Uhren-Klassiker: Von der Rennstrecke auf den Mond

Von Swiss Watch Advisor

Wer vor Kurzem das Schaufenster des Swatch Store an der Zürcher Bahnhofstrasse etwas genauer betrachtet hat, der konnte nebst dem neusten MoonSwatch-Release Interessantes beobachten: Da haben nämlich Swatch und Omega mehr oder weniger subtil zum Seitenhieb gegenüber Rolex und dem allseits beliebten (und letztens hier diskutierten) Cosmograph Daytona ausgeholt. 

Relativ dominant war zu erkennen, dass die Omega Speedmaster Referenz 105.003 im Jahr 1965 als die einzige «flight-qualified watch for all manned space missions by NASA» deklariert wurde. Mindestens so spannend war aber zu sehen, dass eine gewisse Marke mit fünf Buchstaben und endend mit «X», beziehungsweise ihre Referenz 6238 den damaligen NASA-Test nicht bestanden hatte.

Omega vs. «....X»

Als hätte der schriftliche Hinweis darauf nicht gereicht, hat Swatch auch noch einen unverkäuflichen Bioceramic-Prototypen der «....X» Referenz 6238 ins Schaufenster gestellt, also quasi eine Plastikvariante dieser äusserst begehrten Vintage Rolex Daytona. 

Seitenhieb hin oder her – damit wird das zur Schau gestellt was seit langem bekannt und Fakt ist: Omega's Speedmaster Chronograph war in der Space-Ära der 1960er-Jahre der damaligen Rolex Daytona technisch überlegen. Da half es auch nicht, dass Rolex mit der Worterfindung «Cosmograph» spielerisch die Begriffe «Cosmos» und «Chronograph» kombiniert hatte, um einen Bezug zum Weltraum herzustellen.

Ästhetik, Liebe zum Detail, Geschichte

Etwas später wurde dann ein neuer Verwendungszweck im Rennsport gefunden und das Modell auf den bis heute verwendeten Namen «Cosmograph Daytona» umbenannt. 

Zurück zur Speedmaster: Grundsätzlich können Uhren aus völlig unterschiedlichen Gründen interessant oder relevant sein, zum Beispiel weil sie ganz einfach ästethisch sind, weil sie mit viel Liebe zum Detail gefertigt wurden, oder weil sie eine spezielle Geschichte erzählen.

Im Fall der Omega Speedmaster 105.003 trifft alles gleichermassen zu. 

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Omega Speedmaster 105.003 aus den 1960er-Jahren. (Bild: Omega)

Das einzige Omega-Kaliber, das auf dem Mond war 

Das Offensichtliche zuerst: Durch ihre geraden Bandanstösse und das «Flat Link»-Armband wirkt die Uhr für viele ästhetisch ansprechend und absolut zeitlos.

Auf den ersten Blick nicht ersichtlich – aber genauso relevant – ist das Uhrwerk, welches ursprünglich bereits 1941 von Lemania als «27 Chro C12» entwickelt wurde und, unter anderem mit einem Säulenrad ausgestattet, als «High End»-Chronographen-Kaliber bezeichnet werden kann.

Silver Snoopy Award von der NASA

So fand es ab 1957 als Kaliber 321 nicht nur Einzug in Omega's Speedmaster, sondern wurde auch leicht modifiziert von «Haute Horlogerie»-Marken wie Patek Philippe und Vacheron Constantin verwendet – und das je nach Modell und Ausführung bis vor gerade einmal circa 10 Jahren. 

Ebenso wichtig zu erwähnen ist, dass sämtliche auf dem Mond getragenen Omega Speedmaster-Modelle mit diesem Kaliber ausgestattet wurden und dass es essenziell zur Rettung der Apollo 13-Crew beigetragen hat, weshalb NASA Omega anschliessend für deren ausserordenliche Leistung den Silver Snoopy Award verliehen hat.

