Die Finanzbranche wird die Abschaffung der Eigenmietwert-Besteuerung spüren, schreibt Hans Kaufmann: bis 200 Milliarden könnten abfliessen.

Hans Kaufmann ist Wirtschaftswissenschaftler, Nationalrat (SVP) und Gründer des Finanzdienstleisters Kaufmann Research. Bis 1999 arbeitete der Ökonom bei der Bank Bär, zuletzt als Chefökonom.

Am 17. Juni sprach sich der Bundesrat gegen die vom Hauseigentümerverband eingereichte Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» aus. Er lehnte die fakultative Befreiung von der Eigenmietewertbesteuerung beschränkt auf Rentnerinnen und Rentner ab, anerkannte jedoch Handlungsbedarf. Mit einem indirekten Gegenvorschlag will der Bundesrat die Besteuerung des Eigenmietwertes für alle Wohneigentümer aufgeben und im Gegenzug die bisherigen Abzugsmöglichkeiten auf zwei Ausnahmen beschränken. Künftig sollen nur noch Hypothekarzinsen beim Ersterwerb sowie der Aufwand für qualitativ hochwertige Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen steuerlich berücksichtigt werden.

Eine entsprechende Botschaft soll vom Finanzdepartement ausgearbeitet werden. Mit dem Gegenvorschlag soll eine weitere Verkomplizierung unseres Steuersystems und eine Ungleichbehandlung der Wohneigentümer verhindert werden.

Am 19. März wurden im Ständerat sowohl von bürgerlicher (Schweiger) als auch von linker Seite (Sommaruga) zwei gleichlautende Motionen eingereicht: «Vereinfachung des Steuersystems im Bereich des Wohneigentums»; diese empfahl der Bundesrat am 13. Mai zur Annahme.

Spielraum für Ausnahmen

Die Einreichung einer wortgleichen Motion von beiden politischen Richtungen im Ständerat wird dazu führen, dass diese rascher als im Nationalrat behandelt werden und eine Zustimmung bereits zum Voraus gesichert erscheint. Die Motionäre fordern die vollständige Abschaffung der Besteuerung des Eigenmietwertes, dafür sollen aber auch keine Abzüge mehr für bezahlte Hypothekarzinsen, Unterhaltskosten, Versicherungsprämien und Kosten für die Verwaltung durch Dritte mehr zulässig sein. Wie der Bundesrat lassen die Motionäre Spielraum für Ausnahmen offen, wobei diese Ausnahmen auf Gebäudesanierungen mit einem hohen energetischen Wirkungsgrad und für den Hypothekarzinsabzug in den ersten Jahren nach Erwerb des Wohneigentums eingeschränkt werden.

Dass angemessene Übergangszeiten vorgesehen werden, erscheint selbstverständlich, ist aber wegen den zum Teil langfristigen Bindungen der Eigenheimbesitzer essentiell. Rund 60 Prozent der von Banken gewährten Hypotheken weisen eine Restlaufzeit von über einem Jahr auf; der Durchschnitt liegt bei rund 2,5 Jahren.

Die Anliegen sind bekanntlich nicht neu. Regelmässig zu Kritik Anlass gibt die unterschiedliche, oft als Willkür empfundene Festsetzung der Eigenmietwerte in den Kantonen; dasselbe gilt für die zahlreichen Steueroptimierungsmöglichkeiten, aber auch die Mehrfachbesteuerung des selbstgenutzten Wohneigentums (Eigenmietwert, Vermögenssteuer, Handänderungssteuer, Grundstückgewinnsteuer, zahlreiche mit dem Grundeigentum verbundene Gebühren etc.). Bereits das Steuerpaket 2001 (Familienbe-steuerung, Wohneigentum, Umsatzabgabe), das im Mai 2004 von zwei Dritteln der Stimmbürger abgelehnt wurde, enthielt im Wesentlichen die nun erneut geforderten Gesetzesänderungen.

