An der CFA-Institute-Conference redeten einige Fachleute der Branche hart ins Gewissen. Anstatt der Herde zu folgen, sollten die Akteure ihr Gehirn einschalten.

Eigentlich wartet die ganze Welt schon lange auf eine Entschuldigung von der Wall Street für das, was im Zuge der Finanzkrise in den letzten Jahren passiert ist. Doch realistisch gesehen dürfte dies ein Wunsch bleiben. Denn die Branche scheint aus den Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit kaum etwas gelernt zu haben.

Dies der Tenor an der diesjährigen, 65. CFA-Institute-Conference in Chicago, an der rund 1'800 Fachleute, insbesondere Finanzanalysten (Chartered Financal Analysts, CFA), teilnahmen. Besonders die Keynote-Speakers sparten kaum mit ihrer Kritik an der Branche.

Bloss noch «esoterische» Produkte

«Wenn Sie als Finanzanalyst immer noch angezogen werden von den hohen Löhnen, dann wechseln Sie besser den Job. Denn das ist eine Form von Prostitution», sagte Charles D. Ellis, einer der Doyens in der Branche. Seiner Zunft empfiehlt er eine Rückbesinnung auf die Zeit der sechziger Jahre. Damals sei es noch um echte Anlageberatung gegangen und nicht wie heute um «esoterische» Finanzprodukte, die man den ahnungslosen Kunden andrehe.

Anstatt Common Sense dominiere heute Komplexität, sagte James Montier, Partner beim Investment-Manager GMO, der vor Jahren vom Anlageguru James Grantham gegründet wurde. Die Branche hofiere die Komplexität, weil sie so ihre Kunden besser verwirren und hereinlegen könne, erklärte Montier weiter.

Risiken überhaupt nicht unter Kontrolle

Als Beispiel führte er die Collaterized-Debt-Obligations (CDO) an, mit welchen die Banken versucht hätten, bei den Kunden den Eindruck zu erwecken, diese Finanzprodukte seien sicherer als Staatsanleihen. Zudem habe man mit mathematischen Modellen die Klientel glauben lassen, die Risiken seien unter Kontrolle. Was natürlich alles falsch war, wie Montier betonte. Finanzleute sollten mehr denken, anstatt nur der Herde zu folgen.

Harsche Kritik übten die Redner allerdings auch an den Aufsichtsbehörden und an der Notenbank. Diese Gremium hätten sich ebenfalls von den mathematischen Modellen verleiten lassen und ihre Aufgaben nicht erfüllt. Bereits 1998 hätten die Alarmglocken läuten müssen, als mit staatlicher Hilfe der Hedge Fund Long-Term-Capital-Management (LTCM) gerettet werden musste.

Der Wall Street blindlings vertraut

Spätestens von da an, hätte es den Behörden klar sein müssen, dass mit massivem Fremdkapital (Leverage) und komplexen Strukturen enorme Vermögenswerte und gar ganze Finanzinstitute vernichtet werden können, wie Montier weiter ausführte. Doch offenbar habe der Staat den Modellen an der Wall Street blindlings vertraut.

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