Wie Stiftungen mehr Kapital mobilisieren


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Die Schweiz ist ein Land der Philanthropen. Zwei Drittel aller Haushalte spenden regelmässig und mit über 2,3 Milliarden Franken pro Jahr auch fast viermal mehr pro Kopf als unsere Nachbarn. Förderstiftungen in der Schweiz vergeben geschätzt 6 Milliarden Franken pro Jahr; es gibt mittlerweile fast 14'000 gemeinnützige Stiftungen in der Schweiz. 

«Wir erleben eine der spannendsten Novellen der Förderpraxis der letzten Jahre.»

In einer sich rasch verändernden Weltlage mit grossen Umwälzungen und Budgetkürzungen, stellt sich trotz dieser beeindruckenden Zahlen die Frage, wie Stiftungen ihren Beitrag zum Gemeinwohl weiter stärken können. 

Neue Wege in der philanthropischen Förderung

Auf der strategischen Ebene setzen Stiftungen bereits evidenzbasierte und partizipative Fördermethoden ein, um philanthropische Mittel dorthin zu lenken, wo sie ihre grösste Wirkung entfalten können. 

Letztendlich geht es aber darum, wie ausserdem mehr Kapital zur Verfügung gestellt werden kann. Hier erleben wir derzeit wahrscheinlich eine der spannendsten Novellen der Förderpraxis der letzten Jahre: den Einsatz unternehmerischer Fördermethoden und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Stiftungen, die unternehmerisch fördern wollen.

«Ein wegweisendes Beispiel ist der weltweit erste «Humanitarian Impact Bond» des IKRK.»

Als die Steuerverwaltung des Kantons Zürich im Februar 2024 neue Leitlinien veröffentlichte, wie gemeinnützige Stiftungen neben klassischen Förderbeiträgen auch andere Finanzinstrumente einsetzen können, um ihre soziale Wirkung zu steigern, ohne ihre Steuerbefreiung zu verlieren, löste dies eine breite Diskussion aus. Warum sollte eine gemeinnützige Stiftung beispielsweise einem gemeinnützigen Begünstigten nicht ein Betriebsmitteldarlehen zu einem unter dem Markt liegenden Zinssatz gewähren, um dessen Liquidität für die Durchführung seiner Aktivitäten zu verbessern? Oder eine Eigenkapitalbeteiligung an einem gewinnorientierten Sozialunternehmen eingehen? 

Das Beispiel des Humanitarian Impact Bond des IKRK

Innovative Finanzierung und Impact Investment sind längst Praxis vieler Förderstiftungen. Ein wegweisendes Beispiel ist der weltweit erste «Humanitarian Impact Bond», den das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) gemeinsam mit Partnern entwickelt hat. Dieses neuartige Modell der ergebnisabhängigen, wirkungsorientierten Finanzierung mobilisierte 26 Millionen  Franken privates Kapital, um in Nigeria, Mali und der Demokratischen Republik Kongo drei Rehabilitationszentren aufzubauen. Damit erhalten tausende Menschen mit Behinderungen Zugang zu lebenswichtigen Diensten.

Die Struktur funktioniert nach dem Prinzip Payment by Results: Zunächst stellen private Impact-Investoren – unter anderem von Lombard Odier identifiziert – die Mittel bereit. Nach fünf Jahren zahlen Regierungen und Stiftungen als sogenannte «Outcome Funders» den Investoren je nach nachweisbarer Effizienz der Zentren ihr Kapital teilweise, vollständig oder mit Rendite zurück. Es handelt sich also um ein Impact Investment, das finanzielle Rendite an die Erreichung von Gesundheitszielen koppelt. 

Abgrenzung, Vorbilder und Kriterien

Neu ist jetzt, dass derartige Ansätze auch zur Dynamisierung der Vergabepraxis eingesetzt werden. Um das Potenzial ausschöpfen zu können, ist es entscheidend, genau zu verstehen, was unternehmerische Fördermodelle sind und wie sie eingesetzt werden können, ohne die Steuerbefreiung der gemeinnützigen Stiftung zu gefährden. 

Dabei ist es wichtig, unternehmerische Förderung klar von Impact-Investments zu unterscheiden. Letztere werden vom Global Impact Investment Network (GIIN) seit 2007 als Investitionen definiert, die neben einer finanziellen Rendite auch messbare soziale oder ökologische Wirkungen erzielen. Demgegenüber schafft die neue Verankerung des Begriffs «unternehmerische Fördermodelle» in den Steuerrichtlinien Klarheit: Finanzinstrumente können entweder als Investition im Stiftungsvermögen oder als Kapitalverteilung an Begünstigte zur Erfüllung des gemeinnützigen Auftrags gelten.

«Das Zürcher Steueramt hat einen wichtigen Impuls gesetzt.»

Des Weiteren lässt sich unternehmerische Förderung, die viele Instrumente umfasst, von Impact-Investments am besten durch drei Tests abgrenzen: Sie muss im öffentlichen Interesse liegen und die Mission der Stiftung fördern, sie darf nicht auch unter rein kommerziellen Bedingungen erfolgen, und sie sollte Kapital mobilisieren, statt es zu verdrängen. 

Die soziale Wirkung steigern: die nächsten Meilensteine

Das Zürcher Steueramt hat einen wichtigen Impuls gesetzt, um die soziale Wirkung von Schweizer Stiftungen weiter zu stärken. Nun gilt es, durch geeignete Rahmenbedingungen und den Austausch bewährter Praktiken sicherzustellen, dass sich ein neuer Standard etablieren kann, bei dem innovative Finanzierungsansätze systematisch eingesetzt werden – wann immer sie zur Erfüllung eines Stiftungszwecks beitragen können.


Maximilian Martin, Global Head of Philanthropy der Lombard Odier Group und Vorstandsmitglied von SwissFoundations.


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