Galaktischer Spitzname

Zudem wurde die Referenz 105.003 bereits 1965, während der ersten Extravehicular Activity (EVA) beziehungsweise «Spacewalk» eines US-Astronauten von Edward White getragen, was ihr den Übernamen «Ed White» verschafft hat.  

Als Omega Ende der 1960er-Jahre die Produktion der Speedmaster weiter erhöht hat, wurde das Kaliber 321 mit einem einfacher und industriell produzierbaren Uhrwerk ersetzt. Entsprechend konnte man beim offiziellen Händler lange Zeit keine Speedmaster mit demselben Uhrwerk kaufen, welches von den Apollo-Astronauten auf dem Mond getragen worden war.

2020 hatte das Warten ein Ende und Omega lancierte mit der Speedmaster Calibre 321 in Stahl eine Neuauflage der 105.003, welche sehr nahe am Original liegt.

Keine Kosten und Mühen gescheut

Während der Listenpreis von 14'600 Franken – knapp das Doppelte der Speedmaster Moonwatch Professional – zunächst abschreckend wirken kann, ist dieser durchaus gerechtfertigt. Denn Omega hat für diesen «Reissue» weder Kosten noch Mühen gescheut.

Da die Originalpläne zu wenig genau waren und die von Apollo-17-Astronaut Eugene Cernan auf dem Mond getragene 105.003 als Museumsstück nicht zerlegt werden konnte, hat Omega die Uhr unter anderem einer Computertomographie unterzogen, um diese so originalgetreu wie möglich nachzubauen.

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Links: 2020 lancierte Omega Speedmaster Calibre 321. Rechts: Computertomographie von Eugene «Gene» Cernans Omega-Referenz 105.003. (Bilder: Omega)

In Einzelarbeit gefertigt

Anders als die regulären Speedmaster-Modelle, wird die Speedmaster Calibre 321 in einem eigenen Workshop von einem Uhrmacher in Einzelarbeit zusammengebaut sowie das Uhrwerk von Hand finissiert und kalibriert.

Dieses Herstellungsverfahren ist nicht etwa nur «Marketing Talk» und so handelt es sich bei dem Modell auch nicht um eine der unzähligen, oftmals künstlich verknappten Limited Editions, wie sie von immer mehr Herstellern angeboten werden. Zwar wird die Uhr ohne zeitliche oder absolute Auflagebegrenzung hergestellt.

Sechs Jahrzehnte nach dem ersten US-Spacewalk

Aufgrund des speziellen Herstellungsverfahrens ist die Kapazität jedoch natürlich limitiert und jährlich verlassen gerade mal ca. 1'500 Exemplare der Kaliber 321 die Produktionsstätte von Omega.

So gesehen hat Omega auch 2025 – 60 Jahre nach dem ersten US-Spacewalk – wieder die Nase vorn, denn die Speedmaster 321 dürfte somit rarer sein als die gehypte Stahl-Daytona. 

Neu, sekundär oder vintage? 

Ähnlich wie bei der weit bekannten Snoopy Speedmaster Anniversary Series besteht auch für die 321 eine lange Warteliste. Gut zu wissen, dass man das aktuelle Modell ohne grossen Aufpreis auch sekundär erwerben kann.

Oder man entscheidet sich gleich für das Original, eine 105.003 aus den 1960er Jahren, welche je nach Ausführung, Zustand und Lieferumfang bereits günstiger zu haben ist. 


Swiss Watch Advisor wurde von einem Schweizer Private Banker gegründet. Seine Uhrenexpertise teilt er in regelmässigen Abständen auf finews.ch. Als erster vollständig unabhängiger Berater unterstützt er sowohl Erstkäufer wie auch erfahrene Uhrensammler dabei, ihre Sammlung zu kuratieren oder ihre erste (und einzige) Uhr zu finden. Frei von Interessenskonflikten bietet Swiss Watch Advisor als Sparringspartner seinen Kunden eine Zweitmeinung und individuelle Empfehlungen. Der Autor kann via Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. direkt kontaktiert werden.