Tim Schymik zum Immobilienmarkt: «UBS tritt Erbe der Credit Suisse nicht an»

Grosse Immobilienentwicklungen in der Schweiz kämpfen zunehmend mit einem strukturellen Finanzierungsengpass. Während die Nachfrage nach Wohnraum steigt und die Leerstände historisch tief sind, ziehen sich Banken aufgrund regulatorischer Vorgaben, höherer Eigenkapitalanforderungen und des Wegfalls der Credit Suisse spürbar aus dem Markt zurück. Viele Projekte scheitern nicht an ihrer Qualität, sondern am fehlenden Kapital.

In dieser Lücke positioniert sich Tim Schymik, Fondsmanager bei PMG Investment Solutions. Nach langjähriger Tätigkeit in der institutionellen Immobilienfinanzierung – darunter bei HFS, Persikop Capital und der Signa-Gruppe – möchte er mit seinem neuen Fonds genau diese Finanzierungslücke im erstrangigen Bereich schliessen.

Im Interview erklärt Schymik, warum Banken heute zurückhaltender sind, weshalb Pensionskassen nur bedingt helfen können und welche Chancen sich für institutionelle Investoren ergeben, die bereit sind, in die entstehende Kreditlücke vorzurücken. Und er blickt zurück auf seine Zeit an der Seite von René Benko.


Herr Schymik, wie sieht das Marktumfeld für die Finanzierung grösserer Immobilienprojekte derzeit aus?

Man muss zuerst einen Schritt zurücktreten. Manche neigen dazu, die ganze Immobilienbranche über einen Kamm zu scheren – als hätten Wohnen, Office, Logistik und Hotellerie dieselben Finanzierungsanforderungen beziehungsweise Bedingungen.

Wir sprechen hier allein über gewerbliche Immobilienentwicklungen im Wohnbereich.

Richtig, allenfalls mit etwas Office-Beimischung. Aber es sind Projekte, die über Jahre geplant und gebaut werden, bevor allenfalls die private «Häusle»-Hypothek als Ablösung kommt. In diesem Segment hat sich der Markt für Finanzierungen in den letzten zwei Jahren vollständig gedreht. Für Immobilienkunden ist es komplex geworden, attraktive Bankenfinanzierungen zu finden.

Viele Immobilienentwickler klagen über erschwerte Bedingungen, obwohl die Zinsen wieder sehr tief sind.

Inzwischen sind wir wieder bei nahezu null Prozent, was grundsätzlich positiv wäre. Doch die Zinsfrage ist nur die Oberfläche. Viel entscheidender sind die regulatorischen Eingriffe. Der antizyklische Kapitalpuffer wurde 2022 wieder aktiviert, was für Banken schlicht bedeutet: mehr Eigenkapital. Gleichzeitig trat Anfang 2025 die neue Eigenkapitalrichtlinie im Zuge der Regelwerke Basel III/IV in Kraft.

«Die Schweiz bräuchte rund 50'000 neue Wohnungen pro Jahr, aber es entstehen nur etwa 40'000.»

Und genau dies trifft Projektentwicklungen mit voller Wucht, weil Entwicklungsfinanzierungen im Rating und im Risikogewicht wesentlich höher eingestuft werden. Je weiter man sich von der fertigen Immobilie entfernt, desto teurer wird es für Banken. Projektentwicklungen sind im heutigen Regime ein teurer Teil des Hypothekenbuchs. Und die Finanzmarktaufsicht (Finma) sowie die Nationalbank kommunizieren ja offen, dass sie die Daumenschrauben weiter anziehen wollen.

Und dann ist auch noch die Credit Suisse verschwunden…

Die Credit Suisse war in den letzten Jahren die Bank für Projektentwicklungen. Sie hat grossvolumig finanziert und auch einmal Mut gezeigt, wo andere zögerten.

Die UBS ist nicht daran interessiert, dieses Erbe anzutreten?

Heute sieht man an den Zahlen der UBS, dass sie dieses Erbe nicht weiterführt. Sie baut ihr Kreditbuch nachweislich ab und kann sich die besten Dossiers herauspicken. Das erzeugt eine Lücke, die niemand so einfach schliessen kann.

