Als ob der Geldwäschereiskandal um den malaysischen Staatsfonds 1MDB den Finanzplatz von Singapur nicht schon genug erschüttert hätte, droht nun weiteres Ungemach.

Für asiatische Verhältnisse kommt dies einem Tabubruch gleich: In einer Erklärung auf seiner persönlichen Facebook-Seite hat Lee Hsien Yang angekündigt, «auf absehbare Zeit» sein Heimatland zu verlassen. Als Grund für diesen Schritt gibt Lee an, das Vertrauen in die Regierung Singapurs verloren zu haben. «Ich habe nicht den Wunsch zu gehen. Hsien Loong ist der einzige Grund für meine Abreise», schreibt er.

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(Ausschnitt aus Lee Hsien Yangs Schreiben, hier im ganzen Wortlaut)

Lee Hsien Yang (Bild unten) ist einer der beiden Söhne des 2015 verstorbenen Gründers von Singapur, Lee Kuan Yew, und er ist der Bruder von Lee Hsien Loong, dem amtierenden Premierminister des Stadtstaates am Äquator.

lee hsien yang

Vor diesem Hintergrund erscheint die jüngste Ankündigung wie eine schallende Ohrfeige ins Gesicht Lee Hsien Loongs. Doch als ob das alles nicht schon genügte, stimmt auch Lee Wei Ling, also die Tochter des verstorbenen Lee Kuan Yew in die Kritik ihres Bruders ein, was dem Ganzen noch mehr Brisanz und Dramatik verleiht.

Einiges im Argen

Wenn in Asien Familienzwiste in der (medialen) Öffentlichkeit ausgetragen werden, dann liegt einiges im Argen. Tatsächlich beklagte sich Lee Wei Ling bereits im vergangenen Jahr darüber, dass ihr Bruder als Premierminister seine Macht für persönliche Zwecke missbrauche und dem Andenken des (gemeinsamen) Vaters in keiner Weise gerecht werde.

In dem Konflikt geht es unter anderem auch um etwas Handfestes: Staatsgründer Lee Kuan Yew hatte schon zu Lebzeiten angeordnet, dass sein Wohnhaus an der Oxley Road 38 nach seinem Ableben abgerissen werde – um jeglichen Heldenkult zu vermeiden. Offenbar soll sich Premierminister Lee Hsien Loong dieser Anordnung aber widersetzt haben – zum Ärger seiner Geschwister.

Starker Tobak

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(Premierminister Lee Hsien Loong und seine Frau Ho Ching, Bild: Keystone)

Seither scheint sich das Verhältnis zwischen den drei Geschwistern kaum verbessert zu haben, wie der jüngste und krasse Vorstoss von Lee Hsien Yang zeigt, der als Konsequenz daraus sogar das Land verlassen will. Insgesamt wirft er seinem Bruder Vetternwirtschaft vor; einerseits etwa dadurch, dass die Gattin des Premierministers, Ho Ching, den Singapurer Staatsfonds Temasek führt sowie in dessen Verwaltungsrat sitzt, und andererseits, dass der Premierminister versuche, seinen nun 30-jährigen Sohn Li Hongyi, als politischen Nachfolger nachzuziehen. Das ist starker Tobak.

Ebenfalls auf Facebook hat nun Premierminister Lee Hsien Loong, der noch bis zum Wochenende in den Ferien weilt, alle Anschuldigungen dementiert. Er äusserte sich erschüttert über die Angriffe seiner Geschwister. Er werde die Angelegenheit nach seiner Rückkehr weiter prüfen, erklärte er in seinem Statement (Bild unten).

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Stabilität in Gefahr

Für die weitere Entwicklung Singapurs ist der Bruderzwist ein ungemein gefährlicher Konflikt, da der junge Staat, der im August 2015 sein 50-jähriges Bestehen feierte, stets die politische Stabilität als seiner wichtigsten Merkmale und Vorzüge postuliert hatte. Solange Gründervater Lee Kuan Yew am Leben war, schien dies auch zu funktionieren und diente als Basis für die einzigartige Erfolgsgeschichte dieses Landes, das sich als kleine Region vom übermächtigen Malaysia getrennt hatte und innert weniger Jahrzehnte zu einem der wohlhabendsten Staaten der Welt avancierte.

In diesem Fahrtwind prosperierte auch der Finanzplatz, der umso mehr von der politischen Stabilität wie auch von der inexistenten Korruption profitierte. Nun ist diese politische Stabilität ins Wanken gekommen, zumal schon der Skandal rund um den malaysischen Staatsfonds 1MDB für Schockwellen gesorgt hatte.

Fragwürdige Ämterkumulation

Kurzfristig wird sich die Situation vermutlich nicht trüben. Doch mittel- bis langfristig müssen sich die Politiker in dem Stadtstaat klar werden, wie sie Singapur in die Zukunft führen wollen. Dabei werden sie nicht nur die politische Frage lösen müssen, sondern sich auch der Tatsache stellen müssen, dass momentan noch allzu viele Ämter und Behörden von Personen geleitet werden, die der Familie Lee sehr nahe stehen; bestes Beispiel ist die eingangs erwähnte Gattin des Premierminister, die den Staatsfonds Temasek führt.

Selbst der nun vorpreschende Lee Hsien Yang genoss aufgrund seiner Herkunft erhebliche Privilegien und bekleidete diverse höchste Ämter in Singapur. So war er eine Zeit lang Präsident der staatlichen Telefongesellschaft Singtel, Brigadier im Militär und ist heute (noch immer) Verwaltungsratspräsident der Zivilluftfahrtbehörde Singapurs.

Implikationen für den Finanzplatz

Wie er dieses Amt nach seinem Wegzug weiterführen will, ist eine wichtige Frage, der sich Singapur stellen muss, genauso wie dem Umstand, dass die wichtigsten Funktionen in den Staatsorganen künftig unabhängiger besetzt werden müssen. Das alles wird auch Implikationen für den Finanzplatz und die Banken nach sich ziehen.

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