Die Aktienmarkt-Rallye im November und Dezember 2023 zeigt, wie sich die Investoren für das neue Jahr positionieren. Da können die Notenbankchefs weltweit noch so laut vor den grossen Unsicherheiten warnen. Die Märkte gehen von Zinssenkungen aus.

Das Stillhalten der Notenbanken im Dezember 2023 wird wie eine letzte Bestätigung dafür betrachtet, was ohnehin schon fast als sicher galt: Der Zyklus der Zinserhöhungen ist vorbei. Die Leitzinsen in den USA, im Euroraum und auch in der Schweiz haben ihren Höchststand erreicht.

Bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) werteten Beobachter insbesondere die nach unten angepasste Kurve bei der Inflationserwartung als Bestätigung für diesen Standpunkt. Zusammen mit der hierzulande vergleichsweise positiven Wirtschaftsentwicklung und dem robusten Arbeitsmarkt wird nun mehrheitlich ab dem nächsten Sommer damit gerechnet, dass sich für die SNB der Spielraum für eine Zinssenkung eröffnet.

Aus dem Fenster sieht man die Landebahn

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(Bild: Shutterstock)

In den USA gehört der Begriff «Soft landing», die weiche Landung der Konjunktur, mit Sicherheit zu einem der am meisten verwendeten Schlagwörter, um die erwartete Wirtschaftsentwicklung zu beschreiben. Wenn es die US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) unter Präsident Jerome Powell (Bild oben) wirklich hinbekommt, die Inflation in Richtung Zielwert abzusenken, ohne dabei gleichzeitig die Konjunktur abzuwürgen, dann wäre das sogar eine Premiere.

Denn: Bisher ist das noch nie richtig geglückt, und der Wechsel von Anstieg auf Senkung resultierte immer in einer zumindest technischen Rezession, also einem Rückgang des Bruttoinlandprodukts in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen. Laut einem Ökonomen sei die «weiche Landung» zwar noch nicht erfolgt. Man könne aber durch das Cockpitfenster schon die Landebahn sehen.

Drei Senkungen im Jahr 2024?

An der Sitzung des Offenmarktausschusses der Fed Mitte Dezember 2023 fielen dann genau die Aussagen, die von den Marktteilnehmern als das grüne Licht für ihre Zinshoffnungen interpretiert wurden. Laut Powell ist es in der derzeitigen Lage nicht angebracht, die Zinsen weiter anzuheben. Zwar signalisierte die Fed auch, dass es für Zinssenkungen noch zu früh sei. Aber immerhin war dies bereits Thema der Diskussion.

Nur wenige Wochen vorher hatte Powell noch betont, dass man zu einer weiteren Erhöhung bereit sei, wenn das nötig werde. Und genau dieser Meinungsumschwung war es, was dann beim Dollar zu einem Einbruch führte und die Aktien-, Anleihen- und Edelmetallmärkte antrieb.

Der sogenannte «Dot Plot», der die künftige Zinsentwicklung abbildet, lässt nun auf drei Senkungen im Jahr 2024 hoffen. Im nächsten Jahr wären dann sogar vier Zinssenkungen drin, womit der US-Leitzins bei 2,5 Prozent landen würde.

Rezessive Tendenzen in den Euro-Ländern

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(Bild: Keystone)

In der Eurozone kann von einer weichen Landung hingegen keine Rede mehr sein. Zu gross sind die rezessiven Tendenzen, etwa in der deutschen Industrieproduktion. Im dritten Quartal 2023 war das BIP der Euro-Länder zum Vorquartal um 0,1 Prozent gesunken. Zwar waren die Prognosen nur von einer Stagnation ausgegangen. Aufgrund der verhaltenen Erwartungen für das vierte Quartal 2023 scheint eine Rezession damit aber durchaus möglich.

Angesichts der sich abschwächenden Konjunktur und der klar rückläufigen Inflation hatten auch die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) um Notenbankchefin Christine Lagarde (Bild oben) an ihrer letzten geldpolitischen Sitzung des Jahres beschlossen, den Leitzins bei 4,50 Prozent zu belassen. Die Leitzinsen sollen so lange wie erforderlich auf einem ausreichend restriktiven Niveau verharren.

Als entscheidend wird hier die Inflationsentwicklung im Januar und Februar gesehen. Sollte es dabei keinen Rückschlag geben, also wieder stärker steigende Preise, dann dürfte einer Senkung im Frühjahr nichts im Wege stehen, sagen Beobachter. Laut den Geldmarktdaten scheint eine Senkung bereits im März möglich, April dürfte aber der wahrscheinlichere Termin sein.

Nimmermüder Thomas Jordan

snb thomas jordan keystone

(Bild: Keystone)

Auch bei der SNB signalisierte das weitere Festhalten am aktuellen Leitzins von 1,75 Prozent eher Entspannung. Die Inflationserwartung verläuft nun flacher als zuvor. Laut der neusten Prognose soll die Teuerung im Jahr 2024 in zwei Quartalen zwar nochmals auf 2 Prozent steigen.

Als Gründe dafür gelten die höheren Strompreise und Mieten sowie die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Danach soll die Inflation aber kontinuierlich abnehmen und ab dem zweiten Quartal 2025 bis ins dritte Quartal 2026 bei 1,6 Prozent verharren.

Doch SNB-Präsident Thomas Jordan (Bild oben) wurde nicht müde zu betonen, wie hoch die Unsicherheit bleibt. Man werde die Entwicklung genau beobachten und die Geldpolitik «wenn nötig» anpassen, um auch in der mittleren Frist Preisstabilität zu gewährleisten.

Sergio Ermotti: «Beweglich bleiben»

Und selbst UBS-Chef Sergio Ermotti zweifelte jüngst in einem Interview die Verlässlichkeit der Prognosen zur Preisentwicklung an. «Eine Sache, die ich gelernt habe: ...dass man nicht versuchen sollte, Vorhersagen über die kommenden Monate zu machen – das ist fast unmöglich», sagte er gegenüber «Le Matin Dimanche» (Artikel bezahlpflichtig). «Dennoch bin ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht davon überzeugt, dass die Inflation wirklich unter Kontrolle ist.»

«Der Trend scheint günstig zu sein, aber wir müssen sehen, ob er anhält. Wenn sich die Inflation in allen grossen Volkswirtschaften dem Ziel von 2 Prozent nähert, könnte die Politik der Zentralbanken etwas gelockert werden», so der UBS-Chef weiter. «In diesem Umfeld ist es sehr wichtig, beweglich zu bleiben.»

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