Wirtschaftsnobelpreisträger Jean Tirole verrät in einem exklusiven Interview mit finews.first wie die Auszeichnung sein Leben veränderte und Monopole gezähmt werden können. 


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Herr Tirole, wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie den «Wirtschaftsnobelpreis» gewinnen würden?

Als ich 45 Minuten vor der offiziellen Verkündung einen Anruf von der königlichen Akademie Schwedens erhielt. In Wissenschaftskreisen machen immer viele Gerüchte die Runde, wer diese Auszeichnung als nächstes gewinnen könnte. Doch von der Akademie selber gehen diese nie aus. Umso mehr sind sie kaum verlässlich.

Sie haben die Auszeichnung 2014 gewonnen. Was hat sich für Sie persönlich seither verändert?

Die Auszeichnung hat mich verpflichtet, mehr über mein Tätigkeitsfeld zu informieren. Vor dem Gewinn war ich vor allem mit anderen Ökonomen, Ministern und deren Experten sowie mit Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsvertretern in Kontakt. Der Nobelpreis war ein Wendepunkt.

Warum?

Plötzlich begegnete mir eine Vielzahl von Menschen, mir unbekannte Leute, die mich, zum Teil auf der Strasse, ansprachen und ihr Interesse an meiner Arbeit bekundeten. Sie fragten mich, ob Ökonomen nützlich seien, ob Ökonomie eine Wissenschaft sei, und ob die grossen Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, auch lösbar seien. 

«Fehlender Wettbewerb macht das Leben für Monopolbetriebe sehr angenehm»

So erst wurde mir bewusst, welche Verantwortung ich plötzlich trug, aus meinem Leben als Wissenschaftler auszuscheren und den Leuten meinen Job zu erklären, mein Wissen zu teilen. Dies, ohne dass ich nun Journalist bin, sondern einfach, indem ich darüber reflektiere, was uns die Wirtschaftsforschung bringt. Daneben habe ich versucht, das gleiche Leben weiterzuführen und so viel Zeit wie möglich für meine Forschungs- und Lehrtätigkeit aufzuwenden.

In Ihrer Forschung geht es um die optimale Preisfindung zwischen Monopol und freiem Markt. Wie lautet, grob gesagt, Ihre Kernthese?

Unternehmen mit einer grossen Marktmacht, also der Fähigkeit, Preise bei gleichbleibenden Kosten substanziell zu erhöhen und gleichzeitig eine mindere Qualität zu liefern, ohne dabei Kunden zu verlieren, sind eine grosse Herausforderung für die Wirtschaft. In einer solchen Konstellation büssen die Verbraucher ihre Kaufkraft ein und konsumieren in der Folge weniger, was der Wirtschaft schadet.

Monopole generieren in der Regel wenig Innovation. Denn wären sie innovativ, würden sie ihre bestehenden Aktivitäten kannibalisieren. Was sie dank neuer Produkte zusätzlich gewinnen, würden sie aufgrund rückläufiger Absatzzahlen bei den bestehenden Produkte wieder einbüssen. Monopolbetriebe müssen auch deswegen nicht innovativ sein, weil deren Unternehmensleiter keinerlei Kritik ausgesetzt sind. Fehlender Wettbewerb macht das Leben für Monopolbetriebe sehr angenehm.

«In manchen Fällen gibt der Staat sogar nach»

Insofern ist Wettbewerb wichtig. Doch der Wettbewerb äussert sich nicht nur in tieferen Preisen. Er zwingt die Unternehmen auch, effizienter zu produzieren und innovativer zu sein. Allerdings ist das nicht immer im Sinn etablierter Unternehmen, die neue Anbieter oftmals blockieren oder finanzielle Kompensationen vom Staat verlangen, sofern sie ihren Einfluss in ihrem Bereich verlieren. 

In manchen Fällen gibt der Staat sogar nach. Er macht Konzessionen und schützt diese Unternehmen – nicht selten vor dem Hintergrund partikulärer Interessen der Politik. Opfer dieser Konstellation sind am Ende immer die Konsumenten, die zumeist auch nicht über die wahren Hintergründe im Bild sind. Darum müssen Wettbewerbsbehörden absolut unabhängig sein. Darum geht es.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.54%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.53%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.2%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.1%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.62%
pixel