Der Rücktritt an der Spitze der Finanzaufsicht kommt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Denn einiges deutet daraufhin, dass der Einsatz für die Finma rund um die Riesenbank UBS enorme Dimensionen annimmt.

Wen hätte das nicht zermürbt: Seit vergangenen Herbst wusste die Spitze der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), dass die Credit Suisse (CS) dem Untergang geweiht ist. Entsprechend hektisch waren die Vorbereitungen für den Tag X; Berichten zufolge traf sich allein bei der Finanzaufsicht ein Krisenstab fast im Tagesrhythmus. Kurz vor dem Zwangsverkauf an die UBS vom 19. März wurden die Nächte zum Tag.

Als die CS-Rettungsaktion aus den Kulissen an die Öffentlichkeit gelangte, wurde der Druck auf die Behörde nur noch grösser. Die von der Aufsicht über Jahre verfolgte Bankenregulierung hatte sich als nur bedingt tauglich erwiesen. Die Finma hatte das Wettbewerbsrecht ausgehebelt und einen Milliardenabschreiber auf Pflichtwandelanleihen (AT-1-Bonds) der CS durchgedrückt, was zu einem weltweiten Aufschrei von geschädigten Investoren führte.

«Hohe und dauerhafte Belastung»

Am (gestrigen) Mittwoch folgte Finma-Direktor Urban Angehrn (Bild unten) der Vernunft, wie er es ausdrückte. Die «hohe und dauerhafte Belastung» habe bei ihm gesundheitliche Folgen gezeitigt. Noch diesen September übergibt er nach etwas mehr als zwei Jahren Amtszeit an seine Stellvertreterin Birgit Rutishauser (Bild ganz unten), wie auch finews.ch berichtete.

Obwohl die Organisation den Rücktritt verkraftet und der Finma-Verwaltungsrat um Präsidentin Marlene Amstad eben vom Bundesrat bestätigt wurde, kommt der Führungswechsel für die Behörde wohl zum denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn einiges deutet daraufhin, dass der Einsatz für die Finma in den nächsten Monaten ins schier Unermessliche wachsen wird. Dafür sprechen folgende drei Gründe:

Angehrn 503

(Bild: Finma)

1. Milliardenforderung könnte auf Steuerzahler zurückfallen

Recherchen deuten daraufhin, dass die Aufsicht kürzlich ihre Replik auf die Beschwerde der AT-1-Investoren beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht hat. Dabei wehrt sich die Finma gegen den Vorwurf, sie habe beim 16-Milliarden-Franken-Abschreiber auf den CS-Pflichtwandelanleihen unverhältnismässig gehandelt. Doch selbst, wenn die Investoren mit der Beschwerde vor Gericht nicht durchdringen, verbleibt ihnen noch ein Ass im Ärmel: Sie könnten etwa argumentieren, dass mit dem Abschreiber eine materielle Enteignung der AT1-Halter stattgefunden habe.

Bestätigt das Gericht jenen Vorwurf, dann müsste der Staat für den entstandenen Schaden haften. Angesichts des Volumens, dass die in der Beschwerde vertretenen Investoren vereinigen, wird mit einer Entschädigung von bis zu 4 Milliarden Franken gerechnet. Diese wäre dann vom Steuerzahler zu leisten.

Rutishauser 500

(Bild: Finma)

2. Das Wettbewerbsrecht ist ausgehebelt, ungeachtet eines Schadens

Voraussichtlich Ende September will die Wettbewerbskommission Weko ihre Empfehlungen bezüglich der CS-Übernahme an die Finma übermitteln. Der Vorgang ist rein zeremoniell, denn die Weichen sind bereits am 19. März bei dem Verkauf an die UBS gestellt worden: Der Gläubigerschutz wurde damals höher gewichtet als das Wettbewerbsrecht. Mit dieser Argumentation bewilligte die Finma den Zusammenschluss vorzeitig. Machte die Aufsicht nun einen Rückzieher, würde dies einen groben Verstoss gegen das mit der UBS bei der Übernahme getroffene Abkommen darstellen und das ganze Projekt gefährden.

Bankchef Sergio Ermotti erklärte zwar vergangenen August erneut, dass die CS-Übernahme für das Funktionieren des Wettbewerbs im Swiss Banking unbedenklich sei. Die beiden Banken verfügten nur über das drittgrösste Filialnetz, so der UBS-Chjef, und die 24 Kantonalbanken hätten zusammengenommen mehr Marktanteil. Dennoch würde es erstaunen, wenn der Zusammenschluss der grössten und der zweitgrössten Schweizer Bank kartellrechtlich überhaupt kein Thema wäre.

Spielt aber der Wettbewerb nicht, dann tragen am Ende die Schweizer Bürgerinnen und Bürger den Schaden. Und die Finma wäre die einzige Stelle, die einen solchen – momentan noch unbezifferten – Schaden verhindern könnte.

3. Mit dem Island-Szenario ist zu rechnen

Mit dem Verschwinden der CS hat die Schweiz ein Problem: Es gibt keine Bank mehr, die gross genug wäre, um die kombinierte UBS zu retten. Dem Land droht damit im schlimmsten Fall das Szenario, welches Island während der letzten Finanzkrise mit seinen Banken erlebte. Diese Gefahr hat nun auch eine vom Bundesrat eingesetzte Expertengruppe zur Bankenstabilität erkannt. Die Experten befanden, dass die Finma und die Schweizerische Nationalbank das Krisenmanagement stemmen müssten, blieben aber bei den dazu notwendigen Instrumenten recht vage. So wurden zwar höhere Liquiditätshilfen gefordert, aber nicht massiv gesteigerte Eigenkapital-Vorräte bei der grössten Schweizer Bank.

Für die Finanzaufsicht ist dies ein verzwickter Befund: Zwar trägt die Finma volle Verantwortung, steht aber heute ohne das nötige Instrumentarium da, um diese auch wahrzunehmen. Der Einsatz ist dabei von einer kaum mehr fassbaren Dimension: Ende 2022 lag das BIP der Schweiz bei 770 Milliarden Franken, die Bilanzen von UBS und CS zusammengerechnet bei 1'733 Milliarden Franken.

Mit der Ende August von der UBS beschlossenen Vollintegration der CS sind diese hypothetischen Summen Realität geworden. Und einmal mehr ist es vorab die Finma, der es obliegen wird, Schaden für das Land abzuwenden.

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