Der ehemalige Chefökonom der UBS legt den Finger wie gewohnt auf einen wunden Punkt: Die offiziellen Angaben zur Teuerung im Land werden von der Realität überholt, stellt Klaus Wellershoff fest.

Auch Klaus Wellershoff kennt das ungute Gefühl, das Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten derzeit beschleicht. «Immer mehr Menschen stellen verwundert fest, dass die gefühlten Preissteigerungsraten nicht mit den offiziellen Statistiken zu korrespondieren scheinen», schreibt der bekannte Ex-UBS-Chefökonom in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht.

Während das Bundesamt für Statistik (BfS) zuletzt eine Jahresteuerung (Veränderung innert zwölf Monaten) von 3,4 Prozent ausweist – viel weniger als die zuletzt 9,1 Prozent in der EU –, sehe der Blick ins Portemonnaie anders aus, findet der Gründer der Beratungsfirma Wellershoff & Partners (WP).

Entgrenzte Zentralbanker

Folgt man Wellershoff, trügt das Empfinden der Konsumenten nicht. Sichtbar wird dies aber erst durch eine veränderte Perspektive auf die Inflation. Der Ex-Banker hat dazu die Methoden des statistischen Amts Österreichs (Statistik Austria) auf die Preiserhebung des BfS angewandt. Die Österreicher berechnen für die direkt ausgabenrelevanten Teile des Warenkorbs der privaten Haushalte eine separate Inflationsrate. In der Studie haben Wellershoff & Partners nun eine analoge Grösse für die Schweiz ermittelt. Das Resultat: die Inflation liegt hierzulande bei 5,9 Prozent, also fast beim Doppelten des offiziellen Werts.

Bekanntlich verfolgt die Schweizerische Nationalbank (SNB) als Hüterin der Preisstabilität in der Schweiz ein Zielband von 0 bis 2 Prozent Teuerung. Auch SNB-Präsident Thomas Jordan musste jüngst anerkennen, dass das Land diese Bandbreite weit hinter sich gelassen hat und sich die Inflation hartnäckig festsetzen könnte. Am 22. September wird von der Nationalbank ein weiterer Zinsschritt erwartet, um der Teuerung zu begegnen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am (heutigen) Donnerstag in einem so noch nie dagewesenen Schritt die Leitzinsen um 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent erhöht.

Verzögerter Effekt wegen Mieten und Energie

Auch Wellershoff befürchtet, dass sich die Teuerung festsetzt. Als besonders inflationstreibend würden sich immer noch die Preise für Benzin und Diesel auswirken, schreibt er im Report. Tatsächlich lägen aber auch Kaffee, Zahnpflegemittel, Teigwaren oder Olivenöl bei Inflationsraten im Bereich von 10 Prozent. Dass die tatsächlich ausgewiesene Inflationsrate noch deutlich unter diesen Werten liegt, ist der Tatsache geschuldet, dass die Schweiz einen einmalig hohen Anteil an administrierten Preisen besitzt.

So werden Strom- und Gaspreise nicht unmittelbar als Folge von Marktpreisveränderungen an die Haushalte weitergegeben. Und auch die Mieten von bestehenden Mietverhältnissen sind sehr restriktiv reguliert. Die Folge davon sind verzögerte Effekte auf die jeweiligen Preisentwicklungen.

Aber spätestens, wenn zu Jahresbeginn die volle Anpassung der Strom- und Gaspreise erfolgt ist, werde die Inflationsraten in der Schweiz noch höher liegen, erwartet der Ökonom. Sein Fazit: «So erscheint es absehbar, dass in den kommenden Monaten die Schweizer Inflationsentwicklung weiter anziehen wird.»

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