Dass der Verwaltungsrat der Credit Suisse es verpasst hat, einen internen Nachfolger zum neuen CEO aufzubauen, mag ein Armutszeugnis sein. Die andere Sichtweise ist: Nur ein Mann von aussen kann die Bank wirklich auf Kurs bringen.

Die Ernennung von Tidjane Thiam als Chef der Credit Suisse (CS) birgt einige Überraschungen und aus einer Schweizer Nabelschau eine Enttäuschung: Innerhalb der stolzen Grossbank gab es offenbar keinen einzigen valablen Kandidaten, der das Zeug gehabt hätte, das Schiff flott zu machen und auf Kurs zu führen.

Dieser Mangel an geeignetem und fähigem Führungspersonal innerhalb der Bank ist dem Verwaltungsrat der CS zuzuschreiben. Insbesondere ihrem Präsidenten, Urs Rohner, der es während fünf Jahren an der Spitze dieses Gremiums offenbar versäumt hat, sich intensiv um den Aufbau einer internen Nachfolge für Brady Dougan zu kümmern. Stattdessen wählte Rohner nun einen Mann, der mit dem Schweizer Banking bislang kaum Berührungspunkte hatte und zudem kein Banker ist.

Keine CS-Historie – ein Vorteil

Diese Kritik greift aber möglicherweise zu kurz, ist engsichtig und lässt ausser acht, dass dies für die CS eine pragmatischere und wohl auch erfolgversprechendere Lösung ist, nämlich einen Mann von aussen zu wählen. Thiam kommt aus dem Versicherungsbereich und mag die CS bislang nur durch vereinzelte Geschäftsbeziehungen kennen.

Das bedeutet aber auch, dass er seinen Job völlig frei von Seilschaften, Befindlichkeiten und internen Gepflogenheiten anpacken kann. Für einen CEO, von dem strategische und möglicherweise auch schmerzhafte Anpassungen erwartet werden, ist dies von grossem Vorteil.

Thiam erfüllt die Kriterien

Dies wird auch Rohner bewusst gewesen sein, als er im vergangenen Jahr die Nachfolgesuche einleitete und dabei das richtige Timing bewies. Denn erst mit der Beilegung des US-Steuerstreits war der Weg tatsächlich frei für die Nachfolge von Brady Dougan.

Dieser hatte sich zwar als fähiger Krisenmanager erwiesen, war aber nicht fähig oder willens gewesen, die Bank mit der notwendigen Geschwindigkeit und Konsequenz auf das veränderte regulatorische Umfeld strategisch auszurichten.

Darum wählten Rohner und der CS-Verwaltungsrat mit Thiam einen unbefangenen CEO, der von aussen kommt. finews.ch hat vor knapp einem Jahr bereits ein Profil des neuen CS-Chefs erstellt – interessanterweise erfüllt Thiam jedes einzelne dieser Kriterien.

1. Er ist frisch und unverbraucht
finews.ch hatte für einen Mann von aussen plädiert, weil die aktuelle Führungscrew der CS von den laufenden Restrukturierungen absorbiert, wenn nicht gar paralysiert sei. Mit Thiam werden beste Voraussetzungen geschaffen, um die Bank mit frischen Ideen und nachvollhziehbarer Strategie auszustatten.

Er kann firmenintern objektiv und offensiv agieren, und er kann nach aussen die erwarteten Signale aussenden. Zeichen dieses Aufbruchs mag die bereits vergangene Woche gestartete Neuausrichtung der Credit Suisse Schweiz unter Hans-Ulrich Meister sein und der überraschende Abgang von Barend Fruithof, dem Chef des Bereichs Corporate & Institutional Business.

2. Er signalisiert den Aktionären einen Neuanfang
Die Reaktion der Investoren auf die Ernennung Thiams lässt keine Frage offen: Der Kurssprung der CS-Aktie am Dienstag zeigt, dass sie hoch erfreut sind und von ihm einen Neuanfang zutrauen.

3. Er ist kein Amerikaner
«Wieder ein Amerikaner wäre ungeschickt» hatte finews.ch im vergangenen Mai geschrieben. Mit Thiam wird ein Bürger Frankreichs und der Elfenbeinküste CEO.