Die Banken sind also insgesamt klar zurückhaltender geworden?

Ja, eindeutig.

«Wir schliessen genau die Lücke, welche die Banken durch die Regulierung nicht mehr bedienen wollen.»

Können Pensionskassen diese Lücke schliessen?

Kurzfristig: nein. Rund 90 bis 95 Prozent aller Finanzierungen stammen weiterhin aus dem klassischen Bankensektor. Versicherungen und Pensionskassen sind traditionell bei langfristigen Bestandsfinanzierungen aktiv, aber nicht bei Projektentwicklungen. Einzelne Pensionskassen steigen inzwischen früher ein – aber nicht, um Bank zu spielen, sondern weil sie die fertige Immobilie später halten wollen. Das löst das Problem nicht.

Und die grossen Auslandsbanken? Im Bereich der Firmenkredite rüsten diese ja gewaltig auf.

Für sie ist der Markt bei der Finanzierung von Projektentwicklungen zu komplex und zu margenschwach. Die Schweiz funktioniert nicht nach einheitlichen Regeln; sie ist fragmentiert und sehr kleinräumig reguliert. Zürich, Zug, Genf, Basel – jede Region hat ihre eigenen Spielregeln. Für internationale Banken ist das schwer skalierbar. Dazu kommt die eigene Währung. Für eine Bank, die in Dollar rechnet, ist es erst recht nicht sinnvoll.

Gäbe es denn genügend Projekte – oder ist auch die Pipeline dünner geworden?

Die Pipeline ist da. Und sie ist gut. Wir sehen Projekte mit soliden Vorvermietungsquoten, guten Vorverkäufen und attraktiven Lagen. Gute Lagen funktionieren immer, auch in schwierigeren Marktphasen. Die eigentlichen Herausforderungen liegen woanders: im Baurecht, in Einsprachen, in Verzögerungen und natürlich in der Finanzierung. Parallel dazu sinkt die Baukapazität.

Was heisst Baukapazität?

Die Hochbauleistung, die man mit dem vorhandenen Maschinenpark und Personal bauen könnte. Der Baumeisterverband hat kommuniziert, dass hier 2024 ein Rückgang stattfand und auch 2025 keine Besserung absehbar ist. Die Schweiz bräuchte rund 50'000 neue Wohnungen pro Jahr, aber es entstehen nur etwa 40'000. Die Leerstandsquote liegt bei 1 Prozent – rund 3 Prozent wären normalerweise optimal, um Wechsel und Fluktuation zu ermöglichen.

«Projektentwicklungen sind im heutigen Eigenkapitalregime ein teurer Teil des Hypothekenbuchs.»

Was macht den Schweizer Immobilienmarkt besonders?

Dass er insgesamt sehr gesund ist. Die konservativen Hypothekenregeln mit 20 Prozent Eigenmitteln und einem kalkulatorischen Zins von 5 Prozent verhindern Fremdkapitalexzesse. In Deutschland sah man häufig 100- oder 120-Prozent-Finanzierungen bei privaten und gewerblichen Projekten – das gibt es hier nicht. Ein weiterer Aspekt sind die Preissteigerungen infolge der hohen Nachfrage. Aber das muss man differenziert betrachten. Man darf den Blick nicht nur nach Zürich richten. Eine Wohnung in günstigeren Lagen der Schweiz kostet beispielsweise 6'000 bis 7'000 Franken pro Quadratmeter – in Zürich ein Vielfaches, bis zu 30'000 Franken.

Zusammengefasst: Wie sieht das Bild aus?

Die Nachfrage nach Wohnraum ist riesig, die Projekte wären da, aber das Kapital fehlt. Der Markt ist dadurch in einer paradoxen Situation.

Was passiert, wenn die Finanzierungslücke nicht geschlossen wird?

Dann steigt der politische Druck. Wir sehen jetzt schon politische Vorhaben, die stärker in den Mietmarkt eingreifen wollen. Doch alle internationalen Vergleiche zeigen, dass Preisregulierungen das Problem nicht lösen. Im Gegenteil: Städte wie Paris oder Berlin zeigen, wie ungesund es ist, wenn man zu stark eingreift und gleichzeitig zu wenig gebaut wird. Dann wandern viele Menschen aus den Zentren ab, Durchmischung geht verloren, soziale Spannungen entstehen. Die Schweiz steuert auf diese Situation zu.

