Ach was. Eine Umfrage unter reichen Briten ergab, dass enorm viele auswandern wollen – aber aus anderen Gründen. Es zieht sie auch nicht in die Schweiz.

Die Sache gibt zu denken auf der Insel, sie ist auch eine kleine Ohrfeige für die Regierung Cameron: 19 Prozent der vermögenden Briten spielen mit dem Gedanken, in den nächsten zwei Jahren auszuwandern. Dies ergab eine repräsentative Erhebung, welche Lloyds TSB erarbeiten liess.

Befragt wurden wohlhabende Menschen mit einem liquiden Vermögen von über 250'000 Pfund (365'000 Franken, ohne Liegenschaften). Ein Jahr zuvor hatten erst 14 Prozent mit der Idee gespielt, ihrer Insel demnächst den Rücken zu kehren.

Würden also entsprechend viele Menschen ihre Auswanderungsgelüste tatsächlich umsetzen, so könnten sich bald mehr als eine halbe Million affluent Briten über den Globus ergiessen.

Das Wetter ist wichtiger als die Steuern

Die Daten von Lloyds TSB sind aus mehreren Gründen interessant für die Schweiz – ob in der politischen Debatte oder in der Finanzbranche. Denn deutlich wurde dabei, dass die Steuerfrage bei weitem nicht so relevant ist, wie es immer scheint. Befragt nach den Gründen, weshalb es ihnen in der Heimat nicht mehr passt, nannten die meisten die Kriminalität (56 Prozent), dann «anti-soziales Benehmen» (55 Prozent) und das Wetter (55 Prozent). Auch die hohen Lebenshaltungskosten wurden öfter als Emigrationsgrund genannt denn die Steuern.

Ähnlich das Bild bei umgekehrter Betrachtung: Auf die Frage, was die Regierung denn tun könnte, um sie zum Bleiben zu bewegen, nannten die befragten Top-Shots zuerst Investitionen in die Infrastruktur respektive bessere öffentliche Angebote; zweitens weniger Bürokratie im Geschäftsleben; und erst auf Rang 3 folgte die Idee der tieferen Steuern.

Frankreich und Spanien statt Monaco und Schweiz

Und so verblüfft es wohl nicht, dass es die Auswanderungswilligen nicht etwa nach Monaco, in die Karibik oder in die Schweiz zieht – sondern als beliebteste Ziele werden genannt: Frankreich (18 Prozent), Spanien (17 Prozent) und die USA (11 Prozent).

Was aber verbindet diese Länder derzeit? Zum Beispiel, dass die führenden Politiker all dieser Staaten ernsthaft am Projekt arbeiten, die Steuern für Reiche zu erhöhen. Auch auf den folgenden Rängen der beliebtesten Auswanderungsziele für affluent, HNW- oder UHNW-Individuen landeten keine Steueroasen: Es waren Australien, Neuseeland und Kanada.

Wozu Steuerwettbewerb? Warum kein Anti-Bürokratie-Wettbewerb?

Die Autoren der Studie weisen zwar darauf hin, dass nicht bloss die traditionell mobilen Superreichen mit dem Auszug liebäugeln, sondern auch «eine grosse Zahl von erfolgreichen, wohlhabenden Individuen, die in der Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen» (besonders die Gruppe der jungen Vermögenden im Alter zwischen 25 und 34 kündigten an, emigrieren zu wollen). Aber natürlich muss man die hier geschilderten Auswanderungspläne auch nicht überschätzen: Wie sehr die Pläne umgesetzt werden, wird sich erst noch weisen müssen.

Doch bemerkenswert sind die Resultate, weil sie zu einer naheliegenden Einsicht verleiten müssten: Man muss Top-Shots aus dem Ausland gar nicht so sehr mit Steuerwettbewerb ködern. Weniger Bürokratie, guter Service Public, tiefe Kriminalitätsraten und ein zivilisierter Umgang in der Gesellschaft wären viel wichtiger. Und natürlich schönes Wetter.

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