Preis- oder Finanzstabilität: Die Europäische Zentralbank steht seit der von den USA ausstrahlenden Bankenkrise in einem Dilemma und muss am Donnerstag ein klares Signal setzen.

Bis zum Bankencrash in den USA Ende letzter Woche galt es als ausgemacht, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Schlüsselsätze an der nächsten Sitzung am Donnerstag um einen halben Prozentpunkt weiter anheben wird. Damit würde es zur sechsten Erhöhung in Folge seit der Zinswende im Juli 2022 kommen.

Trotz den Turbulenzen im Bankensektor ist für die Finanzmärkte weiterhin plausibel, dass an der auf der Februar-Sitzung von der EZB quasi vorangekündigten Anhebung des Einlagensatzes um einen halben Prozentpunkt auf 3 Prozent nicht gerüttelt wird. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte damals betont, nur extreme Entwicklungen könnten diesen Fahrplan im März noch über den Haufen werfen.

Zurückgenommene Wetten für Mai

Für die Beobachter ist jedoch nicht die Zinserhöhung am Donnerstag die wichtigste Botschaft. Sie blicken vielmehr mit Argusaugen auf die Signale für die übernächste Sitzung im Mai. Hier haben sich im Lichte der jüngsten Ereignisse die Gewichte verändert.

Jedenfalls haben die Händler anfangs Woche ihre Wetten zurückgeschraubt. Sie halten nun gemäss einer Meldung der Agentur «Reuters» eine Anhebung um 25 Basispunkte im Mai für wahrscheinlicher als einen Schritt um 50 Basispunkte.

Ausschlaggebend für das weitere Tempo zur Erhöhung der Leitzinsen wird sein, wie schnell die EZB einen Rückgang der Inflation in Richtung ihres 2-Prozent-Ziels erwartet. Bisher herrschte unter Analysten die Meinung vor, dass das Zinshoch mit einem Einlagensatz von 4 Prozent im Juli erreicht ist.

Anders als die letzte Finanzkrise

Die von den USA ausgehende Bankenkrise und die möglichen Ansteckungsgefahren auf andere Wirtschaftsregionen könnten dieser Einschätzung indessen einen Strich durch die Rechnung machen. Zwar sind zur Eindämmung der hohen Inflation geldpolitische Straffungen weiterhin dringend geboten. Doch ebendiese Zinserhöhungen drohen die vor allem in den USA angeschlagene Finanzstabilität weiter zu gefährden.

Die Zentralbanken stehen also vor einem klassischen Dilemma. Gemäss Klaus Wellershoff von der Zürcher Vermögensberaterin Zwei Wealth müssen die Währungshüter wählen zwischen mehr Inflation in Zukunft oder dem Verschärfen der Bankenkrise. Diese Gratwanderung sei fundamental anders als in der ersten grossen Finanzkrise 2007 bis 2009.

Damals konnten die Zentralbanken wegen der Gefahr von zu niedrigen Inflationsraten Finanzstabilität und Preisstabilität gleichzeitig scheinbar auf einen Schlag erreichen, so Wellershoff.

In der Zwickmühle

Weil die Inflationsraten derzeit in einem intolerabel hohen Bereich liegen, hängt die Wahl der Zentralbanken jetzt vom Verlauf der US-Bankenkrise in den kommenden Tagen ab.

Wellershoff rechnet damit, dass die Zentralbanken die Finanzstabilität nicht ignorieren können und auf die Bremse treten. Damit machen die Ereignisse der vergangenen Tage künftig eine höhere Inflation wahrscheinlich.

Systemisches Risiko?

Wie stark die Finanzstabilität unter dem Kollaps der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB) leidet, ist derzeit die Gretchenfrage – auch für die Notenbanker.

Für die Optimisten stellen die SVB-Ereignisse kein systematisches Risiko dar, weil die SVB vor allem in einer relativ kleinen Gruppe grosser Einleger bei Jungunternehmen in den Bereichen Technologie- und Life-Science aktiv war.

Darum würde eine Ansteckung begrenzt bleiben und sich vor allem auf die Bereiche Private Equity und Venture Capital beschränken, meint etwa Rohan Reddy, Research Analyst beim US-Asset Manager Global X ETF.

Geschützte Bankkunden

Tatsächlich stand die SVB nicht auf der Liste der systematisch wichtigen Banken des Financial Stability Board. Dies erklärt sich unter anderem damit, dass die SVB Kundeneinlagen in Höhe von 175 Milliarden Dollar aufwies, wogegen das BIP der USA im Jahr 2021 23 Billionen Dollar betrug.

Ausserdem dürfte das Risiko begrenzt bleiben, weil sich die 175 Milliarden Dollar nicht gänzlich in Luft auflösen würden, sondern die Einleger wahrscheinlich einen anständigen bis erheblichen Teil der Einlagen zurückerhalten würden.

EZB mit mehr Munition

Gegen ein Übergreifen der US-Krise auf Europa spricht wiederum, dass die EZB ihre Zinsen langsamer als die amerikanische Notenbank Fed angehoben hat. Deshalb verfügen die Banken immer noch über reichlich billige Finanzierungsmittel.

Darüber hinaus sind die europäischen Banken verpflichtet, mehr liquide Mittel zu halten, als in einem 30-tägigen Stressszenario abfliessen würden. Diese Regeln gelten in den USA nur für die grössten Banken — und beispielsweise nicht für die SVB, wie man bei der Citigroup betont.

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