Wo setzt die Grundidee Ihres neuen Fonds in dieser Situation an?

Wir schliessen genau die Lücke, die die Banken durch die Regulierung nicht mehr bedienen wollen. Unser Fonds finanziert ausschliesslich mit erstrangiger Besicherung beziehungsweise im Seniorbereich…

… das bedeutet?

Im Kern setzt sich jede Finanzierung aus drei Komponenten zusammen: dem erstrangigen Bankkredit, dem nachrangigen Kapital – oft Mezzanine – und dem Eigenkapital. Die Rangfolge entscheidet über Risiko und Ertrag. Wer im Nachrang steht, trägt das Risiko bis zum Totalausfall. Und wer im Erstrang steht, hat die höchste Sicherheit, aber in der Regel auch die geringste Verzinsung. Wenn Banken künftig bei 60 bis 65 Prozent Loan-to-Value deckeln, braucht ein Entwickler enorm viel Eigenkapital. Unser Angebot orientiert sich an früher existierenden Finanzierungsstrukturen. Wir bieten einen höheren «Senior Loan» an, ohne in die Nachrangstruktur zu rutschen. Damit entstehen Projekte, die sonst vielleicht mangels ausreichender Kapitalstruktur gar nicht gebaut würden.

«Wir sind praktisch voll ausplatziert und sammeln jetzt weiteres Kapital ein.»

Welches Volumen streben Sie an?

Kurzfristig 100 bis 150 Millionen. Mittelfristig sehen wir Potenzial für 500 Millionen und mehr. Der Markt dafür ist klar vorhanden.

Mit welchen Renditen rechnen Sie?

Wir liegen etwa 300 bis 350 Basispunkte über einer klassischen Bankfinanzierung. Für Investoren bedeutet das ungefähr 4  Prozent Rendite – abhängig vom jeweiligen Projektrisiko. Unser Angebot orientiert sich am Risikoprofil; bei sehr konservativen Finanzierungen mit tiefer Belehnung ist der Zins entsprechend geringer.

Welche Anleger sprechen Sie an?

Professionelle Investoren: Pensionskassen, Anlagestiftungen, Family Offices, Banken, Private-Markets-Player. Dafür haben wir bewusst einen L-QIF gewählt. Privatanleger bedienen wir nicht.

Hat der Fonds bereits in Projekte investiert?

Ja. Das erste Kapital wurde sofort abgerufen und investiert. Wir sind praktisch voll ausplatziert und sammeln jetzt weiteres Kapital ein.

Als Fondsmanager verantworten Sie die Investitionsentscheidungen. Worin liegt darin Ihr persönlicher Mehrwert?

Da fragen Sie lieber andere… Aber ich habe früh grosse Finanzierungen verantwortet und dadurch zahlreiche Erfahrungen gesammelt. Und ich habe erlebt, worauf es ankommt, wenn Projekte schieflaufen. Da geraten Akteure rasch unter Totaldruck, weil es um hohe Summen geht. Diese Erfahrung, gepaart mit der Fähigkeit, Menschen zu verstehen, hilft enorm, Lösungen zu finden. Am Ende geht es immer darum, gemeinsam weiterzukommen und ein Projekt erfolgreich zu Ende zu bringen.

Sie waren einige Jahre für die Signa-Gruppe tätig. Was ist dort nach Ihrer Einschätzung schiefgelaufen?

Man muss fair bleiben – meine Zeit ist mittlerweile über zehn Jahre her: Die Signa hatte zu Beginn herausragende Entwicklungsprojekte. In Österreich wurden Lagen und Quartiere geschaffen, die heute noch beispielhaft sind. René Benko hat mit Dachgeschossbauten begonnen und sich dann zu grossen Projektentwicklungen hochgearbeitet. Aber das Wachstum wurde vielleicht irgendwann zu schnell. Gleichzeitig hat die Signa eine zweite Säule aufgebaut, den Retailbereich mit Karstadt, Kaufhof und weiteren. Dieser Bereich ist kapitalintensiv, zyklisch und nach Corona extrem unter Druck geraten.

