenn sich die EZB schon um Klimaschutz kümmert, könnte sie denn nicht auch Kredite für Unternehmen begünstigen, die in der Eurozone kaufen statt in China, werden Protektionisten fragen.

Allenfalls Lagardes Wunsch nach mehr Transparenz und Verständlichkeit der EZB-Entscheidungen ist zu begrüssen. Dies schadet nie, weil es Vertrauen schafft. Ansonsten gilt für ihre Bestrebungen: Gute Absichten führen nicht immer zu wünschenswerten Ergebnissen.


Bernd Kramer ist Ökonom und langjähriger Wirtschaftsredakteur der «Badischen Zeitung» (BZ) in Freiburg im Breisgau. Er schrieb bereits in seiner Schulzeit die ersten Artikel für die Lokalredaktion der BZ. Nach einem Politik- und Volkswirtschaftsstudium in Heidelberg und Glasgow absolvierte er ein Volontariat bei der Zeitung. Nach drei Monaten als Sportredakteur bei «Der Sonntag in Freiburg» wechselte er 1999 in das Wirtschaftsressort der BZ.

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