Der Euro ist zum Franken nochmals deutlich tiefer gefallen – und die Europäische Zentralbank steckt bei ihrem Zinsentscheid diese Woche schwer im Dilemma. Entspannter ist für einmal die Lage der Schweizerischen Nationalbank.

Thomas Jordan ist ein intimer Kenner der Konstruktionsprobleme des Euro. 1994 erschien die Dissertation des heutigen Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zur europäischen Währungsunion. In seiner Analyse kam Jordan damals unter anderem zum Schluss, dass die Euroländer einzelne Mitglieder notfalls mit einem «Bailout» entlasten müssten, obschon dies eigentlich gegen die eigenen Regeln ginge.

Vom Hauptsitz der SNB in Bern aus kann Jordan nun das neuerliche Drama beobachten, das in der Eurozone seinen Lauf nimmt. Dort ist der Euro über das Wochenende mit weniger als 0.9720 Franken nochmals deutlich gefallen. Zum Dollar handelte die Gemeinschaftswährung so tief wie 20 Jahre nicht mehr. Dies, nachdem neuerliche Sorgen um eine Energiekrise in der Region die Märkte in Aufregung versetzt haben.

Starker Franken macht Geldpolitik

Am Donnerstag wird zudem ein weiterer Zinsschritt von der Europäischen Zentralbank (EZB) erwartet. Um der grassierenden Inflation Herr zu werden, fordern europäische Notenbanker eine Erhöhung um bis zu 0,75 Prozentpunkte. Dies, während die nächste «geldpolitische Lagebeurteilung» der SNB auf den 22. September traktandiert ist.

Chef-Notenbanker Jordan kann seinem Auftritt allerdings wesentlich entspannter entgegen sehen als auch schon. Nachdem die SNB unter seiner Ägide in vergangenen Jahren und Monaten teils massiv für den Abwehrkampf gegen die Frankenstärke und die damit verbundenen Devisenkäufe und Negativzinsen kritisiert worden ist, profitiert die Währungshüterin nämlich für einmal von der weiteren Abschwächung des Euro.

So ist der starke Franken zwar weiterhin eine Herausforderung für die Schweizer Exportbranchen und nicht zuletzt für hiesige Finanzdienstleister mit europäischer Kundschaft. Hingegen hilft die Frankenstärke nun, die erhöhte importierte Inflation aus Euroland zu dämpfen. Dies habe die gleiche Wirkungsweise wie Zinserhöhungen, und erledige quasi einen Teil der Arbeit der Geldpolitik, wie die Ökonomen von Raiffeisen Schweiz in einem aktuellen Report festhalten.

Fuss vom Gas nehmen

Wie sie weiter vorrechnen, entspricht die Wirkung eines Zinsanstiegs um 1 Prozentpunkt dem Effekt einer Aufwertung des handelsgewichteten Wechselkurses zwischen 2 bis 9 Prozent – wobei der Wert in kleineren, offenen Volkswirtschaften eher im unteren Bereich liegt. Zusätzlich zur 50-Basispunkte-Zinserhöhung von Mitte Juni bedeutet der anschliessende Frankenschub eine geldpolitischen Straffung von gut 1 Prozentpunkt, so die Raiffeisen-Ökonomen. Damit könnte sich die SNB durchaus überlegen, bei der Zinsnormalisierung etwas kürzer zu treten.

Denn fällt der Euro weiter, bändigt dies die importierte Inflation; gewinnt die Gemeinschaftswährung hingegen an Wert zum Franken, entlastet dies die Exportwirtschaft und schafft den Währungshütern ein wenig mehr Spielraum – für die SNB fast ein «Win-win»-Szenario. Für Ende September wird nun mindestens erwartet, dass die Nationalbank mit einer Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte das Terrain der Negativzinsen verlässt.

In Euro-Mitgliedstaaten fordern einzelne Notenbanker hingegen ultimativ einen Zinsschritt von 0,75 Prozent von der EZB. Dies, um der grassierenden Inflation Einhalt zu gebieten. Dabei ist die Lage für Christine Lagarde, der Gegenpart von Jordan bei der Zentralbank, äusserst verzwickt: Eine nochmalige Zinserhöhung könnte den Schuldendienst einiger Euro-Staaten dermassen verteuern, dass mittelfristig ihre Zahlungsunfähigkeit bedroht wäre.

Italien in der Klemme – und vor den Wahlen

Diesbezüglich haben sich an den Märkten schon Ängste über eine «Schuldenkrise 2.0» breit gemacht, und die Kreditversicherungen insbesondere auf italienischen Anleihen sind zeitweilig in die Höhe geschossen. Wie die Grossbank Credit Suisse in einer Studie analysierte, könnte der südliche Nachbarstaat der Schweiz spätestens ab Mitte 2025 den Drahtseilakt zwischen notwendiger Konsolidierung und wachstumsschädigender Austerität meistern müssen, um das Vertrauen der Märkte nicht zu verlieren.

Dieser Balanceakt wird nun in den anstehenden Wahlen in Italien im Brennpunkt stehen – am 25. September wird im «Belpaese» ein neues Parlament gekürt.

Der Markt rechnet derweil mit einer Leitzinserhöhung um etwa 0,6 Prozentpunkte anlässlich der EZB-Sitzung vom 8. September. Angesichts der recht späten Kehrtwende der EZB auf Grund des neuen Inflationsregimes sei ein entschiedener und kurzer Zinserhöhungszyklus gerechtfertigt, finden dazu beispielsweise die Marktstrategen des amerikanischen Fondshauses Lazard Asset Management.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.56%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.9%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.99%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.55%
pixel