Ein wesentlicher Grund für die Bekämpfung des Paketes durch die Kantone waren die befürchteten Steuerausfälle von insgesamt 2,01 Milliarden Franken. (Bund: 1,5 Milliarden, Kantone: 510 Millionen). Die neue bundesrätliche Vorlage soll deshalb so ausgestaltet werden, dass bei der direkten Bundessteuer keine Einbussen resultieren. Das Steuerpaket 2001 sah im Bereich «selbstgenutztes Wohneigentum» folgende Änderungen vor:

• Abschaffung des Einbezugs des Eigenmietwerts als steuerbares Einkommen

• Abschaffung der unbegrenzten Abzugsfähigkeit von Hypothekarzinsen

• Gewährung einer Erleichterung für Ersterwerber, die ihre Hypothekarzinsen während den ersten 10 Jahren abziehen können (Abzüge begrenzt auf 15'000 / 7'500 Franken während den ersten 5 Jahren; danach werden die Beträge jährlich um 20 Prozent reduziert)

• Unbeschränkter Abzug der effektiven Unterhaltskosten im Umfang des 4'000 Franken überschreitenden Teils

• Gewährung eines neuen Abzugs zur Förderung des Bausparens

• Beschränkter Abzug von anderen privaten Passivzinsen (nur bis zur Höhe des steuerbaren Bruttovermögensertrags).

Alle für die direkte Bundessteuer vorgesehenen Änderungen sollten analog auch im Steuerharmonisierungsgesetz ihren Niederschlag finden.

Was hat sich seit der Ablehnung des Steuerpaketes 2001 geändert?

Bei der Präsentation der Bundesvorlage im Februar 2001 lagen die variablen Hypothekarzinssätze bei 4,48 Prozent; heute bei 2,75 Prozent. Wegen den mehrjährigen Fixhypotheken ist jedoch für die effektive Zinsenlast der Hausbesitzer nicht der Satz für variable Hypotheken, sondern der durchschnittlich bezahlte Zinssatz massgebend. Dieser sank von 4,21 Prozent im Jahre 2001 auf 3,33 Prozent im Jahre 2008 und dürfte heute bei rund 3,07 Prozent liegen. 2001 stellte sich die Hypothekarverschuldung der privaten Haushalte auf 307 Milliarden Franken, heute auf 521 Milliarden.

Ein Teil dieser fast 70-prozentigen Zunahme ist allerdings auf eine Änderung der statistischen Erfassung zurückzuführen – ab September 2006 umfassen die publizierten Zahlen die Werte sämtlicher Raiffeisenbanken. Zuvor flossen nur die Werte der grösseren Raiffeisenbanken ein. Adjustiert um die Folgen der Methodenänderung dürfte das Hypothekarvolumen der Haushalte im Februar 2001 rund 357 Milliarden Franken betragen haben. Aufgrund des durchschnittlichen Zinssatzes errechnet sich für das Jahr 2001 eine Zinsbelastung der privaten Hypothekarschuldner von 15 Milliarden Franken – bei den aktuellen Zahlen kommt man auf rund 16 Milliarden.

Der steuerlich abziehbare Hypothekarzinsbetrag ist somit trotz gesunkenen Hypothekarzinsen nicht gefallen, sondern hat um fast eine Milliarde Franken zugenommen.

Nebst den höheren Zinskosten dürften auch das Total der Eigenmietwerte angestiegen sein. Seit 2001 wurden rund 305'000 neue Wohnungen erstellt, womit der Bestand um 8,5 Prozent zunahm. Da die neuerstellten Wohnungen wohl einen höheren Durchschnittspreis als der Altbestand aufweisen, dürfte der massgebliche Wert für die Festlegung des Eigenmietwertes um mehr als 10 Prozent zugenommen haben. Dazu kommen wertvermehrende Renovationen und Anpassungen der Vergleichsmieten, die allenfalls zu weiteren Erhöhungen des Eigenmietwertes geführt haben. Der heutige Eigenmietwert aller privaten Eigenheime lässt sich ohne detaillierte Erhebung bei den Steuerämtern kaum ermitteln. Die im Jahre 2000 erhobenen Besitzverhältnisse und Mietpreise lassen nur eine rudimentäre Abschätzung des Eigenmietwertes von selbstbewohntem Wohneigentum zu.

Multipliziert man die 1.25 Millionen selbstgenutzten Wohneinheiten mit den damaligen (vergleichbaren) monatlichen Durchschnittsmieten von 1319 (4-Zimmer) beziehungsweise 1665 für eine 5-Zimmerwohnung, dann kommt man auf einen Betrag von 20 bis 25 Milliarden Franken pro Jahr. Aufgrund des verordneten minimalen Eigenmietwertes von 60 Prozent (des Marktwertes) errechnet sich ein Eigenmietwert von 12 bis 15 Milliarden Franken. Bei einem Satz von 70 Prozent errechnet sich bereits ein theoretischer Eigenmietwert von 14 bis 17,5 Milliarden Franken.

