Indoor-Restaurants sind und bleiben wegen Corona geschlossen – mit Ausnahme der Speiselokale in den Hotels, die aber nur Hausgäste bewirten dürfen. Das beschert Hotels mit herausragender Küche einen Buchungsboom. «Staycation» heisst der letzte Schrei.

Von Artur K. Vogel, freier Mitarbeiter

Claudio Grisch ist erfreut: «Im März sind viermal so viele Mitglieder neu beigetreten wie im gleichen Monat der Vorjahre.» Grisch ist Geschäftsleiter der Firma Hotelcard, deren Kundinnen und Kunden in den Genuss vergünstigter Übernachtungsmöglichkeiten kommen.

Neben verstärkten Werbemassnahmen führt er den Erfolg darauf zurück, dass momentan viele Schweizerinnen und Schweizer ein Hotelzimmer buchen, um wieder einmal in den Genuss einer gediegenen Mahlzeit in einem Restaurant zu kommen. Ein Indiz dafür ist, dass «auffällig viele Buchungen in Unterkünften mit einer renommierten Küche vorgenommen werden», betont Grisch.

Ein Package für 27 Stunden

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Eine Umfrage von finews.ch bei Hoteliers bestätigt diesen Trend, und zwar bei Stadthotels ebenso wie bei Ferien- und Berghotels. Geradezu begeistert ist Martin Reinshagen, General Manager des soeben eröffneten Hotels «Volkshaus» in Basel: Seine Gäste kommen wegen «Genuss, Erholung und Tapetenwechsel», wie er feststellt.

Als ganz neues Hotel auf dem Markt habe das «Volkshaus» natürlich «noch keine Vergleichskennzahlen», sagt Reinshagen. «Wir sind aber sehr zufrieden mit der inländischen Nachfrage.» Für die Wochenenden gibt es im «Volkshaus» ein 27-Stunden-Package mit Champagner-Apéro, Abendessen, Frühstück auf dem Zimmer und Late-Check-Out bis 15 Uhr am Sonntag.

Gediegene Mahlzeit im Wohnmobil

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Auffällig sei auch, dass Hotels an Orten gebucht würden, die sonst in dieser Jahreszeit wenig nachgefragt würden, heisst es bei Hotelcard weiter. Zum Beispiel das altehrwürdige, renovierte, 500-jährige «Weisse Kreuz» (Bild oben) im Städtchen Lyss im Berner Seeland. Das Dreisternehaus bietet nicht nur ein Gourmet-Arrangement für Hotelgäste; alternativ kann man vor dem Haus auch sein Wohnmobil parkieren und darin ein im Hotel zubereitetes, gediegenes Mahl verspeisen.

Weil die ausländische und die Business-Kundschaft auf einen Schlag praktisch ausfiel, sind Stadthotels seit Ausbruch der Pandemie vor mehr als einem Jahr viel härter getroffen worden als Ferien- und Berghotels.

«Sleep & Dine»

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Der neue Modetrend der «Staycation hat seinen Ursprung in Asien, wo viele Menschen in beengten Verhältnissen wohnen und darum gerne ab und zu ausbrechen, kommt nun auch ihnen entgegen. Ferien zu Hause oder in der näheren Umgebung ist mit dem Lockdown nun aber definitiv auch in der Schweiz angekommen.

Jörg Arnold, der die Fünfsternehäuser «Widder» und «Storchen» in Zürich sowie das «Alex Lake Zurich» (Bild unten) in Thalwil am linken Zürichseeufer leitet, schätzt, dass zur Zeit etwa die Hälfte der Gäste wegen des Gourmet-Angebotes in seinen Häusern übernachte. Die Hotels bieten spezielle «Sleep and Dine»-Packages an; «Widder» und «Storchen sind für ihre Spitzenköche Stefan Heilemann und Stefan Jäckel bekannt.

