Früher war alles einfacher: Arbeit war Arbeit, Freizeit war Freizeit. Wer das Privatleben zugunsten des Jobs vernachlässigte, galt als Workaholic – was nicht zwingend positiv gemeint war. Auf dem heutigen Arbeitsmarkt haben sich die Vorzeichen aber geändert, die strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit wird mehr und mehr aufgeweicht.

Die Gefahr nachhaltig negativer Auswirkungen auf den Zustand (geistig wie körperlich) der arbeitenden Bevölkerung hat dem Konzept der Work-Life-Balance zu grosser Popularität verholfen.

Die Folgen des Arbeitsmarkts 2.0

Es wäre ein leichtes, die inzwischen allseits beliebte und allseits verbreitete Work-Life-Balance als weiteres Buzzword abzutun, das dem stressigen Arbeitsalltag einen einigermassen positiven Anstrich verleihen soll. Und bei genauerer Betrachtung dessen, was mit dem Begriff eigentlich ausgedrückt werden soll, ergibt sich schon eine gewisse Diskrepanz zum Namen selbst. Die Balance finden zwischen «Arbeit» und «Leben»? Klingt fast so, als sei die lange Zeit gültige, vergleichsweise rigide Trennung der beiden Bereiche immer noch aktuell – oder, um es treffender zu sagen: als wäre sie in dieser Form tatsächlich noch möglich.

Der implizierte Graben zwischen «Work» und «Life» wurde aber inzwischen weitgehend zugeschüttet, mit den Anforderungen des heutigen Arbeitsmarktes. Allen voran die weithin erwartete/geforderte/gefühlte Verpflichtung zur ständigen Erreichbarkeit. Stellt sich doch die Frage, wie es in einem solchen Szenario überhaupt noch möglich sein soll, einen Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben zu schaffen, wenn der Job in zunehmendem Masse in den persönlichen Bereich eingreift. Müsste es daher nicht eigentlich darum gehen, das eigene Leben gegen die omnipräsente Arbeit zu verteidigen und sich verloren gegangenen Boden zurückzuerobern?

Von der Kollision zur Verschmelzung

Hinter diesem Gedanken steht allerdings immer noch eine Grundannahme, die in der Realität der Arbeitswelt kaum mehr haltbar ist: Die Vorstellung von «Pflicht» und «Kür», von notwendigem Übel und erfreulichem Ausgleich ist auf dem Weg in den Ruhestand, sofern sie dort nicht schon längst angekommen ist. Und das ist beileibe keine Entwicklung, die Arbeitnehmer von den Umständen des Arbeitsmarktes diktiert wird.

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Immer erreichbar, überall verfügbar: Flexible Arbeitsmodelle fordern ihren Preis, bieten aber auch mehr Freiheiten.

Es sind schliesslich nicht nur die Chefs, die auch in den Ferien das Arbeiten nicht sein lassen können – und das nicht einmal aus reiner, unumgänglicher, ja lebenswichtiger Notwendigkeit heraus, sondern weil es ihnen Spass macht. Das ist natürlich in gewisser Weise beneidenswert, denn so viel Freude am Job haben sicher nicht alle arbeitenden Menschen. Ob es allerdings erstrebenswert ist, die Ferien der Arbeit zu opfern, egal wie viel Spass sie macht, könnte zumindest einmal kritisch hinterfragt werden. Immerhin, und das können ausreichend viele Betroffene bestätigen, ist das ein Thema mit Konfliktpotenzial – vor allem in Partnerschaften.

Nichtsdestotrotz ist der Verschmelzungsvorgang von Work und Life ebenso unaufhaltsam wie unumkehrbar. Zu erkennen ist das an der subtilen, aber doch symptomatischen Veränderung der Begrifflichkeit: Aus Work-Life-Balance wird immer häufiger Work-Life-Blending. Damit wird dem fortschreitenden Verschmelzen schon bei der Namensgebung in expliziterer Weise Rechnung getragen.