Ob die Hausbesitzer vom Eigenmietwert-Steuersystem profitieren oder einen Nachteil erleiden, hängt somit von geringen Schwankungen der Hypothekarzinssätze oder der Festlegung der Eigenmietwerte ab. Deshalb sind Behauptungen bezüglich Begünstigung oder Benachteiligung von Eigenheimbesitzern mit grosser Vorsicht zu werten.

Abzug der Unterhaltskosten: steuersystematisch falsch – aber zweckmässig

Die bereits 2001 auftretenden Detailprobleme sind heute noch aktuell. In der Diskussionen um das Steuerpaket 2001 wurde geltend gemacht, dass eine Streichung der Eigenmietwerte und der Hypothekarzinsabzüge per Saldo zu einem zusätzlichen Steueraufwand von 250 Millionen Franken für die Eigenheimbesitzer führen würde.

Deshalb versuchte das Parlament damals diesem Umstand Rechnung zu tragen, indem Unterhaltskosten, die 4000 Franken pro Jahr übersteigen, steuerlich abzugsfähig bleiben sollten. Der aktuelle Vorschlag des Bundesrates sieht vor, dass jährliche Unterhaltskosten bis 4000 Franken und die gesamten Kosten für Energiespar-, Umweltschutz- und Denkmalpflegemassnahmen abzugsberechtigt bleiben. Diese neue Regelung erscheint sinnvoll, denn sie trägt zu einer volkswirtschaftlich erwünschten Verstetigung der Gebäudesubstanzerhaltung bei.

Zweitwohnungen und unterschiedliche Eigentumsquoten

Nach dem Systemwechsel, der auch für die Kantone obligatorisch wäre, würde der Eigenmietwert von Zweitwohnungen ebenfalls nicht mehr besteuert. Die Tourismuskantone würden dadurch grosse Steuerausfälle bei den Kantons- und Gemeindesteuern erleiden. Bereits 2001 wurden diese auf rund 100 Millionen Franken geschätzt. Die Problematik der Zweitwohnungen wäre wohl wie 2001 vorgeschlagen mit einer Vermögenssteuer von maximal 1 Prozent anstelle der Einkommens- und Vermögenssteuer auf dem betreffenden Objekt zu lösen. Die Kantone werden aber auch deshalb recht unterschiedlich von einem Systemwechsel betroffen, weil die Wohneigentumsquote von Kanton zu Kanton stark variieren. Gemäss der letzten Volkszählung 2000 lag diese im Landesmittel bei 34,6 Prozent, wobei die Spannweite von 61,4 Prozent im Wallis bis zu 15,8 Prozent im Kanton Genf reichte.

Die Finanzkraft einzelner Kantone könnte sich infolge eines Systemwechsels spürbar verändern und Auswirkungen auf den «Neuen Finanzausgleich» zeitigen. Kantone, in denen ein Steuerabzug für Mieter eingeführt wurde, müssen diesen bei einem Systemwechsel logischerweise wieder abschaffen. Die Abgrenzungsprobleme von Privatbesitz und indirektem Besitz (Genossenschaften, Immobilien-AG etc.), die Behandlung von Mischbesitz (Geschäfts- und Privatbesitz), aber auch die Problematik der Bauzinsen müssen klar geregelt werden.

Schwerwiegende Folgen für den Finanzsektor

Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen bei einem Systemwechsel der Eigenmietwert-Besteuerung werden im Gutachten von Professor Baumberger (Universität St. Gallen) in der Version vom 21. März 2000 insbesondere für den Finanzsektor als «kaum nennenswert» beurteilt. Diese Einschätzung könnte sich als folgenschwerer Irrtum erweisen. Seit dem Jahr 2000, als die Studie erstellt wurde, sind die Kassenobligationensätze immerhin von 3,5 bis 4 Prozent auf heute 1,6 Prozent (5 Jahre Laufzeit) gefallen, die Verzinsung der Termineinlagen von 2,25 Prozet (3 Monate) auf noch 0,1 Prozent und die Spargeldzinsen von 1,35 auf 0,5 Prozent. Dazu kommen Unsicherheiten bezüglich der Bonität von Banken. Deshalb dürften bei einem Systemwechsel Umlagerungen von Guthaben bei Banken und der PostFinance in die eigene Liegenschaft in grossem Stil erfolgen.

