Die Trends in der Schweizer Bankenbranche werden massgeblich von der Wall Street beeinflusst. Die Nationalität sei im Banking immer weniger wichtig bei der CEO-Suche, sagt Gary Goldstein zu finews.ch, Headhunter und intimer Kenner des New Yorker Finanz-Mekkas.

Die Credit Suisse (CS) hat ihr Management zuletzt auch mit Personal von irischen und amerikanischen Konkurrenten aufgefrischt. Doch die wichtigsten Posten bei der angeschlagenen Grossbank sind nach wie vor in Schweizer Hand: Das Institut wird präsidiert von Axel Lehmann, der wiederum seine schützende Hand über den glücklosen CEO Thomas Gottstein hält. Diese Schweizer Doppelspitze mag im Heimmarkt beruhigend wirkend – in der Aussensicht nimmt sie sich aber eher als Ausnahme aus.

Interessant ist hierzu die globale Perspektive von Gary Goldstein, Mitbegründer und Gruppen-CEO von Whitney Partners, einem führenden Executive-Search-Unternehmen an der New Yorker Wall Street. Der intime Kenner des US-Mekka der Finanzwelt arbeitet seit Jahren eng mit der Zürcher Partnerfirma Schulthess Zimmermann & Jauch zusammen – und das nicht ohne Grund. «Wenn wir heute mit Kunden sprechen, müssen wir ihnen zeigen, dass wir in der Lage sind, weltweit zu rekrutieren», sagt Goldstein im Gespräch mit finews.ch.

Spiel mit den Faktoren

Aus seiner Sicht haben sich die Eintrittshürden zu den einzelnen Finanzplätzen und -Unternehmen abgeflacht. Sprachkenntnisse und kulturelles Verständnis seien zwar weiter wichtige Kriterien, die Nationalität hingegen immer weniger ausschlaggebend bei der Suche nach dem passenden Kandidaten für eine Führungsrolle.

«Unternehmen können auf eine bestimmte Region fokussieren oder auf die Erfahrung in einem Geschäftsbereich, aber auch auf Knowhow im Umgang mit der Transformation von Geschäftsmodellen und der Digitalisierung», gibt Goldstein zu bedenken. Wenn die Suchliste um diese Faktoren ergänzt würde, dann finde sich darauf plötzlich jemand, der vorher nicht infrage gekommen sei. «Wenn jemand heute einen neuen CEO sucht, lohnt es sich, den Pool zu erweitern.»

Beunruhigende Beobachtungen

Doch die Frage stellt sich, wie gut dieses Kandidaten-Becken in weiterer Zukunft überhaupt gefüllt sein wird. Wie in den meisten Bereichen des Finanzwesens werden auch die Trends im «War for Talent» zuerst an der Wall Street getestet. Was Goldstein dort im Nachgang zur Pandemie-Phase der letzten zwei Jahre beobachtet, ist beunruhigend für die Personalverantwortlichen der Branche.

Die «Kids», wie der Headhunter sie nennt, die während der Pandemie neu angefangen haben, haben nichts von der Unternehmenskultur im Banking mitbekommen – stattdessen arbeiteten sie vom Keller des Elternhauses aus oder von einem winzigen Apartment in der Stadt, dass sie sich noch mit fünf anderen Personen teilten. Gleichzeitig sei das Geschäft dank Videochats und Internet nochmals viel schneller geworden. Mit dem Nachhol-Effekt insbesondere im Investmentbanking seien die Jungbanker unter 120-Stunden-Wochen regelrecht begraben worden, wie es Goldstein ausdrückt.

«Die letzten paar Jahre waren extrem hart für die Jungbanker»

«Die letzten paar Jahre waren extrem hart für die Jungbanker», resümiert der Executive Searcher, und das habe Folgen gezeitigt. Bereits drei Monate nach Arbeitseintritt hätten viele Anfänger das Handtuch geworfen und gekündigt. «Es gab einen richtigen Rush hinaus aus den Investmentbanken, Hedgefonds und Private-Equity-Firmen», weiss Goldstein zu berichten. Die «Juniors» seien dabei schwieriger zu ersetzen, als anzunehmen sei. Gerade habe man begonnen, sie auszubilden, und musste dann schon wieder auf die Suche gehen – das sei nicht nachhaltig, urteilt der Wall-Street-Kenner.

Entsprechend versuchten auch die Schweizer Grossbanken, ihre Jungtalente mit Sondervergütungen bei der Stange zu halten – die CS offerierte dazu sogar einen «Lifestyle-Bonus» von 10’000 Dollar.

Bei Kanzleien und Prüffirmen wildern

Doch das vermag offensichtlich nicht alle zu überzeugen. Inzwischen müssten die US-Banken bei Kanzleien und Auditfirmen wildern, berichtet Goldstein. Derweil habe die Qualität der Arbeit abgenommen, wie bei den Instituten zu hören sei. «Man kann diese Art von Ausbildung nicht in einige wenige Monate zwängen», sagt er.

Nicht von ungefähr orderten nun Wall-Street-Grössen wie J.P.-Morgan-CEO Jamie Dimon alle Mitarbeitende in die Büros zurück. Die Arbeit dort möge zwar weiterhin hart sein. Aber wenigstens sei da nun die Kameraderie unter ihresgleichen, welche für die Jungbanker den Einsatz lohnt. Sinnigerweise geht Goldstein davon aus, dass trotz den Erfahrungen mit der Fernarbeit in der Pandemie künftig nur langjährige Kader frei bestimmen dürften, wo und wie sie arbeiteten.

An exorbitante Löhne gewöhnt

Und noch an etwas anderes dürfen sich die Wall-Street-Banker nicht gewöhnen: An die exorbitanten Löhne des vergangenen Jahres. «Ich denke, zum Jahresende werden die Löhne zu reden geben», sagt der Headhunter. «Die Leute haben für 2021 ein Mehrfaches dessen verdient, was sie sich gewohnt waren», erklärt Goldstein. «Nun glaube ich, dass die Banken wieder zu normaleren Lohnniveaus zurückkehren möchten.»

Das dürfte sich auch bei den hiesigen Grossbanken UBS und CS auswirken, vergleichen sich diese bei ihren Lohnprogrammen doch oftmals mit US-Banken. «Per Definitionen werden die Schweizer Institute diesen Trend importieren, wenn sie amerikanische Häuser als Peers gesetzt haben», erklärt Goldstein.


Mitarbeit: Marco Babic / Samuel Gerber