Der frühere Investmentbank-Chef der UBS ist zu einem der erfolgreichsten CEO in Europa avanciert. Doch Andrea Orcel ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus. Er strebt eine grössere Übernahme an und weiss, wie man die Investorinnen und Investoren bei Laune hält.

Man kann ihn unumwunden als Superstar in der europäischen Bankenwelt bezeichnen: Andrea Orcel, Chef der italienischen Grossbank Unicredit, zu der auch die deutsche Hypovereinsbank gehört. In einem früheren Leben war der Italiener auch schon mal Chef der UBS-Investmentbank gewesen und aspirierte – allerdings erfolglos – auf den Posten des damaligen (und heutigen) CEO Sergio Ermotti.

Inzwischen leitet der 60-Jährige die zweitgrösste Bank Italiens (hinter Intesa Sanpaolo) und zählt zu den erfolgreichsten Managern in seiner Gilde, hat er doch den Börsenkurs des Unternehmens seit seinem Amtsantritt im April 2021 um 178 Prozent gesteigert – allein im laufenden Jahr um mehr als 75 Prozent.

Süchtige Anleger

Kein Wunder, dass ihn die Finanzgemeinde euphorisch feiert und er unter den Analystinnen und Analysten den Spitznamen «Doc Orcel» hat, weil er die «süchtigen Anlegerinnen und Anleger» immer wieder mit hohen Aktien-Rückkäufen «ruhigstellt», wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Artikel hinter Bezahlschranke) in einem Portrait schreibt.

Der in Rom geborene Manager, der mit seinem Jahresgehalt von 9,75 Millionen Euro durchaus grosszügig bezahlt wird, hat noch viel vor, wie er im Gespräch weiter erklärt. Unicredit ist eine der wenigen grenzüberschreitenden Banken Europas, vertreten in 13 Ländern, darunter steht an zweiter Stelle nach dem Heimatmarkt Italien die 2005 erworbene Hypovereinsbank in München, die für ein Viertel des Konzerngeschäfts steht.

Ziemlich geräuschlos Stellen gestrichen

Der Manager erklärt den Kurserfolg jedoch mit weit mehr als mit Gefälligkeiten für die Anleger in Form der grosszügigen Aktienrückkäufe. «Das Team von Unicredit hat auf phänomenale Art die Bank verändert. Sie ist heute effizienter und effektiver, die Technologie ist zusammengewachsen und Prozesse wurden bereinigt.» Daher liege das Verhältnis aus Kosten und Einnahmen bei 39 Prozent – «besser als bei den meisten Konkurrenten».

Wie die «FAZ» weiter feststellt, hat Orcel viele Doppelspitzen, wie sie unlängst beispielesweise das Investmenthaus Vontobel eingeführt hat, auf Managementposten abgeschafft, die ihm sein Vorgänger Jean-Pierre Mustier hinterliess. Zudem hat der Italiener den Personalbestand um rund 7'700 Beschäftigte verkleinert – ziemlich geräuschlos, wie die Zeitung feststellt. Heute beschäftigt Unicredit rund 74'000 Mitarbeitende. Trotz der schon niedrigen Kostenbasis glaubt er, noch «viele Effizienzgewinne» erzielen zu können.

Grösse Übernahme im Visier

Der Italiener tritt forsch auf, spult Zahlen dynamisch wie ein klassischer Investmentbanker herunter. Doch er könne auch wieder vorsichtig werden, wie die «FAZ» schreibt. So strebe er eine grössere Bankübernahme an, doch scheine er sich dabei Zeit zu lassen.

Von den Vermögenswerten – nicht der Börsenkapitalisierung – her, liegt Unicredit unter den grössten Banken Europas nur auf Rang 14. «Ich glaube, einer der grössten Fehler der Banken ist es, auf die Grösse zu achten. Denn dann gehen sie eines Tages zu viele Risiken ein. Deshalb wollen wir kapitalschonend arbeiten und mit weniger Vermögenswerten mehr Geld verdienen», erklärt Orcel.

Erfahrung im Aufräumen

Dennoch: «Eine Übernahme könnte uns helfen, dass der Markt unseren vollen Wert anerkennt, was heute nicht der Fall ist. Wir wollen ein führender Akteur in Europa sein», sagt der CEO. Unicredit habe durch seine 13 Märkte viele Wahlmöglichkeiten. «Und wir wissen, wie man integriert und wie man aufräumt.»

Zudem verfüge die Bank über ein Überschusskapital von 10 Milliarden Euro, das ist das Kapital oberhalb des Eigenkapital-Ziels von 12,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva.

«Wir werden aber nur bei den richtigen Bedingungen zugreifen. Einige Banken wollen keine Geschäfte machen. Andere haben sehr überhöhte Preise. Also lassen wir die Finger davon, wir sind diszipliniert», versichert Orcel. Wenn er nichts finde, werde er im Interesse seiner Aktionäre weiter eigene Aktien zurückkaufen. Doch der Italiener gibt sich im Gespräch zuversichtlich: «Es ist wahrscheinlich, dass wir in den nächsten Jahren einige Akquisitionen tätigen werden.»

Pendenz Russland

In Russland, wo die Bank immer noch 3'400 Mitarbeitende beschäftigt, will Orcel seine Niederlassung und damit rund 3 Milliarden Euro nicht einfach an das Regime verschenken.

«Die Strategie bleibt unverändert, wir reduzieren unser Engagement. Unsere Präsenz ist in zwei Jahren bereits um mehr als 70 Prozent gesunken; es war ein sehr grosser Geschäftsbereich, jetzt haben wir weniger als 1 Prozent Marktanteil», räumt Orcel ein. Die russische Wirtschaft würde Unicredit «eigentlich nicht mehr unterstützen».

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