Möchten Sie auf der Erde, auf dem Mars oder im Metaverse leben? Seit der Unternehmer und Tesla-Gründer Elon Musk mit SpaceX den Mars erreichen will, damit die Menschheit nicht nur auf einem Planeten lebt, gewinnt das Metaverse «jenseits» von META laufend an Bedeutung, schreibt Martha Boeckenfeld in ihrem Beitrag auf finews.ch.

«Das Metaverse ist die Brücke zur unsichtbaren Welt. Es erlaubt den Menschen, direkt zu kommunizieren und Dinge zu visualisieren, die sich vorher nur sehr schwer vorstellen liessen. Dabei wird es viele individuelle Metaverse geben sowie Plattformen für den Aufbau von Metaversen wie das Meta-Metaverse, was auch Sprachen zur Beschreibung metaversespezifischer Transformationen erfordern wird. Neue, spezialisierte Metaversen-Browser werden nötig sein, um den Weg in die Zukunft zu zeigen. Die Welt wird nie mehr so aussehen wie bisher», sagt Joel Dietz von CryptoApollo.

In den vergangenen Wochen gab es bereits erste Anzeichen für das potenzielle Ausmass der Metaverse-Wirtschaft: Grundstücke in den kryptobasierten Metaversen wie Decentraland und Axie Infinity wurden für mehr als 2 Millionen Dollar verkauft. Das Metaversum bezieht sich dabei auf eine Reihe von virtuellen 3D-Online-Umgebungen, in denen Menschen «Games» spielen, Dinge bauen, Kontakte knüpfen, arbeiten und mit Kryptowährungen handeln können.

Noch in den Kinderschuhen

Die bekanntesten Metaversen sind derzeit im Bereich der Spiele zu finden, wobei Fortnite und Roblox am stärksten an Popularität gewonnen haben. Die Firma Grayscale schätzt, dass der Umsatz mit virtuellen Spielwelten bis 2025 auf 400 Milliarden Dollar steigen könnte, von rund 180 Milliarden Dollar im Jahr 2020. Dennoch betonte das Unternehmen, das auch den weltweit grössten Kryptowährungs-Fonds verwaltet, dass das Metaverse noch in den Kinderschuhen stecke. Die Pläne von Facebook, in diesem Jahr 10 Milliarden Dollar in das Metaverse zu investieren, seien jedoch ein Indiz für das Potenzial des Marktes.

Die Chance, das Metaverse zum Leben zu erwecken, könnte einen Jahresumsatz von über 1 Billion Dollar bedeuten. Viele aktuelle Metaverse-Projekte, wie virtuelle Realitäten oder Spiele, werden von sogenannten Web2-Unternehmen betrieben, die zentralisiert sind und gewinnorientiert arbeiten. Ein Beispiel dafür ist Facebook, das mit Horizon Worlds in den Bereich der virtuellen Realität eingestiegen ist.

Zunehmend werden jedoch Metaverse-Projekte auf der Grundlage von Kryptotechnologie erstellt werden oder sind bereits stark mit dieser Technologie verbunden, die den Nutzern mehr Kontrolle gibt und es ihnen ermöglicht, Geld zu verdienen, das sie in der realen Welt ausgeben können. Dies wird als Web3-Metaverse bezeichnet.

Lieben, spielen und arbeiten im Metaverse?

Zu den Lebens- und Verdienstmöglichkeiten im Web3-Metaverse gehören Kunstgalerien, die NFTs anbieten, Spiele und Casinos, in denen die Leute Kryptowährungen gewinnen, und digitale Musikveranstaltungen mit DJs und anderen Künstlern. Der erste grosse Wurf gelang bereits in der Kunst: Kürzlich brachte die erste, rein digitale Auktion von Christies dem Künstler Beeple 69 Millionen Dollar ein.

Zu den Unternehmen, die bereits zu den Vorreitern in dieser neuen Wirtschaft gehören, zählt das Spieleunternehmen Epic mit seinem «Game» Fortnite. Als Teil des Spiels wurden zum Beispiel bereits Konzerte mit Travis Scott und Ariana Grande veranstaltet und eine überzeugende, realistische Welt um das Spiel herum geschaffen. Wir haben so bereits gelernt, wie sich virtuell und in einigen Fällen auch mit Avataren arbeiten lässt.

Das Metaverse wird vermehrt auch interaktivere Einkaufserlebnisse in Geschäften ermöglichen. Mit VR- und AR-Sets wird es möglich sein, eine Vielzahl von Produkten im Geschäft auszuprobieren, unabhängig davon, ob das Produkt im Geschäft ist oder nicht.

