Das Jahr 2022 neigt sich dem Ende zu. Unzählige Weine hat finews.ch-Weinrdaktor Peter Keller degustiert und genossen. Das sind seine Favoriten aus fünf Ländern, die einen höchst begehrten Platz in seinem Keller einnehmen.

Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. Das wussten schon Altmeister Johann Wolfgang von Goethe, wobei es nicht nachweisbar ist, ob das Bonmot wirklich von ihm stammt – das hinderte indessen Vollblut-Banker Oswald Grübel nicht daran, es im engsten Kreis gerne zum Besten zu geben.

Ein Weinjahr bringt es zwangsläufig mit sich, dass nicht immer alle Degustationen den gleich hohen Standard aufweisen. Trotzdem lassen sich an etlichen Veranstaltungen und mit regelmässigen Restaurant-Besuchen aussergewöhnliche Entdeckungen machen. Manche Weine weisen ein derart hohes Niveau auf, dass sie den Weg in meinen Keller finden.

Fünf Länder – fünf Gründe

Aus der grossen Auswahl der verkosteten Gewächse habe ich fünf Favoriten aus fünf Ländern ausgewählt, die mich in diesem Jahr aus verschiedenen Gründen besonders beeindruckt haben.

1. Der Klassiker: Château Clerc-Milon 2020, Bordeaux

Es ist ein jährliches Ritual, wenn die Union des Grands Crus de Bordeaux im November den neuesten Jahrgang präsentiert. Diesmal war der 2020er an der Reihe, der wiederum ausgezeichnet ausgefallen ist. Zu den herausragenden Weinen gehört Château Clerc-Milon aus dem Pauillac.

Der klassische Bordeaux verspricht in einigen Jahren grosses Kino, wie seine Anlagen beweisen: vielschichtiges Bouquet mit Noten von schwarzen Beeren, würzig-floralen Noten, im Gaumen kräftig, elegant, komplex, mit feinen Gerbstoffen und guter Säure ausgestattet, langanhaltendes Finale.

Clerc-Milon, als 5ème Grand Cru Classé eingestuft, besteht vorwiegend aus Cabernet Sauvignon, ergänzt durch Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot (Preis: 80.50 Franken).

2. Der Elegante: Chianti Classico 2020, Tenuta di Carleone, Toskana

Sangiovese ist die grosse Rebsorte in der Toskana. Leider sind zahlreiche Weine in den letzten Jahren ziemlich schwer, extrakt- und alkoholreich geworden. Das hemmt den Trinkfluss. Nach einem Glas ist man erschlagen.

Einen anderen Stil pflegt der Winzer Sean O’Callaghan auf der Tenuta di Carleone. Seine Rebberge in Radda liegen in höheren Lagen. Das kommt den Weinen zugute. Der elegante, biodynamisch erzeugte Chianti Classico 2020 präsentiert sich denn auch mit einer eher kühlen Aromatik und einer präsenten Säure.

Er ist mittelschwer, gut strukturiert und kommt glücklicherweise ohne störende Holz-Noten aus. Der Chianti Classico wird in Zementtanks ausgebaut (Preis: 21.90 Franken).

3. Der Patriotische: Pinot noir Auvernier 2018, Domaine de la Maison Carrée, Neuenburg

Eines der am schönsten gelegenen Restaurants ist das «Aux Trois Amis» in Schernelz – mit fantastischem Blick auf Bielersee und Alpen. Wer zur Abwechslung nicht einen einheimischen Wein wählt, weicht auf das benachbarte Neuenburg aus.

Dort, genauer gesagt im Dorf Auvernier, liegt die Domaine de la Maison Carrée der Familie Perrochet. Der Vorzeigebetrieb produziert hochstehende, höchst filigrane Weine. Etwa den Pinot noir Auvernier 2018, der selbst in einem heissen Jahr wie diesem nicht schwer oder gar überreif ausfällt.

Das Gewächs ist ausdrucksstark, mittelschwer und elegant. Der Holzeinsatz ist gekonnt und nie überladen. Wenige Güter in der Schweiz produzieren solch exzellente Weine, die sehr begehrt und schnell ausverkauft sind (Preis: 29 Franken).

4. Der Perlende: Blanc de Blancs Brut 2014, Nyetimber, England

Bei Schaumweinen denkt man automatisch an Champagner. Doch der prestigeträchtigen Anbauregion Frankreichs erwächst zusehends Konkurrenz – beispielsweise aus England. Der Süden des Landes profitiert von der Klimaerwärmung und besitzt zudem die gleichen Kalkböden und gleichen Rebsorten wie die Champagne.

Das sind perfekte Voraussetzungen für exzellente Schaumweine. Zur Spitze gehört das Gut Nyetimber. Sein Blanc de Blancs Brut 2014, ausschliesslich aus Chardonnay gekeltert, spielt in einer eigenen Liga: vielschichtiger Duft von weissen Früchten und Brioche-Noten, feine Perlage, trocken, reichhaltig, cremig, frisch, elegant, langes, mineralisch geprägtes Finale (Preis: 89.90 Franken).

5. Der Traditionelle: Rioja Crianza Vina Cubillo 2013, Bodega Lopez de Heredia, Rioja

Modern oder traditionell? Diese Frage stellt sich im bekannten spanischen Anbaugebot Rioja. Traditionell erzeugten Rotweinen hat sich die altehrwürdige Bodega Lopez de Heredia verschrieben.

Ihnen wird eine lange Reifezeit gegönnt. Selbst eine Crianza reift drei Jahre im Holzfass. Die Resultate sind umwerfend, wie der Vina Cubillo 2013 beweist. Seine Merkmale: eher helles Rubinrot, aromatischer Duft, dicht, elegant, mit feinen Tanninen und guter Säure, schöne Länge, jetzt in perfekter Trinkreife.

Der Rioja besteht aus Tempranillo und kleinen Anteilen Garnacha und Mazuelo (Preis: 19.90 Franken).