In den Sommerwochen haben Visionen für eine bessere Welt Hochkonjunktur. Mit einer entschleunigten Börse soll auch das Spekulantentum eingedämmt werden.

Martin_Hess_119x168Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Während den heissen Sommertagen nimmt man alles ein bisschen gemütlicher. Insbesondere auf den hektischen, zuweilen unübersichtlichen Finanzmärkten scheint dies eine verlockende Einladung zu sein.

Vorschläge zur Beruhigung der Finanzmärkte durch Staatseingriffe wie Transaktionssteuern, Kapitalverkehrskontrollen oder Restriktionen bei Leerverkäufen sind keine Sommerstories, sondern werden permanent diskutiert. Noch überwiegt hierzulande die berechtigte Skepsis über Wirkungen und Nebenwirkungen solcher Ideen.

Im Vergleich dazu erscheinen mir privatwirtschaftliche Vorschläge zur Erhöhung der Stabilität via Marktlösungen grundsätzlich innovativer. Antoinette Hunziker-Ebneter, CEO der Forma Futura Invest, hat diesbezüglich anfangs Woche ihre Vision einer entschleunigten Börse im Schweizer Radio vorgestellt.

Nur an zwei Tagen geöffnet

Eine Börse, die nur zwei Tage pro Woche offen ist und deshalb nur Investoren, aber keine Spekulanten anzieht. Eine gute Geschäftsidee, welche die Bedürfnisse von vermögenden Adrenalinmüden anspricht und die sich deshalb als profitabel herausstellen könnte.

Ich vermute allerdings, dass damit die beabsichtigten Ziele des Fernhaltens von Spekulanten und der Verhinderung von Blasen im Hinblick auf ein nachhaltiges Finanzsystem nicht erreicht werden können. Der Grund ist, dass das Fehlen von Spekulanten in höheren Margen, tieferer Liquidität und unsicherer Preisfindung sich auf den Markt auswirkt. Also präzis diejenigen Marktnachteile, welche ausgerechnet für Spekulanten und Blocktraders ein gefundenes Fressen darstellen.

Spekulation ist zentral

Bei mir stossen begründete Kritiken an gewisse Spekulanten, welche in trüben Märkten mit grossem Hebel Risiken eingehen, die sie nicht verstehen oder tragen können, auf grosses Verständnis. Kritiker stehen sich jedoch auf dem Pfad zu einem nachhaltigen Finanzsystem selbst im Weg, da sie sich darauf beschränken, jegliche Spekulation pauschal zu verdammen.

Dabei ist die Spekulation zentral für die Effizienz von Finanzmärkten, die eine Grundlage der wirtschaftlichen Prosperität ist. Gesellschaftlich und wirtschaftlich relevante Transaktionen wie beispielsweise Termingeschäfte zur Preisabsicherung von landwirtschaftlichen Produkten setzen voraus, dass sich eine Partei in spekulativer Weise gewissen Preisrisiken aussetzt.

Probleme beim Namen nennen

Mein Appell deshalb an alle, die Systemkritik im Interesse einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung üben wollen: Nennen Sie stabilitätsrelevante Probleme beim Namen und zeigen Sie die Risiken gewisser spekulativer Praktiken konkret auf. Schlicht weniger Spekulation zu fordern reicht nicht aus.

 Generell tiefere Handelsvolumen an der Börse im Sommer lassen darauf schliessen, dass in diesen Wochen gewisse Spekulanten eine Pause machen und wie von Kritikern gewünscht, dem Markt fernbleiben dürften. Ob gerade deswegen die Finanzmärkte stabiler sind, wage ich zu bezweifeln.