Es werden vor allem jene Schuldner ihre Hypotheken amortisieren, die über die nötigen Barmittel oder leicht verkaufbare Finanzanlagen verfügen. Das heisst: Die guten Schuldner werden ihre Hypotheken abbezahlen, die risikoreicheren werden bei den Banken verschuldet bleiben. Die durchschnittliche Schuldnerqualität wird sich verschlechtern.

Höhere Risikozuschläge, höhere Hypo-Zinsen

Der Verbleib von minderwertigen Hypothekarschuldnern könnte zu höheren Risikozuschlägen und höheren Hypothekarzinsen führen. Als Folge davon würde auch der Referenzzinssatz, der neuerdings für die Mietpreisanpassungen massgeblich ist, ansteigen. Es ist auch damit zu rechnen, dass möglicherweise bisher dem Fiskus entzogene Vermögen zur Tilgung von Hypotheken verwendet werden. Da mit der Schuldentilgung der Nettovermögenswert der Immobilien ansteigt, wäre dies für das kantonale Steueraufkommen positiv, weil höhere Vermögenssteuern anfallen. Andererseits werden die nun in den eigenen Liegenschaften investierten Gelder künftig nicht mehr einkommenspflichtig sein.

Bei einem Wiederanstieg der Hypothekarzinssätze wird der Staat diese Zinskostenverteuerung nicht mehr wie in der Vergangenheit via höhere Zinsabzüge mittragen. Die Hausbesitzer werden die Zinserhöhungen selbst tragen müssen. Andererseits werden steigende Zinsen für den Staat zu höheren Steuereinnahmen führen, weil die Zinserträge auf Sparguthaben, auf anderen Bankeinlagen und Obligationen ansteigen werden und als Einkommen versteuert werden müssen. Der Staat würde von höheren Einnahmen und von geringeren Abzügen doppelt profitieren. Steigende Zinssätze bedeuten aber auch für den Staat höhere Kapitalkosten. Solche Überlegungen dürften wohl dem Einsteigen der politisch Linken auf den Systemwechsel Pate gestanden haben.

Nettozinsertrag: Minus 1 bis 2 Milliarden

Der Finanzsektor ist sich offensichtlich der Folgen eines Systemwechsels bei der Eigenmietwertbesteuerung noch nicht voll bewusst. Eine Bilanzverkürzung um 100 bis 200 Milliarden Franken infolge Hypothekenrückzahlungen erscheint durchaus realistisch und würde den Nettozinsertrag der Banken wohl um gegen 1 bis 2 Milliarden beeinträchtigen. Die Schrumpfung des Geschäftsvolumens würde aber nicht nur Banken treffen, sondern zahlreiche weitere Institutionen – so Lebensversicherungen, deren Steuer-optimierungsmodelle mit indirekter Amortisation von Hypotheken obsolet werden. Es sind auch Auswirkungen auf die Einrichtungen der Altersvorsorge wahrscheinlich, denn es würde sich beim heutigen Umfeld durchaus lohnen, Gelder aus dem BVG, den Säulen 3a und 3b abzuziehen und steuerfrei in das eigene Haus zu investieren.

Fazit: Die Abschaffung des Eigenmietwertes und die gleichzeitige Aufhebung der Hypothekarsteuerabzüge für selbstgenutztes Wohneigentum ist zu begrüssen, wobei zur Förderung der Substanzerhaltung und der energetischen Gebäudesanierungen Unterhaltsabzüge weiterhin zugelassen werden sollten. Insgesamt würde der Eigenheimbesitz attraktiver und damit – wie in der Verfassung gewünscht – gefördert. Die Auswirkungen einer solchen Reform werden jedoch weit über die direkte Betroffenheit der Eigenheimbesitzer hinausgehen und insbesondere der Finanzsektor täte gut daran, sich bereits heute mit den Folgen einer solchen Reform, deren Erfolgschancen im heutigen Umfeld sehr günstig einzuschätzen sind, zu beschäftigen.

 

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