Wenige grosse Versicherer werden so niedrig bewertet wie Swiss Life. Der Analyst Fabrizio Croce von Kepler Capital Markets zeichnet Perspektiven auf.

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Herr Croce, Sie sehen für Swiss Life zwei unterschiedliche Optionen. Fressen oder gefressen werden. Welche ist für Sie die wahrscheinlichere?

Ganz klar fressen. Swiss Life ist durch eine ausländische Gesellschaft fast nicht übernehmbar. Man darf nicht vergessen, dass Entscheidungen über Mindestzinssatz und Umwandlungssatz heute immer noch im Rahmen eines irrationalen politischen Prozesses festgelegt werden.

Für eine schweizerische Firma entschärft sich diese Irrationalität zumindest teilweise. Von ihr profitiert im Moment etwa die AXA Winterthur. Geriete aber die Swiss Life auch in ausländische Hände, würde wahrscheinlich ein andere Musik spielen. Der regulatorische Rahmen für Versicherer ist zurzeit desolat.

Eine ausländische Firma würde sich ein zusätzliches Problem einkaufen,  weil davon auszugehen ist, dass dann das schweizerische Parlament noch weniger daran interessiert wäre, für den Mindestzinssatz und den Umwandlungssatz rationale Entscheide zu fällen.


«Als Käufer kämen nur Mobiliar und Swiss Re in Frage»


Eine Schweizer Lösung macht also am meisten Sinn. Ihr Favorit dafür ist Mobiliar. Weshalb? 

Aus unserer Sicht gibt es leider keine Alternativen zu einer Schweizer Lösung. Gesellschaften, die einen solchen Schritt wagen könnten, sind aber rar. Zu diesen wenigen Schweizer Firmen zählen wir die Swiss Re. Der Rückversicherer könnte durch eine Akquisition der Swiss Life seine dürftige und US/UK-exponierte Bilanz massiv verbessern und eine Lösung für sein Admin-Re-Problem anpeilen.

In Frage käme auch die Mobiliar, vorausgesetzt ihr strategischer Fokus liegt fünf bis zehn Jahre in der Zukunft – wenn die Zinsen sich wieder normalisiert haben sollten. Eine aktive Rolle der Swiss Life ist aus unserer Sicht zurzeit viel wahrscheinlicher, da das Nichtleben-Geschäft aus Risikodiversifikations-Überlegungen höchst attraktiv ist.


«Nationale Suisse ist die Apple-Aktie des Versicherungsuniversums»


Eine für Swiss Life sinnvolle Akquisition wäre in Ihren Augen die Nationale Suisse. Ist das auch ein realistischer Ansatz?

Es gibt wenige dynamischere und profitablere Versicherungsgesellschaften in Europa als die Nationale Suisse. Sucht man nach einer Firma der gleichen Qualität, landet man schnell bei einer mit einer Bewertung von acht Mal Buchwert – wie eine Admiral in Grossbritannien – und eben nicht bei einer Gesellschaft, die unter Buchwert gehandelt wird wie Nationale Suisse.

National ist die «Apple»-Aktie im Versicherungsuniversum. Das wurde leider soweit noch nicht von den Märkten wahrgenommen, weil die Marktliquidität des Titels so bescheiden ist und sich grosse Fonds gar nicht darin engagieren können. Gesellschaften wie eine Swiss Life schauen aber nicht auf den Börsenkurs, sondern orientieren sich am fundamentalen Wert solcher Firmen. Und der liegt im Falle der National sehr konservativ gerechnet weit über dem heutigen Wert von rund 34 Franken.

Kepler setzt ein Kursziel von 43 Franken. Die Swiss Life muss nur die Fehler der Vergangenheit meiden, als sie noch undifferenziert in Nichtleben-Segment tätig war.

Durch die konsequente Fokussierung auf Nischen und mit ihrem Online-Geschäft ist National schon heute – und allein – ein Superstar. Könnte sie nach einer Übernahme den ganzen Vertriebskanal der Swiss Life noch nutzen, um ihre Nichtleben-Produkte zu vertreiben, könnte man aus dieser Einheit eine Rakete machen.


«Swiss Life ist im Kerngeschäft immer noch extrem solid»


Swiss Life hat hat aber nicht den besten Track Record, wenn es um Akquisitionen geht…

Das stimmt leider für Finanzbeteiligungen. Swiss Life hat sicherlich sehr schlechte Erfahrungen und Fehler gemacht. Anderseits hat sie aber selten bis nie Fehler gemacht, wenn es sich um Akquisitionen oder Verkäufe von purem Versicherungsgeschäft handelte.

Man kann der Swiss Life vieles anlasten, im Kerngeschäft ist diese Gesellschaft indes immer noch extrem solid und stark – nicht zuletzt, weil die Marke beim Kunden als Garantie gilt und daher einen eindeutigen Asset darstellt.

Sachversicherer zu übernehmen sei in der praktischen Umsetzung aber alles andere als einfach, sagte CEO Bruno Pfister kürzlich in der FuW…

Es gibt keine einfachen Aufgaben und es gibt keine einfache Entscheidungen, wenn man für die Führung einer internationalen Unternehmung zuständig ist. Und alle Entscheidungen brauchen Mut und strategischen Perspektiven.

Der Besitz solcher Eigenschaften rechtfertigt hohe Managementkosten und erst mit richtigen Entscheidungen sind hohe Bonuszahlungen wohlverdient.  

Wäre ein ausländischer Interessent nicht attraktiver?

Von Zeit zu Zeit überschwemmen solche unqualifizierte Spekulationen die Märkte. Die Übernahme anderer, kleinerer, nicht BVG-zentrierter schweizerischer Versicherer wäre für eine ausländische Gesellschaft wesentlich unproblematischer und bestimmt weniger riskant wären als ein Kauf des Kolosses Swiss Life.


«Für die tiefe Bewertung gibt es einen Hauptgrund»


Die Swiss Life-Aktie wird mit einem im Branchenvergleich grossen Abschlag zum Buchwert gehandelt. CEO Pfister erklärt dies damit, dass sein Unternehmen zu unrecht als sehr zinssensitiv betrachtet werde. Finden Sie noch eine weitere Erklärung für diese tiefe Bewertung?

Es gibt Dutzende von Gründen, weshalb Swiss Life mit einem Abschlag gehandelt werden sollte. Der Hauptgrund liegt aber immer noch darin, dass Swiss Life AWD und MLP als Top-Errungenschaften zu vermarkten versucht. Das sehen die Märkte anders. Es waren zwei massive Fehlinvestitionen.

Wie sich in der Vergangenheit die griechischen Trägodien in drei klare Phasen gliederten – hybris (Übermut), nemesis (Erkennung), catharsis (Bereinigung ) – so sollte sich Swiss Life langsam zur zweiten Phase dieses Prozesses bekennen und den Goodwill, der von Analysten weiterhin übermässig diskontiert wird, einfach abschreiben und so die Bereinigungsphase hinter sich bringen.

Trotz all der Ungewissheiten hält Kepler die heutige tiefe Bewertung für unberechtigt. Wir sind der Meinung, dass die Aktie mindestens  133 Franken wert ist – auch heute, in ein schwierigen Umfeld und selbst ohne jegliche strategische Verbesserung.

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