Spielen, um Geld zu verdienen

Die Möglichkeit, durch digitale Spiele Geld zu verdienen, hat das Leben einiger Leute verändert, vor allem auf den Philippinen, wo die Popularität von einzelnen «Games» regelrecht explodiert ist, als die Corona-Pandemie viele Menschen arbeitslos machte, und schon wenige Dollars – wie auch digitale Token – reichen in diesen Ländern weit. Vor allem, wenn ihr Wert noch steigt.

Es ist unmöglich, genau zu sagen, wie viele Menschen spielen, um Geld zu verdienen. Aber alle Anzeichen deuten darauf hin, dass dies laufend zunimmt. Im März 2020 waren laut DappRadar, einem Unternehmen, das Daten zu Blockchain-basierenden Finanzplätzen (sogenannte Decentralized Finance oder DeFi) sammelt, etwa 51’000 täglich aktive Wallets mit spielbezogenen Verträgen im Blockchain-Ökosystem verbunden. Drei Monate später war diese Zahl bereits auf 359’284 gestiegen – eine Zunahme von knapp 600 Prozent.

Spiele wie Axie zeigen, warum Tech-Titanen sich zu diesem Konzept hingezogen fühlen: Das Metaversum und seine Möglichkeiten haben das Potenzial, nicht nur die Art und Weise, wie wir arbeiten, Geld verdienen und wieder ausgeben zu verändern, sondern auch die grundlegende Art und Weise, wie wir leben, planen und unser Leben gestalten. Im Wesentlichen stellen sie die Funktionsweise des Kapitalismus auf den Kopf.

Axie verkörpert eine neue Generation an Spielen, bei der die Entwickler nicht aus Angst handeln, sondern in einer offenen, freien Marktwirtschaft. «Was dies für die Zukunft der Spiele und des Internets bedeutet, ist so umfassend, wie es unsere Vorstellungskraft erlaubt», sagt Arianna Simpson, General Partner bei der Venture Capital Firma Andreessen Horowitz, die in Sky Mavis investiert ist – das vietnamesische Studio, das Axie entwickelt hat.

Im dritten Quartal erreichte das gesamte Web3- und NFT-Fundraising 1,8 Milliarden Dollar, bei einem gesamten Fundraising von 8,2 Milliarden Dollar, wie Grayscale berichtete.

Kaufen, Mieten, Verkaufen, um zu Verdienen

Eines der ersten Unternehmen im digitalen Immobiliengeschäft ist die Metaverse Group, die eine virtuelle Welt namens Decentraland betreibt. Kürzlich gab die Muttergesellschaft der Metaverse Group, Token.com, bekannt, dass ein «116-Parzellen-Anwesen im Herzen des Fashion Street Distrikts in Decentraland» für umgerechnet 2,5 Millionen Dollar verkauft wurde. Der neue Eigentümer dieses Grundstücks in der Nähe der Fashion Street könnte vermutlich davon profitieren, wenn Louis Vuitton dort ein Geschäft eröffnen würde.

Bei diesem Dezentraland-Geschäft ging es nicht um «echtes» Geld – das digitale Anwesen wurde für 618’000 MANA verkauft, eine Kryptowährung, die in Dezentraland verwendet wird.

«Stellen Sie sich vor, Sie kämen nochmals nach New York, als es dort vor allem Ackerland gab, und Sie hätten die Möglichkeit, einen Block in SoHo zu erwerben», sagte Michael Gord, Mitbegründer der Metaverse Group, kürzlich der «New York Times». «Wenn heute jemand ein Grundstück in SoHo kaufen will, ist es unbezahlbar, es ist nicht auf dem Markt. Die gleiche Erfahrung wird im Metaversum gemacht werden», so Gord weiter.

Virtueller Immobilienboom

In diesem Metaverse loggen sich die Menschen ein, um Spiele zu spielen, MANA zu verdienen, NFTs wie virtuelles Land und Sammlerstücke zu kaufen und über die Steuerung der Wirtschaft abzustimmen. Was den Metaverse-Immobilienboom jedoch noch verlockender macht, ist die Vorstellung, dass man, sobald man ein Stück digitales Land besitzt, in der Lage sein könnte, damit Geld zu verdienen, indem man es verpachtet oder Werbung darauf verkauft. Bei Verträgen auf der Basis von Blockchain-Technologie (sogenannte Smart Contracts), spielen sogar Hypotheken eine Rolle.

Zusätzlich zu Decentraland können Sie jetzt auch digitales Land in Metaversen mit Namen wie Somnium Space, Sandbox und Upland kaufen. Unlängst wurden laut DappRadar für mehrere 100 Millionen Dollar Metaverse-Land als NFTs in Metaverses einschliesslich der Sandbox (SAND), Decentraland (MANA), CryptoVoxels und Somnium Space verkauft.

