Die Zürcher Traditionsbank hat neben ihren Semesterzahlen noch etwas ganz anderes veröffentlicht: Eine kleine 1.-August-Rede für die Schweiz.

RB_qBanken versenden üblicherweise Marktberichte und Analysen. Oder vielleicht wirtschaftspolitische Betrachtungen wie die berühmten Kommentare aus dem Hause Wegelin, verfasst von Konrad Hummler. Doch die Zeiten, wo sie sich durch weltanschauliche, philosophisch geprägte oder gar historische Essays profilierten, scheinen eher vorbei.

Nun aber hat die Bank Julius Bär wieder mal einen fundamental gedachten Aufsatz veröffentlicht. Versandt wurde der (nicht gezeichnete) Text mit den besten Grüssen von Raymond Bär (Bild) und Boris Collardi. «Wer viel für die Schweiz übrig hat», schrieben der Bär-Präsident und der Bär-Konzernchef dazu, «der wurde mit der medialen Berichterstattung über das Land seit einiger Zeit nicht mehr recht glücklich».

So weit, so verständlich. Die Privatbank erarbeitete also einen Aufsatz, der eine neue, historisch sehr bewusste Einordnung der Lage des Landes bieten soll: «Die Schweiz, vom belächelten Auslaufmodell zur respektierten Ausnahme», so der Titel.

Julius Bär schenkt dem Land also eine (etwas verfrühte) 1.August-Ansprache, wobei man nicht nur Staatstragendes, sondern auch feine Ironie zu bieten hat. So wird bemerkt, dass der Bundesrat nicht «im Ruf steht, überqualifiziert zu sein» (was die Schweizer Erfolge umso bemerkenswerter mache). Und an anderer Stelle weist die Bank darauf hin, dass Muammar al-Ghaddafis absurder Antrag zur Auflösung der Eidgenossenschaft uns immerhin daran erinnert, «Bürger eines ungewöhnlichen Landes zu sein».

Europa? «Die Schweiz war schon ganz anderem Druck ausgesetzt»

Nebenbei bekommt der Text – veröffentlicht in diesen Tagen – durch die aufköchelnde EU-Debatte sogar noch etwas Zusatz-Aktualität. Das Modell Schweiz erweist sich auch in diesem Rahmen als brauchbar. »Die Euro-Krise hat die unerwartete Nebenwirkung, dass die Eidgenossenschaft nicht mehr länger als Auslaufmodell wahrgenommen wird», schlussfolgern die Autoren an einer Stelle. Doch dies halte die EU nicht von ihren Druckversuchen ab – wozu Julius Bär tröstend befindet: «Man weiss aber auch, dass die Schweiz im Laufe ihrer episch langen Geschichte schon ganz anderem Druck ausgesetzt war.»

Insgesamt liesse sich die Botschaft von Julius Bär zusammenfassen mit dem Satz: Die Eidgenossenschaft erweist sich als krisenresistenter, als dies in der öffentlichen Debatte scheint.

Und die Kernfrage des Aufsatzes lautet: Warum ist das so?

Das Land wurstelt sich durch

Die Autoren finden Antworten darauf in einem unausgesprochenen Nationalcharakter, zum Beispiel im «inhärenten Bergler-Naturell dieses Volkes», in dem Einzelgängertum und Sturheit auf Nüchternheit träfen: «Die Zukunft wird nicht erträumt, sie wird erarbeitet».

Das habe dann zum Nebeneffekt, dass grosse Reformen nicht Sache der Schweiz seien: Vielmehr verbreite das Land «meist den Anschein, es wurstle sich irgendwie durch, nur um urplötzlich doch so dazustehen, dass alle beeindruckt sind.»

Das Land sei konservativ (was auch vor grossen ideologischen Wurf-Versuchen bewahrt), zugleich sei es tief verwurzelt in der liberalen Tradition.

Eine besondere Erkenntnis des Bär-Essays: In der Schweiz sei es dem Liberalismus geglückt, «seinen Errungenschaften nicht zum Opfer zu fallen. Die grosse Ausnahme in Europa!» Gemeint sind die Sozialisierungs-Tendenzen, die in allen anderen Ländern auch bürgerlichen Parteien stark erfassten.

Ich-AG? Dass wir nicht lachen

Denn eben: Auch hier sichten die Banker die helvetische Bodenständigkeit. «Das wachsame Auge der Bevölkerung lässt nur bedingt Platz für Sozialutopien. Schweizer sind konkret.»

Das führt dann zu so entscheidenden Details wie dem, dass Behörden den Schritt in die Selbstständigkeit erleichtern statt ihn zu erschweren. «Diskussionen um die ‹Ich-AG›, wie sie in Deutschland zu beobachten waren, wären in der Schweiz undenkbar», schreibt die Zürcher Bank.

Nur logisch scheint es, der Schutz der Privatsphäre bei Julius Bär als wichtiges Thema und als Pluspunkt der Schweiz aufscheint: «Niemand verspricht sich in der Schweiz vom umfassend beschnüffelten und datenmässig ausgespähten Untertanen einen Gewinn für die Gesellschaft», so eine Diagnose (die dummerweise durch den neuen DAP-Skandal etwas sabotiert wurde...) Der Respekt vor der Privatsphäre sei «ein integraler Bestandteil der Landesmentalität. Diskretion ist ein erzieherisch tief verankertes Gebot».

Die Broschüre lässt sich hier herunterladen.

 

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