Natürlich ist es diskutabel, ob nicht eine Persönlichkeit mit Schweizer Bezug die ideale Wahl gewesen wäre, welche auch eine aktivere Rolle in der Gestaltung des Schweizer Finanzplatzes einnehmen würde als es Dougan je getan hat.

Die Wahl Thiams lässt diesen Punkt offen. Klar ist aber, dass mit ihm eine Persönlichkeit gewählt wurde, die die Zukunft des Banking eher in der Vermögensverwaltung und damit in Asien sieht, denn im Investmentbanking amerikanischer Prägung.

4. Er ist unbefleckt
Unter den Schweizer wie auch internationalen Top-Shots ist es äusserst schwierig, eine Persönlichkeit zu finden, die von vergangenen und aktuellen Bankskandalen völlig unbefleckt ist. Thiam ist dies.

Und wichtig ist zudem: Er hat keinerlei Verbindungen zum US-Privatkundengeschäft. Diesen Konflikt hat die CS zwar vergangenes Jahr teuer gelöst. Der Fall Raoul Weil zeigt aber, dass mit einem Verfahrensabschluss nicht garantiert ist, dass die US-Justiz keine weiteren Strafverfolgungsmassnahmen einleitet, sei es gegen ehemalige oder bestehende Geschäftsleitungsmitglieder einer Schweizer Bank. Mit Thiam an der Spitze der CS, ist dieses Risiko immerhin geringer.

5. Er kann es machen wie Sergio Ermotti
Sergio Ermotti war erst sechs Monate bei der UBS gewesen, als er zum Nachfolger von Oswald Grübel berufen wurde. Entsprechend unbeschwert konnte er die UBS konsequent auf das Vermögensverwaltungsgeschäft ausrichten und mit Hilfe des starken Präsidenten Axel Weber die Macht der Investmentbanker brechen. Thiam kann es mit der Rückendeckung Rohners und dem Verwaltungsrat machen wie Ermotti.

6. Er wird das Wealth Management stärken
«Der strategische Fokus der Credit Suisse kann nach dem Irrflug nur heissen: Wealth Management, Wealth Management und nochmals Wealth Management», hatte finews.ch vor knapp einem Jahr geschrieben. Aus den Worten von CS-Präsident Rohner lässt sich schliessen, dass diese Richtung nun eingeschlagen wird.

Thiams «umfassende Erfahrung, einschliesslich Wealth und Asset Management sowie die erfolgreiche Erschliessung neuer Märkte, bietet eine solide Grundlage für die Führung der Credit Suisse», so der CS-Präsident in der Mitteilung.

Mit den neuen Märkten ist Asien gemeint, wo Prudential unter Thiam in den vergangenen Jahren enorm gewachsen ist. Das Wachstumspotenzial der asiatischen Märkte wird er nun auch für die Credit Suisse besser nutzen, in dem er den strategischen Fokus auf das Wealth Management legt.

7. Er muss Präsident und Verwaltungsrat auf Augenhöhe begegnen
Brady Dougan wurde nachgesagt, dass er mit dem beibehaltenen Fokus auf das Investmentbanking die Interessen der Qatar Holding und auch der saudiarabischen Olayan Gruppe vertrat, die zusammen 11,2 Prozent der Aktien halten sowie 24,5 Prozent der Wandelrechte und im Verwaltungsrat durch von Jassim Bin Hamad J. J. Al Thani vertreten sind.

Thiam ist wohl keine Persönlichkeit, die sich von Partikularinteressen im Verwaltungsrat leiten lässt. Er wurde sowohl auf dem politischen als auch auf dem privatwirtschaftlichen Parkett geformt und abgehärtet. Als Wirtschaftsminister der Elfenbeinküste wurde er weggeputscht. Als CEO von Prudential setzte er sich nach anfänglichem Misserfolg mit der gescheiterten Übernahme des Asien-Geschäfts des Versicherungsriesen AIG erfolgreich durch.

Es ist durchaus möglich, dass Thiam dem bis anhin etwas farblosen CS-Präsidenten Rohner neues Leben einhaucht, indem die beiden eine neue CS-Strategie gemeinsam und konsequent nach innen wie nach aussen vertreten.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.48%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.55%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.24%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.13%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.59%
pixel