Top-Köche im Einsatz

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Allerdings betont Arnold, dass die drei Häuser trotz dieser Angebote, die vor allem an Wochenenden gebucht werden, «den Einbruch niemals kompensieren können». Denn normalerweise kämen etwa 80 Prozent der Gäste aus dem Ausland. Im Jahr 2020 habe man etwa die Hälfte des Umsatzes von 2019 erzielt. «2021 sind wir bei etwa 50 Prozent im ‘Widder’, beim ‘Alex’ und ‘Storchen’ jedoch deutlich tiefer.»

Weil «der Stadthotellerie weiterhin wichtige Kundensegmente, im speziellen die internationale Kundschaft» fehlen, versucht man bei Hotelcard, Stadthotels besonders aktiv zu bewerben, erklärt Grisch. So sei zum Beispiel in Genf «eine Renaissance bei den Buchungen festzustellen, jedoch immer noch auf tiefem Niveau».

Besser gebucht – auch unter der Woche

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Weniger anfällig auf die Auswirkungen der Pandemie sind Ferienhotels: Sowohl die «Krone» in La Punt im Oberengadin als auch der «Lenkerhof» (Bild oben) an der Lenk im Berner Simmental beispielsweise verzeichnen auch in normalen Zeiten mehr als 90 Prozent Schweizer Gäste. «Jetzt sind es 99,9 Prozent», sagt «Lenkerhof»-Direktor Jan Stiller.

Sein Haus ist momentan «besser gebucht, auch unter der Woche». Das habe, meint Stiller, sicher auch damit zu tun, dass Schweizer momentan nur unter erschwerten Bedingungen ins Ausland reisen können.

Spezifisch an Kulinarik interessiert

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Wie viele Gäste spezifisch wegen des hochstehenden kulinarischen Angebots kommen, kann Stiller nicht sagen. Vielmehr denkt er, dass sein Spa-Resorthotel für die meisten Gäste, von denen ein Grossteil aus den umliegenden Kantonen stammt, «wie eine kleine Insel ist». Man lasse sich hier verwöhnen, geniesse den grosszügigen Spa, die Restaurants und die Natur, die gleich vor der Haustür beginnt.

Trotzdem mache der Lenkerhof bei verschiedenen Angeboten mit, etwa bei der Aktion «Stay for a Meal» von Tourismus Adelboden, Lenk, Kandersteg. Bei der «Krone La Punt» (Bild oben) denkt man, dass etwa die Hälfte der Gäste spezifisch an Kulinarik interessiert sind, macht diesen aber keine speziellen Angebote.

Sich eine Auszeit gönnen

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«Bereits vor der Pandemie wurde unser Hotel gerne von Gästen gebucht, die sich eine Auszeit gönnen wollen», sagt Raphael Herzog, Gastgeber im «Vitznauerhof» (Bild oben). Besonders geschätzt würden die Lage direkt am Ufer des Vierwaldstättersees, der Hotel-Spa und die Kulinarik, «die bei uns sehr gross geschrieben wird». Küchenchef Jeroen Achtien und das Restaurant «Sens» im ehemaligen Bootshaus des «Vitznauerhof» haben im Februar einen zweiten Michelin-Stern erhalten.

An Wochenenden kann der «Vitznauerhof» das Ausbleiben ausländischer Gäste dank starker Nachfrage aus der Schweiz kompensieren. Doch «unter der Woche ist das Geschäft derzeit noch sehr schwierig», bemerkt Herzog, und zwar, «weil keine Seminare und Konferenzen stattfinden. Und viele der für den Frühling gebuchten Hochzeiten werden wieder abgesagt.» Um die Nachfrage anzukurbeln, bietet der «Vitznauerhof» unter der Woche spezielle «Midweek»-Arrangements an.

Neue Klientel kommt

Viel Hotels registrieren dank dem «Staycation»-Trend eine neue Klientel: «Unsere Gäste kommen teils sogar aus der direkten Nachbarschaft zu uns», meint «Volkshaus»-Direktor Reinshagen. Und Herzog vom «Vitznauerhof» sagt: «Neu kommen auch Gäste aus den umliegenden Gemeinden, die bewusst ein Zimmer buchen, um in einem unserer Restaurants essen zu dürfen. Dies ist jedoch nicht die Mehrheit.» Zudem verzeichne man in Vitznau eine verstärkte Nachfrage aus der Westschweiz.