«Irgendwie ist es auch ein skurriles Business, weil viel Geld da ist – und wo viel Geld da ist, sind auch viele ‹komische› Ideen.»

Zudem ist in Deutschland der gesamte Immobilienmarkt eingebrochen – unabhängig von Signa. Soweit ich das aus der Entfernung beurteilen kann, ist der Elbtower in Hamburg ein gutes Beispiel für diese kapitalintensive Entwicklung. Ein solches Milliardenvorhaben ohne Bankfinanzierung zu starten – das wäre nach meinen gelernten Grundsätzen der Immobilienfinanzierung nicht empfehlenswert. Als der Markt kippte, beanspruchte das ganze Konstrukt enorme Liquidität. Allein der Elbtower hat gemäss Medienberichten pro Monat 20 bis 30 Millionen Euro benötigt. Der Hochbau war ohne geschlossene Finanzierung bereits angestossen gewesen – und das ist ja nur ein Projekt von vielen…

Immobilienseitig war vieles hochwertig?

Ich persönlich finde viele Entwicklungen sehr gelungen und als klare Aufwertung der jeweiligen Lagen. Zudem befinden sich viele Objekte an einmaligen Lagen, wie zum Beispiel das Kaufhaus des Westens in Berlin, der Globus an der Zürcher Bahnhofstrasse oder zahlreiche Wiener Projekte. Das sind bleibende Werte.

Trotzdem, das Ende war unschön.

Ja. Ich sehe es mit zwei Augen, weil ich die Company sehr gut kannte und auch die handelnden Personen natürlich kenne. Ich weiss, wie viel Arbeit und Zeit dort investiert worden ist. Da wurde einem zu meiner Zeit nichts geschenkt. Aus heutiger Sicht muss man aber sagen, dass es irgendwann anders gelaufen ist.

War das Problem effektiv ausschliesslich bei der Person René Benko konzentriert?

Ich stelle die Frage gerne anders: Wenn man ein Unternehmen mit mehreren Milliarden Volumen ist und zahlreiche Projektentwicklungen mit täglichen Entscheidungen in mehreren Ländern hat – kann es dann wirklich sein, dass nur eine Person alles entschieden hat?

Was fasziniert Sie persönlich an Immobilien?

Dass man sieht, was man geschaffen hat. Es ist ein People-Business mit Emotion, Verantwortung und manchmal auch überraschenden Wendungen. Ich bin seit fast 25 Jahren dabei, in verschiedenen Ländern und Positionen, und es gibt bis heute kein Projekt, das wie ein anderes ist. Die Vielschichtigkeit und die Tatsache, dass man am Ende ein Gebäude vor sich stehen hat, machen diesen Bereich einzigartig. Irgendwie ist es auch ein skurriles Business, weil viel Geld da ist – und wo viel Geld da ist, sind auch viele «komische» Ideen. Das ist dann die Kehrseite. Am schönsten ist klar: Man sieht, was man begleitet hat.


Tim Schymik ist seit Juli 2025 Fondsmanager bei PMG Investment Solutions in Zug. Zuvor war er CEO bei Persikop Capital, wo er von Oktober 2020 bis März 2025 für Senior-Debt- und Mezzanine-Finanzierungen im DACH-Raum verantwortlich war. Seine Laufbahn im Schweizer Immobilienfinanzierungsmarkt begann 2015 bei HFS Helvetic Financial Services, wo er fünf Jahre lang als COO tätig war. Davor arbeitete er insgesamt knapp drei Jahre für die Signa-Gruppe: von September 2012 bis Mai 2014 als Associate Director bei der Signa Financial Services in Zürich und von Juni 2014 bis Mai 2015 als Executive Assistant to the CEO/Founder. Weitere Stationen umfassen Positionen bei der FGH Bank in den Niederlanden und bei der Stadtsparkasse Düsseldorf. Schymik ist ausgebildeter Bankkaufmann, Diplom-Betriebswirt (FH) und Immobilienökonom (IRE|BS).