Ein Unternehmen namens Spotselfie, das derzeit eine Augmented-Reality-App betreibt, wird es bald ermöglichen, virtuelle Immobilien zu kaufen, die mit GPS-Koordinaten in der realen Welt durch eine neue Funktion namens Spotland verbunden sind. Die Idee ist dabei, dass man mit den von Spotselfie ausgegebenen Token die Rechte an einem Radius um eine GPS-Koordinate kaufen kann, und dann, wenn Spotselfie beschliesst, an diesem Ort Anzeigen zu verkaufen, einen Anteil erhält.

Wenn die Mixed-Reality-Brille kommt

Der grosse Unterschied ist, dass das Metaverse von Spotselfie für Augmented Reality und nicht für Virtual Reality konzipiert ist. Um das Metaversum zu sehen, richtet man einfach die Kamera eines Handys auf den realen Ort, und die Spotland-Software überlagert eine digitale Welt auf den Bildschirm – mit Werbung und allem Drum und Dran.

Wenn sich die Mixed-Reality-Brille durchsetzt – einige Analysten gehen davon aus, dass Apple 2022 eine entsprechende Version auf den Markt bringen wird –, könnte sich die Menschheit in einer überwältigenden Kollision von realer und digitaler Welt bewegen. Allerdings bleibt unklar, wem dieser Raum gehören wird. Der Mitbegründer von Spotselfie, Ray Shingler, hofft, dass seine Technologie etwas von dem demokratischen Geist des Web 1.0 in das entstehende Metaversum einbringen wird, indem er den Nutzern die Möglichkeit bietet, jetzt zu kaufen.

«Ich versuche, einen Weg zu finden», so Shingler gegenüber Recode, «bei dem die Nutzer tatsächlich etwas davon haben, dass sie in der App sind, und das Metaversum tatsächlich kontrollieren. Denn wenn man es nicht früh genug kontrolliert, wird es an Facebook verloren gehen...», sagt Shingler.

Wem gehört das Metaversum?

Im Prinzip unterscheidet sich das Metaverse-Konzept nicht so sehr von den Anfängen des Internets. Ab den späten 1980er-Jahren ermöglichte eine gemeinsame Programmiersprache für das Web (HTML) die Erstellung von Websites, auf denen Inhalte gehostet oder Dienste für Benutzer angeboten wurden, und schliesslich, als die Websites genügend Benutzer anzogen, konnten die Website-Besitzer Anzeigen verkaufen oder Gebühren erheben, um damit Geld zu verdienen. Der grosse Unterschied besteht natürlich darin, dass das Web kostenlos ist, während das Metaverse dazu bestimmt ist, im Besitz grosser Unternehmen zu sein.

Derzeit wird an einer neuen Version des Internets gearbeitet, was massive Auswirkungen auf die Gesellschaft haben wird. Wir werden vor neuen Herausforderungen stehen, aber auch vor neuen Möglichkeiten. Diese neue Ära des Metaversums wird eine unglaubliche Kreativität freisetzen und neue Grenzen und Horizonte für Marken, Unternehmen und Menschen eröffnen – und viele Fragen stellen, die es zu beantworten gilt: Wer kontrolliert das Metaversum, und sind wir in der Lage, es zu demokratisieren, um ein besseres Leben zu führen?

Elon Musk hat dieses Bild getwittert, nachdem Marc Zuckerberg die neuen Updates von Facebook angekündigt hatte, die jetzt META heissen.

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«Ich denke, wir werden es bald herausfinden. Wir treffen uns in zehn Jahren im Online-Raum und feiern eine grosse Cyber-Party. Wir sehen uns dann. #elljoworld», schrieb Musk darunter.

Die Frage ist bloss, wie bereiten wir uns vor, und wo wollen wir leben?


Die schweizerisch-deutsche Doppelbürgerin und Juristin Martha Boeckenfeld übernahm im November 2019 die Leitung des damals neu gegründeten Geschäftsbereichs Digital Platforms & Marketplaces bei der UBS Schweiz. Mittlerweile wirkt sie für die Grossbank in einer anderen Rolle, nämlich als Senior Advisor Digital Platforms & Ecosystems. Sie promovierte in Münster und war danach in leitenden Funktionen bei der zum damaligen Zeitpunkt zur Credit Suisse gehörenden Winterthur-Gruppe tätig. Zudem war sie als Executive im Verwaltungsrat der Gruppe. Sie zeichnet sich aus durch ihre mehr als 20-jährige Erfahrung in Führungspositionen im Bereich Financial Services, zuletzt als Finanzchefin der BHF Kleinwort Benson Group sowie als CEO der Kleinwort Benson Bank.

  • Dieser Beitrag ist erstmals auf dem Linkedin-Account von Martha Boeckenfeld erschienen.